Jan Ullrich:Stark ausgebrannt

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Das Landgericht Hamburg weist Jan Ullrichs Unterlassungsklage gegen den Dopingexperten Werner Franke ab. Der einstige Radfahrer soll am Burn-out-Syndrom leiden.

Thomas Kistner

Zur Frühstückslektüre am Freitagmorgen hatten die Boulevard-Medien eine bange Frage aufbereitet: Große gesundheitliche Sorgen um Jan Ullrich. "Burn-out-Syndrom!" wehklagte Bild, das Blatt zeigte einen gut genährten 36-Jährigen und ging wie manche Internet-Postille einem bösen Verdacht nach: Zehrt der anhaltende Rechtsstreit um seine Dopingvergangenheit an Ullrich, dem einst größten Radsportheroen der Nation? Er werde sich "vollständig aus der Öffentlichkeit zurückziehen", ließ der Sport-Pensionär verlauten - "genau zum richtigen Zeitpunkt", konterte Zellforscher Werner Franke Stunden später in Heidelberg.

Jan Ullrich: Die Vergangenheit lässt ihn nicht los. (Foto: dpa)

Da hielt der hochdekorierte Zellforscher und Dopingexperte Post des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Händen, das am Freitag eine Klage Ullrichs gegen Franke zurückwies. Der Ex-Radprofi wollte dem Professor die Behauptung verbieten lassen, Ullrich "habe dem spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes in einem Jahr allein 35000 Euro zur Anschaffung von Dopingmitteln bezahlt", teilte die Behörde mit. Das Gericht hat die Klage verworfen, weil Frankes Attacke "hinsichtlich ihres tatsächlichen Gehalts als wahr anzusehen sei und den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze".

Franke erhält Recht - nach vierjährigem, zähen Ringen. Nun ist auch gerichtlich testiert, was die Aktenlage beim Bundeskriminalamt (BKA) und anderer Ermittlungsinstanzen aufdrängte: Frankes Behauptung, Ullrich habe viel Geld für Doping bei dem berüchtigten spanischen Blutpanscher Fuentes bezahlt, ist als "wahr anzusehen".

Während der längst gefallene Held nun der verbliebenen Fangemeinde mitteilt, er werde sich für "eine längere Behandlung" in professionelle Hände begeben, man möge seine "Privatsphäre respektieren und wahren", bleibt festzuhalten, dass es Ullrich war, der Franke verklagt hatte. Und geht es nach dem Heidelberger Professor, droht Ullrich bald eine weitere, noch schmerzhaftere Gefechtsrunde.

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Denn der Ex-Telekom-Profi hatte - eine in juristischen Sport-Auseinandersetzungen hierzulande immer beliebtere Variante - für das Verfügungsverfahren gegen Franke offenkundig falsches Zeugnis abgelegt. In Ullrichs Eidesstattlicher Erklärung vom 8. August 2006 heißt es: "Die Behauptung, ich hätte Herrn Eufemiano Fuentes in einem einzigen Jahr 35.000 Euro für die Anschaffung von illegalen Substanzen bezahlt, ist unzutreffend."

Dies hatte Franke fünf Tage zuvor im Lokalfernsehen geäußert. Eine Lüge, so Ullrich - was schon eingedenk der 2219 Seiten starken Akte recht gewagt war, die das BKA zum prominenten Sünder angelegt hat. Demnach war Ullrich Stammkunde bei Fuentes, bei jenem Dopingarzt, dessen Netzwerk die spanische Polizei im Mai 2006 hochgehen ließ. Und schon 2008, als in Bonn ein Verfahren gegen Ullrich wegen Betrugsverdachts zu Lasten seines Ex-Arbeitgebers T-Mobile gegen Zahlung von 250.000 Euro einstellt wurde, teilte die Staatsanwaltschaft mit: "Unsere Ermittlungen über 21 Monate haben ergeben: Ullrich hat gedopt." Per DNS-Abgleich wurde ermittelt, dass neun Beutel mit insgesamt 4,5 Liter Blut von Ullrich stammen, die in Madrid lagerten. Zwischen 2003 und 2006 sei er gar 24 Mal in Madrid gewesen, manchmal nur für zwei Stunden. Zudem ist - nur für 2004 und 2006 - belegt, dass er Fuentes insgesamt 80.000 Euro überwies.

So liefert sein Vorgehen gegen Franke ein Fallbeispiel dafür, welche Winkelzüge in Dopingfällen gern geübt werden. Laut Gericht trug Ullrich vor, es könne ja "von Dopingmitteln nur bei Verwendung unerlaubter Substanzen gesprochen werden, während Eigenblutdoping keine Verwendung von Dopingmitteln, sondern allenfalls die Anwendung einer unerlaubten Methode darstelle".

Dieser feinen Mülltrennung folgte die Kammer nicht: Franke sage im Kern, Ullrich habe das Geld für Doping bezahlt - eine Unterscheidung zwischen illegalen Substanzen oder Methoden lasse sich der Äußerung nicht entnehmen. Zudem habe Ullrich einen weiteren Vorwurf Frankes nicht bestritten: Er habe Fuentes zur Herstellung von Erythrozytenkonzentrat aus seinem Blut 55.000 Euro bezahlt.

Ullrich kann noch Rechtsmittel einlegen; Franke hat das getan - in der nächsten Runde: Sein Anwalt Michael Lehner hat beim Hamburger Generalstaatsanwalt Beschwerde eingelegt, "dass Ullrichs falsche eidliche Versicherung nicht weiter verfolgt werden soll". Diese, sagt Franke, wurde noch im Juli bei der mündlichen Verhandlung "ausdrücklich nicht zurückgenommen".

© SZ vom 14.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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