Hannover 96:Defizite in der Spitze

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Rettungsschirm verloren: Dirk Dufner (links) war als 96-Sportmanager nicht häufig auf einer Höhe mit Hannovers Geschäftsführer Martin Kind. (Foto: imago)

Klubchef Martin Kind denkt nach dem Rückzug von Sportchef Dufner über neue Strukturen nach - er hätte auch gerne einen Geschäftsführer Sport.

Von JÖRG MARWEDEL, Hannover/Hamburg

Wer über den Sportdirektor Dirk Dufner, 47, und seine am Dienstag publik gemachte Trennung von Hannover 96 zum 31. August reden will, muss zunächst über 96-Präsident Martin Kind sprechen und über Dufners Vorgänger Franz Gerber, Ricardo Moar, Ilja Kaenzig oder Christian Hochstätter. Nur Dufners direkter Vorläufer Jörg Schmadtke gehört nicht in diese Reihe. Jedenfalls war Schmadtke der einzige, der dem Klub mit zwei Europa-League-Teilnahmen wirklich Erfolg gebracht hat und Kinds Anerkennung fand. Alle anderen Manager hatten, oft schnell, das Zutrauen des mächtigen Chefs verloren. Man könnte auch sagen: Schmadtke war der einzige, der eine Mannschaft komponieren konnte wie jetzt offenbar auch beim 1. FC Köln. Und er war notfalls stärker als der Trainer.

Der Hörgeräte-Unternehmer Kind, der theoretisch genau weiß, dass Personalentscheidungen das A und O sind in einer Firma und einem Fußballverein, weiß offenbar selbst nicht so genau, welcher Typ Manager zu 96 passt. Wenn ihm dann erhebliche Zweifel kommen ob seiner Wahl, kann er das selten für sich behalten. Im Frühjahr 2015, als 96 überraschend in den Abstiegskampf geriet, sprach der Klubboss von "Stagnation" und schürte indirekt Spekulationen über Dufners Entlassung. Zur Überraschung der meisten Insider durfte der Manager (Vertrag bis 2016) nach dem Klassenerhalt doch bleiben. Zum zweiten Mal durfte er die Mannschaft mit weit mehr als zehn Millionen Euro erheblich verändern. Nie hat ein Sportdirektor in Hannover mehr ausgeben dürfen.

Der eloquente Martin Bader gefällt Martin Kind sehr gut - "ich halte viel von ihm", sagt er

Doch die Zweifel an seiner Arbeit - nicht nur bei den Gesellschaftern, sondern auch bei Fans und Medien - hatten Spuren bei Dufner hinterlassen. Kaum hatte er vergangene Woche mit dem französischen Talent Allan Saint-Maximin (AS Monaco) auf Leihbasis den siebten Spieler verpflichtet, bat er Kind um ein Gespräch. "Wir waren", bestätigt Kind, "schnell der Auffassung, dass er keine Perspektive mehr bei uns hat." Die Frage bleibt, weshalb Kind, der dauerhaft ohne Dufner plante, ihm die Aufgabe noch übergeben hat.

Während der Vorbereitung hat das neu zusammengestellte Team noch nicht richtig funktioniert und entsprechende Debatten ausgelöst. In fünf Testspielen blieb man sieglos (zuletzt beim 0:1 gegen den AFC Sunderland) und viermal ohne Tor. Der für 3,3 Millionen Euro vom AS St. Etienne geholte türkische Torjäger Mevlüt Erding blieb noch ohne Erfolg. Ob die anderen Zugänge Oliver Sorg, Felix Klaus (beide vom SC Freiburg), Charlison Benschop (Düsseldorf) und Offensivspieler Uffe Bech aus Nordsjaelland in Dänemark einschlagen, wird sich herausstellen. Die Hannoversche Allgemeine warf Dufner vor, keine Identifikationsfiguren geholt zu haben. Er habe kein Gespür für Profis, die sich total identifizieren mit Klub und Stadt.

Womöglich ist Dufner auch frustriert gewesen, weil sein Einfluss arg begrenzt war. Der unbekannte Trainer Tayfun Korkut war Kinds und nicht Dufners Lieblingsprojekt, das nach gut 15 Monaten wegen des plötzlich drohenden Abstiegs abgebrochen wurde. Auch bei Nachfolger Michael Frontzeck hatte Kind das letzte Wort. Womöglich ist der Jurist Dufner wie der beim 1. FC Nürnberg ausscheidende Sportökonom Martin Bader nur dann gut, wenn es einen starken Trainer an ihrer Seite gibt, weil sie fußballerische Defizite haben.

Ausgerechnet der eloquente Bader gefällt Kind ("Ich halte viel von ihm") so gut, dass manche in ihm den Favoriten sehen für Dufners Nachfolge. Das muss für 96 keine gute Nachricht sein, denn es fehlt dem Klub vor allem fußballerisches Fachwissen auf der Funktionärsebene. Doch Kind will sich Zeit lassen bei der Bestellung des neuen Sportchefs, notfalls bis Oktober. Die Planung für die neue Saison sei ja abgeschlossen. Die "15 Vorschläge, die ich seit Dienstag bekommen habe", will er genau prüfen. Ob es sich nun um Oliver Kreuzer (früher HSV, KSC), Jan Schindelmeiser (zuletzt Hoffenheim) oder Andreas Bornemann (zuletzt Holstein Kiel) handelt.

Zudem hat Kind eine neue Idee, die ihm aus dem Sportdirektoren-Dilemma helfen könnte. Er würde gern einen Geschäftsführer Sport einstellen, der für Marketing, Sponsoren und Fanbetreuung zuständig ist und darunter einen Manager, der sich um Scouting und sportliche Planung kümmert. Aber auch da gilt: Es müssen endlich die Richtigen sein.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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