Handball:Torwart Wolff: Erst schüchtern, dann furchteinflößend

Lesezeit: 2 min

  • Nur aus Verlegenheit wurde Andreas Wolff Handball-Torwart.
  • Bei der EM in Polen holt er nicht nur den Titel, sondern wird auch bester Torhüter des Turniers.
  • Nach dem EM-Titel verfolgt er ein großes Ziel in seinem nächsten Verein.

Von Joachim Mölter

Wenn etwas fülliger geratene Jungs bei einem Mannschaftsspiel mitmachen wollen, gibt es für gewöhnlich zwei Möglichkeiten: Sie bringen den Ball mit oder sie stellen sich ins Tor. Andreas Wolff ging ins Tor, als er erstmals beim Handball-Training war. Er war nicht nur "etwas dicklich", wie er einräumt: "Ich war vor allem schüchtern, ich wollte mit den anderen nicht so viel zu tun haben." Doch während es für viele eine Qual ist, sich im Tor mit Bällen bewerfen zu lassen, gefiel es Wolff dort so gut, "dass ich nicht mehr rauswollte". Bei einer Parade fließe "unglaublich viel Adrenalin durch den Körper", sagt er: "Es gibt kaum etwas Angenehmeres, als einen Ball zu halten. Dieses Gefühl ist unvergleichlich."

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So begann eine Karriere, die am Sonntag in Krakau in ihrem ersten Höhepunkt gipfelte: Da wurde Andreas Wolff - 24 Jahre alt, 198 Zentimeter groß, 100 Kilo schwer - mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) Europameister, sensationell muss man sagen.

Nun war und ist Deutschland von jeher ein Torwart-Land, egal, um welche Sportart es geht, gibt es Talente in Hülle und Fülle: Fußball, Handball, Hockey. Selbst Wasserball- oder Eishockeyteams scheitern nie am fehlenden Rückhalt zwischen den Pfosten. Im deutschen Verband glauben sie nun, dass Andreas Wolff die Reihe ihrer exzellenten und legendären Schlussmänner fortsetzt, angefangen von Wieland Schmidt, dem Olympiasieger 1980, über Andreas Thiel, der nur "der Hexer" hieß, bis hin zu Henning Fritz, dem "unglaublichen Fritz", wie sie ihn nannten. Einen Rufnamen hat sich der Neue nun auch bereits erworben, er ist: der große, böse Wolff.

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Schon vor dem Finale flößte er den Angreifern so viel Furcht ein, dass er als bester Torwart des Turniers ausgezeichnet wurde; das ist eine erstaunliche Entwicklung eingedenk der Tatsache, dass er als Nummer zwei im deutschen Tor hinter Carsten Lichtlein, 35, begonnen hatte. Im Finale entnervte er dann die Spanier. In Zahlen lässt sich seine Leistung so ausdrücken: Weniger als 17 Tore hat noch nie ein Torwart in einem EM-Finale hinnehmen müssen, Wolff wehrte 16 von 33 Würfen ab, fast die Hälfte also. Bereits mit 40 Prozent vereitelter Chancen gilt ein Handball-Torwart als Weltklasse. Trotz seiner Größe und seines Gewichts ist Wolff extrem schnell und beweglich, an viele unhaltbar erscheinende Bälle kommt er noch heran.

Die kindliche Schüchternheit ist längst verflogen. Bei der EM war Wolff der Erste, der vom Titel sprach - zu einer Zeit, als das noch unmöglich erschien. "Ich konnte meinen Worten ja nicht keine Taten folgen lassen", erklärte er danach. Auch an seinem baldigen Wechsel von der HSG Wetzlar zum deutschen Rekordmeister THW Kiel kann man sein gewachsenes Selbstvertrauen sehen: Dort steht der Däne Niklas Landin, ein ausgewiesener Weltklassemann, als Nummer eins im Tor. Andreas Wolff hat ihn schon mal wissen lassen, dass er nicht vorhabe, in Kiel nur auf der Bank zu sitzen.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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