Handball-WM:Deutsche Abwehr zermürbt Kroatien

Lesezeit: 3 min

Finn Lemke und Hendrik Peleker: Stark in der Abwehr (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Elf Minuten ohne Gegentor: Beim 28:21 gegen Kroatien finden die deutschen Handballer ihre starke Abwehr wieder. Perfekter Zeitpunkt, kurz vorm Achtelfinale der WM.

Von Joachim Mölter, Rouen

Hendrik Pekeler hatte noch gar nichts gemacht bei der Handball-WM in Frankreich, er hatte nicht mal mit der Mannschaft trainiert, weil er am Donnerstag erst verspätet mit dem Zug in Rouen angekommen war. Aber allein die Anwesenheit des von Bundestrainer Dagur Sigurdsson kurzfristig nachgeholten Profis von den Rhein-Neckar Löwen schien die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) gestärkt zu haben für ihr abschließendes Vorrundenspiel gegen Kroatien am Freitagabend.

Noch ehe der Defensivspezialist erstmals eingewechselt wurde, hatten seine Kollegen ihre zuvor etwas lückenhafte Abwehr derart abgedichtet, dass den Kroaten elf Minuten lang kein Tor gelang. Kam der Gegner durch, scheiterte er sehr oft am überragenden deutschen Torhüter Andreas Wolff. Dank ihrer bislang besten Abwehrleistung im Turnier, die phasenweise an die im EM-Finale von 2016 gegen Spanien erinnerte (24:17), siegte das DHB-Team 28:21 (13:9) und zieht damit als unbesiegter Gruppenerster in die K.

-o.-Runde ein. "Wenn man nur 21 Tore zulässt, muss man einfach gewinnen", sagte der junge Rückraumspieler Paul Drux, 21; nicht nur er schwärmte später von einem "grandiosen Mittelblock" und "einem Bollwerk". Gegner im Achtelfinale am Sonntag in Paris (18 Uhr/live auf handball.dkb.de) wird Katar sein, der WM-Zweite von 2015.

Sigurdssons psychologischer Trick

Der Bundestrainer Sigurdsson hat im vorigen Jahr vor dem EM-Finale gegen Spanien einen kleinen psychologischen Trick angewandt: Bei der Teambesprechung schrieb er seinen Spielern auf ein großes Blatt Papier die Zahl der spanischen Endspiel-Teilnahmen, eine "4". Nach einer Kunstpause schrieb er daneben die Zahl der Siege, eine "0". Das bestärkte seine Spieler seinerzeit im Glauben, die Spanier bezwingen zu können, was sie dann ja sehr überzeugend taten.

Allerdings kannte Zeljko Babic, der Coach der Kroaten, einen ähnlichen Kniff. Er hatte vor der Partie süffisant auf die Bilanz zwischen Deutschland und Kroatien bei internationalen Turnieren hingewiesen. Die Zahl der Duelle, die er hätte hinschreiben können: "9". Und daneben die Zahl der deutschen Siege: "1". Nur bei der EM 2002 gewann das DHB-Team, mit 26:21 in der Vorrunde. Am schmerzhaftesten im Gedächtnis geblieben sind die Finalniederlagen bei der WM 2003 (31:34) und bei Olympia 2004 (24:26).

Um sich daran zu erinnern, sind die aktuellen deutschen Nationalspieler freilich zu jung, sie gingen die Aufgabe unbelastet an. Nicht einmal der ebenfalls von Sigurdsson am Donnerstag reaktivierte Weltmeister von 2007, Holger Glandorf war ja damals schon dabei. Auch die Ankunft des wurfgewaltigen Linkshänders schien Ansporn für die Kollegen zu sein. Kai Häfner, der auf der rechten Rückraumseite bislang konkurrenzlos war, wollte offenbar seinen Wert für die Mannschaft besonders aufdringlich beweisen - er erzielte die ersten vier Tore für das DHB-Team und sorgte nach einem 1:3-Rückstand (5.) für die Führung (4:3/8.), die das Team bis zum Schluss nicht mehr abgab. Mit insgesamt fünf Treffern war Häfner der zweitbeste Torjäger an diesem Abend hinter Kreisläufer Patrick Wiencek (sechs).

Die Kroaten lagen mehrmals mit bis zu sechs Treffern Differenz zurück, 5:11 (23.) oder 13:19 (44.), arbeiteten sich aber mehrmals auch wieder heran, zehn Minuten vor Schluss schienen sie die Partie beim 19:21 noch einmal fast wenden zu können. Aber Hendrik Pekeler erstickte das Aufbäumen mit dem letzten seiner drei Tore.

Es gab auch problematische Momente

"Es gab Phasen im Spiel, in denen wir Probleme hatten", räumte Sigurdsson ein, "aber wir haben sie alle bewältigt." Zum Beispiel, als die Kroaten ihren Torhüter herausnahmen und mit einem siebten Feldspieler versuchten, Lücken in die deutsche Verteidigung zu reißen.

Was das DHB-Team sehr gut machte, war, die kroatischen Spielgestalter aus dem Spiel zu nehmen, den kleinen Cindric (ein Tor), vor allem aber Duvnjak, den einstigen Welthandballer. "Die Abwehr hat super gespielt", lobte Glandorf, der nun der Teamälteste ist mit seinen 33 Jahren. Der Flensburger hatte im Angriff noch nicht die erhofften Impulse in Form von Toren geben können; er blieb genauso torlos wie Duvnjak. Aber "es war wichtig, dass Kai etwas Pause bekommen hat", fand er.

Dank der zupackenden Abwehr kamen die Deutschen auch immer wieder zu Ballgewinnen, aus denen Gegenstöße resultierten. Allein neun Tore erzielten sie auf diese Weise, bei einer hundertprozentigen Erfolgsquote. Bundestrainer Sigurdsson sprach hernach von "einer starken Teamleistung, defensiv wie offensiv".

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Handball-WM
:Der Handball verliert die Gesichter

Ruckelfreie HD-Qualität, kundige Kommentatoren, gute Zuschauerzahlen - das ist die Zwischenbilanz zum DKB-Livestream. Dennoch setzt die neue Übertragungsform der WM die Zukunft des deutschen Handballs aufs Spiel.

Von Saskia Aleythe

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: