Interview der Woche:"1860 ist gelebter Pluralismus"

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Der 43-jährige BR-Radiomann Achim "Sechzig" Bogdahn ist Löwen-Narr und Schollplatten-Freund. Das mit dem zweiten Vornamen will er jetzt amtlich machen.

G. Kleffmann

SZ: Herr Bogdahn ... oder muss man Sie Achim Sechzig Bogdahn nennen?

Zündfunk-Moderator, Popmusikfan und Löwe fürs Leben: BR-Radiolegende Achim "Sechzig" Bogdahn bestreitet gemeinsam mit Mehmet Scholl jeden ersten Freitag im Monat die Musiksendung "Mehmets Schollplatten" auf Bayern2-Radio. (Foto: Foto: Buschmann)

Bogdahn: Gerne Achim Sechzig. Das ist mein Künstlername, und der soll auch amtlich registriert werden.

SZ: Sie meinen es absolut ernst.

Bogdahn: Ja. Ich stehe in Verhandlungen mit dem Kreisverwaltungsreferat in München. Ich muss den Nachweis erbringen, dass die Menschen mich nur als "Sechzig" kennen. Insofern: Zum Teufel mit Achim Bogdahn!

SZ: Woher diese Besessenheit?

Bogdahn: Ich bin eben Löwen-Fan. Vor vielen Jahren hatte ich gelesen, dass es einen Bulgaren namens Martin Sdravkov gab. Dieser Sdravkov war so ein glühender Fan von Manchester United - er wollte auch so heißen. Nach jahrelangem Behördenkampf hatte er es geschafft. Er heißt nun mit Vornamen Manchester und mit Nachnamen United. Das war das Vorbild.

SZ: Dann müssten Sie sich ja 1860 München nennen?

Bogdahn: Ja, aber das wurde sofort abgelehnt. Der Kompromiss könnte sein, dass ich den Künstlernamen Sechzig bekomme - wenn ich den Nachweis führe. So ähnlich musste auch der Fußballer Zecke Neuendorf vorgehen.

SZ: Der hat einen Präzedenzfall geschaffen. Warum dauert das bei Ihnen?

Bogdahn: In München dauert alles ein bisschen länger.

SZ: Wie wollen Sie den Nachweis erbringen? Laden Sie Zeugen vor?

Bogdahn: Nein. Ich lege Post vor, die zum Beispiel an Achim Sechzig gerichtet ist. Oder Artikel, in denen ich als Sechzig bezeichnet werde. Oder ich lege Mails vor, in denen ich als "Herr Sechzig" angeschrieben werde. Meine Mailadresse beginnt mit "tsv", wie beim TSV 1860. Mit all dem kann ich den Nachweis führen, so dass hoffentlich bald der Name so in meinem Pass eingetragen wird.

SZ: Dann wird dieses Interview auch beim Ordnungsamt landen?

Bogdahn: Mit Sicherheit.

SZ: 1860 München gilt als Folkloreklub mit wenig Geld, gerade kämpft er um den Klassenerhalt in Liga zwei. Sind Sie masochistisch veranlagt?

Bogdahn: Nein, ich liebe diesen Verein genau deshalb - weil er so herrlich chaotisch ist. Für mich gilt die Regel: drei Löwen-Fans, vier Meinungen. Das ist gelebter Pluralismus. Wäre München Entenhausen, wäre Bayern Dagobert Duck und 1860 Donald Duck. Wir sind die Loser - und wir stehen dazu.

SZ: Keine Hoffnung, dass es mal besser wird?

Bogdahn: Nö. Das Licht am Ende des Tunnels ist bei den Sechzigern im Zweifelsfall immer ein Zug.

SZ: Auch kein Mitleid?

Bogdahn: Nein, ich habe nicht mal was dagegen, wenn die Löwen pleite gehen und aus der Münchner Arena endlich zurück in die Heimat gingen, ins Grünwalder Stadion.

SZ: Sie sind also einer dieser Parolenschreier aus der Arena.

Bogdahn: Absolut, aber ich gehe kaum noch in die Arena. Da ist alles steril. Ich war von Anfang an dagegen. Ich bin, bevor es gebaut wurde, mal im Olympiastadion als offizielles Löwenmaskottchen eingesprungen und habe ein Transparent mit der Aufschrift "Löwen-Arena jetzt" rumgetragen. Ich habe Politik gemacht gegen den damaligen Präsidenten Wildmoser.

SZ: Das Schicksal will es, dass Sie auch Moderator sind. Bei Ihrer BR-Sendung "Mehmets Schollplatten" treffen Sie mit ihrer tiefblauen Seele auf die knallrote des ehemaligen FC-Bayern-Profis Scholl. Funktioniert das?

Bogdahn: Ich glaube ja. Wir streiten im Radio auch. Scholl ist ein lieber Kerl, nur leider im falschen Verein.

SZ: Am kommenden Freitag steht die dritte Ausgabe an. Wie wird die Sendung angenommen?

Bogdahn: Das Echo auf die ersten Sendungen war unglaublich. Wir haben so viele Briefe und Mails wie noch nie bekommen, auch aus dem Ausland. Natürlich wegen Mehmet.

SZ: Klar, an den Songs, die er abspielt, kann es kaum liegen. Mit Verlaub, aber "The skin of my yellow country teeth" von Clap your hands say yeah kennt kein Mensch.

Bogdahn: So skurril ist Scholls Geschmack gar nicht. Wir spielen beim "Zündfunk" öfter sowas, die Musik ist toll. Nur kennt sie keiner. Sie ist die musikalische Entsprechung zu 1860: Außenseitermusik, nicht mehrheitsfähig - aber gut. Neu ist, dass ein Prominenter für diese Musik einsteht.

SZ: Und wenn Scholl sich "Cheri Cheri Lady" von Modern Talking wünscht?

Bogdahn: Das wird zwar nie passieren, aber er hat völlige Narrenfreiheit. Nur bei einem nicht: Wir haben eine Rubrik in der Sendung, die heißt: Wir bekehren Mehmet Scholl zum Hip-Hop. Als Bayern-Profi musste er den immer im Mannschaftsbus hören und ist seitdem traumatisiert. Ich spiele ihm nun jedes Mal ein Hip-Hop-Stück vor.

SZ: Und?

Bogdahn: Eins fand er gut, von Why, einem schlauen Rapper aus Kalifornien. Er hat sich sogar gleich ein Stück von ihm im Internet bestellt.

SZ: Nennt er Sie auch Sechzig?

Bogdahn: Das bringt er nicht über die Lippen. Ich habe dafür kürzlich Scholli zu ihm gesagt, da ist er ausgeflippt. Ich nenne ihn nun nicht mehr Scholli, wenn er es schafft, mich Sechzig zu nennen. Denn so heiße ich.

© SZ vom 25.04.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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