Hoffenheim: Andreas Beck:"Philosophen lasse ich wieder weg"

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Hoffenheims Fußballprofi Andreas Beck über seine Leselust, kluge Aphorismen und Buchtipps zum Fest.

Interview: Moritz Kielbassa

Andreas Beck, 21, ist rechter Verteidiger bei Bundesliga-Herbstmeister 1899 Hoffenheim. Er kam 1987 in Westsibirien zur Welt, zog mit seiner Familie aber schon als Kleinkind nach Württemberg. Der Wirtschaftsabiturient pflegt ein Hobby, das bei Fußballern selten ist: Beck liest gerne Bücher, thematisch quer durch die Küche. Auf seiner Homepage (andi-beck.de) gibt er Lesetipps und exzerpiert "Zitate zum Nachdenken".

"Als Fußballprofi hast du viel Freizeit." Aber nicht auf dem Platz, eingekeilt zwischen den Bayern-Spielern Ribéry (r.) und Schweinsteiger (l.): Andreas Beck. (Foto: Foto: Getty)

SZ: Herr Beck, welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachtkästchen?

Beck: Ein dicker Brocken: "Das Leben ist wie ein Schneeball" - die autorisierte Biographie von Warren Buffett.

SZ: Des amerikanischen Investment-Moguls und womöglich reichsten Mannes der Welt. 1287 Seiten, empfehlenswert?

Beck: Ja, absolut. Man lernt eine spannende Person kennen, als Mensch und erfolgreichen Unternehmer.

SZ: Wie viele Bücher lesen Sie?

Beck: Taschenbücher zwei, drei im Monat. Dicke Wälzer schleppe ich natürlich länger mit. Ich lese, wenn ich Lust habe.

SZ: Seit wann?

Beck: Das ging los kurz nach dem Abitur. Als Fußballprofi hast du viel Freizeit. Im Hotel kann man gut lesen, im Mannschaftsbus eher weniger. Romane gehen auch dort, aber keine Fachbücher, dafür fehlt die Konzentration. Ein gutes Buch kann dich in eine andere Welt ziehen.

SZ: Wenn Sie in Buchhandlungen stöbern, verfallen Sie dann in Kaufrausch?

Beck: (lacht) Ich habe schon ein gewisses Suchtproblem, ja. Bei zwei Dingen schaue ich nicht aufs Geld: bei Büchern und bei gutem Essen.

SZ: Sie waren kürzlich in Ihrem Wohnort Heidelberg Pate der "Literaturtage".

Beck: Es ging darum, junge Leute an das Lesen und die Bücherwelt heranzuführen. Da habe ich gerne mitgemacht.

SZ: Das Klischee sagt: Fußballer lesen nicht, sie spielen Playstation.

Beck: Ich kenne einige Profis, die gerne lesen, auch bei uns im Team. Oder früher beim VfB Stuttgart mein Kollege Thomas Hitzlsperger. Eine Persönlichkeit wächst aus der Summe der Bücher, die sie gelesen hat - an dem Spruch ist was dran.

SZ: Kann man sagen: Es rückt eine neue Generation intelligenter Fußballer nach, die nicht nur kratzt und beißt?

Beck: Man muss über den Tellerrand schauen. Nur als Fußballer zu reifen, wäre ein falscher Ansatz. Mir persönlich ist es auch wichtig, wie man kommunizieren kann, wie man seinen Horizont erweitert. Ein Verein wie Hoffenheim fördert das. Trotzdem wird es immer auch Fußballer der rustikalen Art geben. Es spricht ja nichts gegen eine gesunde Mischung.

SZ: Mit wem in Hoffenheim sprechen Sie über Literatur?

Beck: Öfter mit Hans-Dieter Herrmann (Teampsychologe) oder Bernhard Peters (Nachwuchskoordinator und selbst Buchautor), die beide sehr belesen sind.

SZ: Welches Genre favorisieren Sie?

Beck: Eigentlich alles: Sachbücher, Romane, Krimis, Autobiografien. Nach der Schulzeit hatte ich auch eine Phase mit schwerer Kost, wie "Die Brüder Karamasow" und Philosophie-Werken. Damals kam ich beim VfB nicht in Tritt, war lange verletzt, ich fühlte mich weg vom Fenster.

SZ: Sie fanden in schweren Zeiten Trost und Impulse bei Nietzsche?

Beck: Kann man schon so sagen, ja. Bücher wie "Also sprach Zarathustra" fielen mir anfangs schwer, da brauchst du viele Pausen. Bei Nietzsche speziell hat mir eine Aphorismus-Sammlung sehr geholfen. Wenn du dich ernsthaft mit solchen Autoren beschäftigst, kann das dein eigenes Wertesystem in Frage stellen. Das zu akzeptieren, ist nicht immer leicht.

SZ: Sie zitieren auf Ihrer Homepage eine Sentenz: "Realität ist verhandelbar. Viele Regeln können gebeugt oder gebrochen werden, das ist keine Frage von Moral oder Unmoral." Ziehen Sie aus so einem Sinnspruch die Legitimation, als Fußballer auch ein harter Hund zu sein?

Beck: Vielleicht, ja. Aber jeder kann aus sowas eigene Schlüsse ziehen.

Lesen Sie auf Seite 2 über Becks eigenes "Wahnsinnsbuch" und warum er von Stuttgart nach Hoffenheim wechselte.

SZ: Ihr Auftreten erinnert auch eher an Schopenhauer, den Sie so zitieren: "Höflichkeit macht Menschen so biegsam und gefällig wie die Wärme das Wachs." Wie stehen Sie eigentlich zu Trivialliteratur?

Beck: Zu lesen begonnen habe ich mit leichter Kost, auch Kitschiges, ganz klar. Die Philosophen und Dostojewski lasse ich übrigens inzwischen wieder weg.

SZ: Es geht Ihnen demnach gut gerade. Hätten Sie einen Büchertipp zu Weihnachten? Was Nettes, gut Verdauliches?

Beck: Sergio Bambaren kann ich empfehlen: "Ein Strand für meine Träume", leicht geschrieben, aber schön zum Nachdenken und Reflektieren - als Fußballprofi habe ich ja auch einen Traum verwirklicht. Auch von Paulo Coelho habe ich mit 18, 19 sehr viel gelesen. Mein aktueller Lieblingsroman ist "Eine Billion Dollar" von Andreas Eschbach; 900 fesselnde Seiten über Politik, Finanzwesen, Persönlichkeitsentwicklung. Ein Wahnsinnsbuch.

SZ: Es fällt auf, dass Sie viele Werke über große Persönlichkeiten lesen, wie etwa Winston Churchill ("Das Churchill-Prinzip"). Suchen Sie Vorbilder?

Beck: Ein großer Mann, Isaac Newton, sagte, er konnte nur so weit sehen im Leben, weil er "auf den Schultern von Giganten stand". Sich das Wissen erfolgreicher Leute anzueignen, hilft. Auch in Hoffenheim haben wir geballte Kompetenz - und Dietmar Hopp (Milliardär und Klubmäzen), der zeigt, wie man von Reichtum an andere abgibt. Churchills "no sports" muss man aber nicht übernehmen.

SZ: Wirtschafts-Sachbücher scheinen Ihnen ebenfalls zuzusagen.

Beck: Kapitalismus, Globalisierung oder jetzt der Crash am Finanzmarkt, den zig Bücher lange angedeutet haben - das interessiert mich. Hervorragend fand ich "Wikinomics. Die Revolution im Netz" - ein Sachbuch , wie das Internet ökonomische Hierarchien aufgebrochen hat. Empfehlen kann ich auch "Die Google-Falle" von Gerhard Reischl. Oder "Inside Steve's Brain" von Leander Kahney: über Steve Jobs, den Mitgründer von Apple.

SZ: Ihre aktuelle Buchvorstellung ist Mitch Albom: "Die fünf Menschen, die Dir im Himmel begegnen".

Beck: Ich muss zugeben: Person fünf habe ich nicht mehr kennengelernt - nach der vierten habe ich das Buch weggelegt.

SZ: Sie zitieren auch eine chinesische Weisheit: "Manch ein falscher Schritt wird getan, indem man stehen bleibt".

Beck: Deshalb bin ich im Sommer aus Stuttgart nach Hoffenheim gewechselt, obwohl der VfB der Verein meiner Jugend ist. Trotzdem wollte ich diesen Schritt gehen. Weil ich wusste, was möglich ist.

SZ: Jetzt sind Sie Herbstmeister. Zitat Benjamin Franklin, ebenfalls zu finden bei andi-beck.de: "Schreibe Dinge, die des Lesens wert sind - oder tue Dinge, die des Aufschreibens wert sind."

Beck: Sehen Sie, über Hoffenheim wird eine Menge geschrieben zur Zeit, wir haben schon für einige Furore gesorgt.

SZ: Auch das erste Buch ist bereits erhältlich: "Das Wunder von Hoffenheim".

Beck: Ich hab's gelesen, ja, wäre auch eine Geschenkidee. Ansonsten interessieren mich sportlastige Bücher weniger; Biographien von Lance Armstrong oder Tiger Woods habe ich aber auf der Agenda.

SZ: Sie gelten in den Medien als "kickender Philosoph", zumal Sie einen alten Saab fahren, Baujahr '89. Sehen Sie sich als Anti-Wohlstandsjüngling?

Beck: Nein. Auch ich mag teure, schnelle Autos und ich spiele Playstation, wenn der Kopf nicht bereit ist für ein Buch. Und ich gehe gerne mit meiner Freundin aus.

SZ: Siehe abermals Ihre Zitaten-Sammlung. "Work hard - and enjoy hard!"

Beck: Stimmt. Genießen und Abschalten gehört dazu. Aber Sie sagten über mich: "Philosoph". Das ist viel, viel zu hoch gegriffen. Eigene Gedanken habe ich ja bisher keine aufgeschrieben.

© SZ vom 20.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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