Jürgen Klopp:Noch einmal auf den Laster

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Die Ära des Jürgen Klopp in Dortmund hatte ihren Höhepunkt im Pokalfinale 2012 mit dem 5:2-Sieg gegen den FC Bayern. Nun kehrt der Trainer zu seinem letzten BVB-Spiel nach Berlin zurück.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Das Duell hat noch nicht begonnen, aber das erste Opfer scheint es schon zu geben. Wenn nicht alle Indizien täuschen, wird nicht Nationaltorwart Roman Weidenfeller am Samstagabend beim Pokalfinale im Kasten von Borussia Dortmund stehen, sondern der Australier Mitch Langerak. Genau weiß es aber offenbar noch niemand, denn Jürgen Klopp spricht vor Spielen selten öffentlich über kniffligen Personalien.

Vor dem letzten Spiel seiner Ära in Dortmund bleibt sich der Trainer auch in der Geheimniskrämerei um die Aufstellung treu. Schon im vorigen Winter hatte er Langerak, 26, für die letzten Spiele der Hinrunde Weidenfeller, 34, vorgezogen. Auch damals gab es offenbar wenig Erläuterung für den in Ungnade gefallenen Stammtorwart. In der Rückrunde ging das Wechselspiel weiter. Zunächst musste Langerak wieder weichen, weil er mit Verspätung von der Asien-Meisterschaft, die er als Reserve-Goalie der Australier gewann, in die Bundesliga-Saison zurückkehrte. Als Weidenfeller sich vor wenigen Wochen verletzte, kam zwangsläufig Langerak erneut ins Spiel. Weidenfeller galt dann offiziell als "noch verletzt", obwohl er wieder am Training teilnahm. Am letzten Bundesliga-Spieltag, am vergangenen Samstag, spielte dann in der wichtigen Partie gegen Werder Bremen wieder Weidenfeller. Um so mehr wird es den Langzeit-Dortmunder und Vizekapitän schmerzen, jetzt vermutlich erneut auf die Bank zu müssen.

Vorigen Winter, als der BVB, mal mit, mal ohne Weidenfeller, gen Tabellenende trudelte, hatte Klopp dem fröhlichen Langerak den Vorzug mit der Begründung gegeben: "Ich will sein Lächeln sehen." Das mag nicht der wahre Grund gewesen sein, aber im DFB-Pokal jedenfalls hat Langerak eine starke Serie vorzuweisen: In elf Spielen mit ihm gewann Dortmund elfmal. Auch im - aus Dortmunder Sicht - legendären Pokalfinale 2012, als der BVB den FC Bayern mit 5:2 Toren überrumpelte und das erste Double der Klubgeschichte holte. Weidenfeller hatte zwar das Spiel begonnen, sich dann aber verletzt und wurde ins Krankenhaus transportiert. Pünktlich zur Siegerehrung war er wieder da.

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(Foto: firo Sportphoto)

Reservierter als erwartet: Jürgen Klopp (vorne) ließ sich nach seinem letzten Bundesliga-Spiel als BVB-Trainer noch Raum für emotionale Steigerungen.

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(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Wird es die im Pokalfinale geben? Es wird sein letztes Spiel für den BVB, und es war ein Ende mit Ansage: Am 15. April verkündete Klopp den Rücktritt.

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(Foto: Torsten Silz/dpa)

Er hinterlässt ein ruhmreiches Erbe in Dortmund: Unter Klopp (hier auf dem Dortmunder Borsigplatz) gewann die Borussia 2011 die Meisterschale...

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(Foto: Martin Rose/Getty Images)

...und im darauffolgenden Jahr gleich wieder. Da schien es unmöglich, dass Dortmund so schnell wieder hinter die Bayern zurückfallen könnte.

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(Foto: Timur Emek/dpa)

Im selben Jahr gewann Dortmund den DFB-Pokal - das erste Double der Vereinsgeschichte. Der Mythos Jürgen Klopp, spätestens hier wurde er begründet.

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(Foto: Lennart Preiss/Getty Images)

Klopp führt den BVB im Stile eines Straßenfußballers zu höchsten Erfolgen. Sichtbarstes Zeichen: die zum Markenzeichen gewordene "Pöhler"-Kappe.

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(Foto: Stefan Wermuth/Reuters)

Doch schon 2013 kommen die Bayern zurück - und besiegen im Champions-League-Finale in Wembley Klopps Borussia. Dortmund befand sich bereits im Sinkflug.

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(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Ein Sieg im Pokalfinale gegen Wolfsburg würde den Status von Jürgen Klopp, hier bei seinem Einstand 2008, beim BVB endgültig zementieren.

Neben der Personalie im Tor gibt es für Jürgen Klopp vor seinem letzten Spiel mit dem BVB kaum brisante Personalfragen. Damals, am 12. Mai 2012, als Dortmund plötzlich auf einer Stufe mit dem FC Bayern zu stehen schien, war das auch so. Klopp konnte sich den Luxus leisten, auf den jungen Mario Götze zu verzichten. Robert Lewandowski und Shinji Kagawa waren die Männer des Tages. Es ahnte damals niemand, dass der BVB und sein himmelstürmender Trainer an diesem Tag den eigentlichen Gipfel erreicht hatten. Kagawa ging zu Manchester United - und erreicht seit seiner Rückkehr im Sommer 2014 nur schleppend wieder jene Form, die er damals hatte. Lewandowski und Götze spielen inzwischen beim FC Bayern.

Damals saß Bayern-Trainer Jupp Heynckes zerknirscht im Berliner Olympiastadion und musste mitansehen, wie alle Welt Jürgen Klopp huldigte. Ein Jahr später, im Sommer 2013, war Heynckes Triple-Sieger mit den Bayern, Dortmund hatte zwar mit grandiosen Siegen das Champions-League-Finale in Wembley erreicht, in der Bundesliga aber befand sich das Raumschiff Dortmund schon im Sinkflug, mit sagenhaften 25 Punkten Rückstand auf die Münchner. Und im Pokal war der BVB im Viertelfinale in München ausgeschieden. Von der laufenden Saison wollen sie in Dortmund jetzt schon gar nicht mehr viel reden.

Die Dinge ändern sich schnell im Fußball. Das weiß natürlich auch Klopp, dem das Pokalfinale einen Abschied aus Dortmund ermöglicht, wie man ihn vor ein paar Wochen noch für unmöglich gehalten hätte. Genauso wie man es für undenkbar hielt, dass Klopp überhaupt vor dem Erreichen der Pensionsgrenze beim BVB ausscheiden würde. Und wie man es damals, im Mai 2012, für unmöglich hielt, dass Dortmund so schnell wieder zurückfallen würde hinter den Rivalen aus München. Am Ende gar so weit, dass Klopp selbst es nicht mehr aushielt und die Kündigung einreichte. Aber jetzt, mit einem gewonnenen Pokalfinale, da könnte man sich schon fragen, ob Klopps Ausstieg nicht ein wenig übereilt kam? Aus einer schlechten Laune heraus, nach einer der 14 Niederlagen dieser merkwürdigen Saison?

"Noch einmal mit dem Laster um den Borsigplatz fahren", hatte sich Dortmunds scheidender Trainer ausgemalt, wie es halt seine Art ist, Dinge verbal auszumalen. Kann sein, dass es möglich wurde, dass der BVB das Finale erreichte, weil Klopp sich zum Rücktritt entschloss. Kürzlich flachste er noch, er hätte seinen Abschied schon zu Saisonbeginn verkündet, hätte er geahnt, wie das seine Elf anspornen würde. Ob er das nur im Scherz gesagt hat, wird er wohl selbst erst in ein paar Wochen wissen. Fest steht, dass ihm zwei Spieler einen Deluxe-Ausstieg mit Pokalendspiel ermöglicht haben, die nicht immer zu seinen Lieblingen zählten: Sebastian Kehl, der Kapitän, der im Viertelfinale gegen Hoffenheim den Sieg mit einem Traumtor in der Verlängerung herausschoss und im Halbfinal-Elfmeterschießen beim FC Bayern sicher traf. Und Pierre-Emerick Aubameyang, der nicht nur in München traf, den der Trainer aber - heißt es im Verein - im vorigen Sommer als bedingt tauglich fürs Kloppsche Fußballspiel eingestuft hatte. Weshalb der BVB in Ciro Immobile und Adrian Ramos zwei teure Stürmer holte, die an dem Franko-Gabuner aber nie vorbeikamen.

Ein Sieg im Pokalendspiel würde Klopps Mythos bei den Dortmunder Fans für alle Zeiten zementieren. Ein Abschied wie im Märchen. Und doch so weit weg von jenem surrealen Glück des Double-Abends von 2012. Dem Höhepunkt der Klopp-Ära. Gegen Wolfsburg wird, so glaubt man beim BVB, ein offenes Spiel zustande kommen. Das könnte gut sein für den Fußball Kloppscher Prägung. Danach werden sie in Dortmund alles auf Null stellen müssen. Am Donnerstag meldete der Klub den Zugang Julian Weigel, 19, vom TSV 1860 München. Für solche Randnotizen hat man in Dortmund im Moment allerdings kaum ein Ohr. Eher stellen sich alle die Frage, wo der Lieblingstrainer der Massen künftig landet. Ein Jahr Auszeit - das scheint am höchsten vorgewettet zu sein. Irgendwie will sich wohl kein Dortmunder damit anfreunden, Klopp irgendwo anders auf einer Trainerbank zu sehen.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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