Interview mit Patrik Andersson:"Bayern hat die besten Nerven"

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Erinnerung an ein Wahnsinnsfinale: Vor acht Jahren schoss Patrik Andersson den FC Bayern mit einem Tor in letzter Minute zur Meisterschaft.

P. Selldorf

SZ: Hallo Herr Andersson, ganz Deutschland spricht wieder über Sie, Sie können sich denken warum?

Der Treffer in letzter Minute: Patrik Andersson trifft zum 1:1 gegen den Hamburger SV. (Foto: Foto: Imago)

Patrik Andersson: Ja, sicherlich. In der Bundesliga ist es jetzt genauso spannend wie vor acht Jahren. Ich denke auch manchmal noch an die Schalker, die es damals nicht geschafft haben. Aber wir beim FC Bayern wollten halt Meister werden. Die Schalker lagen ja vorn bis zum 33. Spieltag, aber dann haben sie in Stuttgart verloren und wir gegen Kaiserslautern gewonnen.

SZ: In der letzten Minute des letzten Spieltags war Schalke wieder Erster - doch dann kamen Sie.

Andersson: Wir haben unser Spiel beim Hamburger SV kontrolliert, aber durch das Tor von Barbarez in der 90.Minute ist das Spiel gekippt. Das war ein Schock, aber ich habe an die Partie in Barcelona gedacht, als Manchester United alles umgedreht hat...

SZ: ...im Champions-League-Finale 1999 - gegen den FC Bayern.

Andersson: Ich habe zu mir gesagt: Jetzt müssen wir schnell reagieren. Und ich kann mich gut erinnern, wie der Effe als Kapitän zu jedem Einzelnen hingegangen ist und die Mannschaft wieder nach vorn gebracht hat.

SZ: Und dann folgte ihr sagenhafter Ausgleichstreffer in der Nachspielzeit - obwohl Sie ansonsten in München weder als Tor- noch als Freistoßschütze aufgefallen sind. Warum ausgerechnet in dieser entscheidenden Szene?

Andersson: Ich habe ja ein paar Tore in Gladbach geschossen. In München war meine Aufgabe, die Abwehr zu stabilisieren, vorne hatten wir genügend andere, die Tore geschossen haben. Normalerweise schossen Effe und Scholl bei uns die Freistöße, aber Mehmet war draußen. Und die anderen wussten: Ich habe für Schweden und für Gladbach einige Freistöße mit Gewalt geschossen - ab und zu auch erfolgreich. Aber in diesem Moment explodierte alles.

SZ: Wie oft denken Sie an diesen Augenblick?

Andersson: Es gibt immer noch Erinnerungen, und ich werde oft darauf angesprochen. Wir haben ein Reisebüro, wir veranstalten Fußball-Reisen, fahren zum Beispiel mit Gruppen nach Barcelona oder zu Länderspielen, dann muss ich manchmal einen Vortrag halten, vor 800 oder 1200 Leuten.

SZ: Womöglich endet die Bundesliga-Saison wieder so dramatisch wie damals, vielleicht liegt es wieder nur an einem einzigen Tor in der letzten Minute.

Andersson: Ja, es sind ja nur zwei Tore Unterschied zwischen Wolfsburg und Bayern, vielleicht bin ich nach dem letzten Spiel nicht mehr einzigartig. Aber das würde mich nicht stören, ich gönne den Bayern den Erfolg.

SZ: Sie verfolgen also die Bundesliga in Schweden?

Andersson: Durch das Internet, aber es ist schwierig: Die Zeit ist knapp, ich habe einen Beruf und einen acht Monate alten Sohn. Aber wenn ich kann, dann gucke ich sonntags immer die Zusammenfassung und die DSF-Talkrunde im Kempinski.

SZ: Ihnen geht das Gerede dort nicht auf die Nerven?

Andersson: Nein, eigentlich nicht. Ich finde es immer interessant. Alle reden gegen die Bayern, das war immer so, und das ist immer noch so. Das anzuschauen macht mir Spaß.

SZ: Dann wissen Sie also auch, wie es Ihrem alten Verein Borussia Mönchengladbach ergeht?

Andersson: Über den Sieg in Cottbus habe ich mich sehr gefreut. Ich drücke der Borussia die Daumen, aber Kontakt habe ich nicht mehr. Die meisten von damals sind ja weg. So ist das halt im Fußball: Die Fans bleiben immer, aber Spieler und Trainer gehen.

SZ: Wer wird Deutscher Meister?

Andersson: Es ist eine ganz andere Bayern-Mannschaft als damals, und die Bundesliga ist auch viel ausgeglichener. Andere Klubs haben jetzt auch viel Geld. Ich glaube, dass Wolfsburg mit seinem Restprogramm einen Vorteil vor den Bayern hat. Aber die Bayern haben den Vorteil, dass sie die besten Nerven haben.

SZ: Sie betreiben südlich von Malmö eine Fußballakademie für Kinder und Jugendliche. Lehren Sie dort das "immer weiter, immer weiter"- Leitmotiv ihres Mitspielers Oliver Kahn?

Andersson: Auch das. Fußball ist ja nicht nur eine Sache der Beine. Deswegen mache ich das überhaupt. Ich möchte gern was zurückgeben. Für mich geht es darum, eine Erfahrung zu teilen, die in Schweden viele nicht haben. Bei uns fehlt der letzte Schritt vom Junioren- zum Seniorenfußball, und da versuche ich zu helfen. Entweder arbeitest du mit der Elite oder in der Förderung. Zur Zeit passt es besser zu meiner Familie, die jungen Spieler zu fördern.

SZ: Sie hatten selbst die beste Schule, Sie waren nach Ihrer Zeit in München beim FC Barcelona. Könnte der Patrik Andersson von damals in der heutigen Elf bestehen?

Andersson: In der Form von 2001: Ja. Da kann ich mich mit den Innenverteidigern Marquez, Pique ... vergleichen. Ich glaube, Barcelona spielt den besten Fußball der Welt - schauen wir mal, ob es auch der erfolgreichste ist.

© SZ vom 16.05.2009/jüsc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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