Jahn Regensburg:Die Aufbrecher

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Großer Moment gegen einen großen Gegner: Regensburgs Mittelfeldspieler Kolja Pusch freut sich über sein Elfmetertor im Testspiel gegen Bayern München. (Foto: Walter Baehnisch/imago)

Ungeschlagen in der Liga, über 12 000 Zuschauer gegen den FC Amberg, ein Testspielsieg gegen den FC Bayern München: Nach dem Regionalligaabstieg schwimmt Jahn Regensburg auf einer Welle der Begeisterung

Von Christoph Leischwitz

Er sei ja Norddeutscher, sagt Christian Brand, und als solcher "gefühlsstabil". Ob er jetzt mit seiner Mannschaft absteige oder um den Aufstieg spiele: "Ich habe einen gleichbleibenden Puls." Damit meint er vermutlich: einen gleichbleibend niedrigen.

Der Trainer des SSV Jahn Regensburg lässt sich die Freude darüber, wie gut alles gerade läuft, kaum anmerken, sie ist nur zu erahnen. So auch am Donnerstagabend, als der Spitzenreiter der Fußball-Regionalliga ein Testspiel gegen Bayern München austragen durfte und die Mannschaft drei Tore innerhalb von neun Minuten erzielte (34. bis 43.). Danach griff Brand jedes Mal nonchalant nach einer Flasche Wasser und trank daraus, als ob er gerade mehr zu löschen hätte als nur Durst. Gleichzeitig war es auch so, dass der Jahn die Bayern 3:1 besiegte. Und die Art der Tore, nach einem 0:1-Rückstand, auch etwas über das Selbstvertrauen seiner Spieler erzählte: Das 1:1 von Kolja Pusch durch einen in die Mitte des Tore gezimmerten Elfmeter, nachdem er Weltmeister Xabi Alonso im Strafraum zu einem Foul gezwungen hatte; das 2:1 durch Jann George, nach energischer wie sehenswerter Vorarbeit von Markus Ziereis; das 3:1 durch Ziereis selbst, der in der Regionalliga aktuell die Torjägerliste anführt (sieben Treffer). "Es hat einfach alles gepasst", sagt Brand über den Donnerstagabend.

Der verdiente Erfolg gegen eine Profi-Jugend-Mischung des deutschen Meisters war nur ein bundesweit übertragener Teil der kleinen Euphorie, von der Jahn Regensburg gerade getragen wird. Gegen die Bayern macht jede Mannschaft das Stadion voll - doch vor einer Woche gegen die SpVgg Oberfranken Bayreuth (1:1) kamen auch schon 7000 Zuschauer, das Oberpfalz-Derby gegen den FC Amberg zwei Wochen zuvor brach den Zuschauerrekord in der Regionalliga Bayern (12 689 Besucher, Endstand 4:3).

Es gibt zwei Gründe für die gute Laune: Erstens ist der Jahn dank vieler neuer Spieler mit sieben Siegen und einem Unentschieden in der Liga ungeschlagen. Und damit auf einem guten Weg, als Meister zumindest schon mal die Aufstiegs-Relegation zu erreichen. Zweitens das teuere, neue Stadion, oder besser: die neue Arena, profitauglich direkt an der A3 gelegen. Nach dem Abstieg aus dem Profifußball im vergangenen Mai wirkte der 52-Millionen-Euro-Bau erst einmal völlig overdressed für die Regionalliga. Doch jetzt ist es umgekehrt: Die beiden Gründe führen dazu, dass die Mannschaft in der Amateurliga professioneller wirkt als in der vergangenen Saison, als sie aus der dritten Liga abstieg. Monetär gesehen stimmt das auch: Der Etat von rund 1,6 Millionen Euro ist genauso hoch wie in der vergangenen Saison, trotz des Wegfalls der Fernsehgelder von rund 750 000 Euro. Als Grund wird im Verein das Stadion genannt, mit dem der Jahn besser vermarktet werden könne.

Aus seiner Trainerzeit beim FC Luzern weiß Brand, dass bezüglich der Zuschauer eine neue Arena "etwa ein halbes Jahr lang erhöhte Anziehungskraft" besitze - danach sei allein die Mannschaft in der Pflicht, weiter für zahlreichen Besuch zu sorgen. Die wohl schwersten Spiele warten aber schon in den kommenden Wochen: Wacker Burghausen Ende September, der FC Bayern II Anfang Oktober, und am kommenden Sonntag (14 Uhr) das Auswärtsspiel beim TSV 1860 München II. "Das ist eine technisch gute Mannschaft, schnell auf den Beinen", sagt Brand. "Aber ich denke wir haben die Qualität, um ihnen wehzutun." Gegen die jungen Löwen wird sich zeigen, ob die Mannschaft von Christian Brand mit ihrem überfallartigen Angriffsstil auch gegen die besten Gegner erfolgreich sein kann. Das Team von Trainer Daniel Bierofka hat bislang erst sieben Gegentore hinnehmen müssen.

Das Testspiel gegen die großen Bayern, glaubt Brand, sei für die nun folgenden Aufgaben durchaus hilfreich gewesen: "Wir haben einen guten Auftakt gehabt. Und so ein Erlebnis wie gegen Bayern, das war vielleicht nochmal ein Kickstarter." Brand ließ die Spieler am Freitag übrigens erst einmal ausschlafen, das Training wurde auf den Nachmittag verlegt.

Obwohl der Aufstieg das erklärte Ziel des Vereins ist, nimmt Brand es trotzdem fast nie in den Mund. Doch er hat für den Weg dorthin schon einen Plan: "Wir wollen noch flexibler werden. Wir wollen taktisch alte Muster aufbrechen. Und wir müssen noch hungriger werden" sagt er. Ganz kurz hört er sich sehr leidenschaftlich an, wie bei einer Halbzeitansprache in der Kabine. Doch dann sinkt sein Puls auch schon wieder, als er auf ein leidiges Regionalliga-Thema angesprochen wird: Aufstieg nur nach Relegation. "Darüber nachzudenken, kostet nur Energie. Ich akzeptiere es so, wie es ist. Und ich bin froh, dass es mich tatsächlich nicht aufregt", sagt Brand. Vermutlich erst, wenn es Regensburg in die Relegation geschafft hat, wird man die Wahrheit bezüglich Brands Gefühlsstabilität erfahren.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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