Handball-WM:Härtetest gegen die Niederlande

Lesezeit: 2 min

Durchsetzungsfähig: Julia Behnke (rechts) lässt sich von ihrer serbischen Gegenspielerin nicht am Einzug ins Achtelfinale hindern. (Foto: imago)

Die deutschen Handballerinnen sind nach dem Unentschieden gegen Serbien bereits fürs WM-Achtelfinale qualifiziert. Vorher wartet noch ein Turnierfavorit.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Es gibt dann doch Situationen, die auch Michael Biegler peinlich sein können. Der Trainer der deutschen Handballfrauen ist ein fester Charakter, sehr bestimmt, selten aufbrausend - außer halt: beim Handballspiel. Zweimal schon bekam er bei der laufenden WM Zeitstrafen, weil er sich am Spielfeldrand zu engagiert aufregt hatte über so manchen Schiedsrichterpfiff. Da der Trainer naturgemäß schon selber auf der Bank sitzt, muss für ihn dann stellvertretend eine Spielerin vom Feld. "Das ist ein völlig durchgeknallter Trainer", sagt Biegler über Biegler, "wenn ich mir die Strafe selber abholen könnte, wäre mir wohler ums Herz."

Die letzte Vorrundenpartie kann zum Schlüsselspiel werden: Es geht noch um den Gruppensieg

Natürlich hat Michael Biegler den deutschen Handball-Frauen bisher viel mehr Gutes getan als geschadet. Am Dienstagabend hat sich die Mannschaft für das Achtelfinale der Heim-WM qualifiziert, schon nach dem dritten von fünf Vorrundenspielen, nach zwei Siegen gegen Kamerun (28:15) und Südkorea (23:18) sowie einem Unentschieden gegen Serbien (22:22). "Die Mannschaft hat den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung gemacht", befand Biegler, am Mittwoch schlug sie auch noch China mit 24:9 (10:3). Am Freitag (18 Uhr/Sport 1) trifft seine Auswahl auf die Niederlande, es ist zwar nur die letzte Vorrundenpartie, sie könnte aber zum Schlüsselspiel werden. So einen spielstarken Gegner hatten die Deutschen bisher noch nicht, werden die Niederlande doch sogar als Mitfavorit auf den Titel gehandelt - und es geht auch um den Gruppensieg und einen vermeintlich leichteren Gegner im Achtelfinale.

Der Blick in die Niederlande ist für den Deutschen Handballbund (DHB) lohnend, wurde dort doch in den vergangenen Jahren eine Aufbauarbeit geleistet, wie man sie sich auch hierzulande wünscht. Nach Zeiten jenseits der Top 5 schafften es die Niederländerinnen bei der WM 2015 bis ins Finale und 2016 folgte die erste Olympiateilnahme überhaupt; für Rio waren die deutschen Frauen gar nicht qualifiziert. Die Niederlande belegten Rang vier, es war das Abschiedsturnier von Trainer Henk Groener, der aus einer mittelmäßigen Truppe einen Medaillenkandidaten geformt hatte. Auch bei der EM 2016 spielten sich die Niederländerinnen ins Finale, dann schon unter der neuen Trainerin Helle Thomsen. Wieder gab es Silber für Oranje. Hungrig auf einen Titel sind sie nun allemal. Und Henk Groener wird ab 1. Januar 2018 auch wieder eine neue Aufgabe haben: Er steht bereits als Nachfolger von Michael Biegler beim DHB.

Doch wie im Rausch erlebten die Niederländerinnen das Turnier in Deutschland bisher nicht: Zum Auftakt unterlagen sie überraschend Südkorea 22:24. Torfrau Tess Wester hielt nur vier Bälle, fand aber immer besser ins Turnier. Gegen China gab es ein deutliches 40:15, gegen Kamerun ein 29:22.

Serbien trotzte man noch ein 27:27 ab. Wester spielt sonst beim deutschen Meister SG Bietigheim, überhaupt ist die niederländische Truppe von der Bundesliga geprägt: Sieben Spielerinnen aus dem 16er-Kader verdienen ihr Geld in Deutschland. In Nycke Groot und Yvette Broch sind zudem zwei aktuelle Champions-League-Siegerinnen dabei, sie durften mit dem ungarischen Klub Györ den Pokal in die Höhe strecken. Im Angriff sorgen bisher vor allem Lois Abbingh und Debbie Bont für die größte Torgefahr. Ihre Schnelligkeit wird die deutsche Abwehr genauso beanspruchen wie die giftige Defensive. Auch die Niederlande sind zu einer aggressiven Verteidigung in der Lage, womit die Biegler-Ladies, wie sie sich selbst gern nennen, im bisherigen Turnierverlauf schon das ein oder andere Problem hatten. Wobei der Trainer der Deutschen dann ja auch sagt: "Sie haben immer wieder den richtigen Turn gefunden", die Wende geschafft also.

Das Turnierziel Halbfinale ist im deutschen Team stets präsent, je nach Gruppenplatzierung trifft es am Sonntag im Achtelfinale auf Olympiasieger Russland, Dänemark, Brasilien (WM-Sieger 2013), Japan oder Montenegro. Im Idealfall mit einem Biegler, der ihnen nicht wieder eine Zeitstrafe einbrockt.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: