Hamburger SV:Zufriedener Regionalligist

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Der HSV hält im ersten Spiel nach schwacher Vorbereitung gegen den Tabellenführer einigermaßen mit. Die Verlierer beschäftigen sich nicht lange mit der Analyse - viel wichtiger ist das nächste Spiel beim VfB Stuttgart.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Dass der Hamburger SV überhaupt noch gegen den FC Bayern in der Bundesliga spielen darf, dafür war Marcelo Diaz mit seinem Freistoßtor in letzter Sekunde im Relegationsspiel am 1. Juni 2015 beim Karlsruher SC verantwortlich. Vor der Partie am Freitagabend wurde der Chilene, der zum spanischen Klub Celta Vigo weiterwandert, verabschiedet: mit warmen Worten, einem Bild vom Rettungs-Treffer und einer Relegationsuhr. Auf der stand: "Tomorrow, my friend". Das war der Satz, den er Rafael van der Vaart zugerufen hatte, als dieser selbst schießen wollte. "Lieber Marcelo, du wirst immer einen Platz in unserer Historie und unserem Herzen haben", sagte HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer. Sowohl dem Redner als auch dem Geehrten schossen ein paar Tränen in die Augen.

Später, nach der 1:2-Niederlage gegen die Münchner, hielten sich der Stolz, mit den "galaktischen Bayern" (Mittelfeldspieler Lewis Holtby) einigermaßen mitgehalten zu haben und der Frust, für eine ordentliche Leistung nicht mit einem Punkt belohnt worden zu sein, die Waage. HSV-Keeper René Adler lobte die "Leidenschaft" seines Teams, musste aber das verpasste Remis auch auf seine Kappe nehmen. Er foulte Thomas Müller in der 37. Minute elfmeterreif innerhalb des Strafraums, weil er zu spät herausgelaufen war. Deshalb durfte Robert Lewandowski mit dem ersten echten Bayern-Torschuss nach mehr als einer halben Stunde aus elf Metern das 0:1 erzielen. Adler wollte sein Unglück aber nicht mit nach Hause nehmen: "Wenn ich mit meiner Frau geredet habe, ist es schon vergessen."

Labbadia nennt Lewandowskis zweiten Treffer ein "Drecks-Tor"

Wenn der von Trainer Bruno Labbadia unter der Woche ausgeheckte Plan (nicht hinten reinstellen, hoch verteidigen) komplett aufgegangen wäre und Lewandowski nicht in der 61. Minute noch ein "Drecks-Tor" (Labbadia) erzielt hätte, als er einen Müller-Schuss unhaltbar abfälschte, hätte die Debatte, wer eigentlich in der 53. Minute das 1:1 erzielt hatte, noch einmal Fahrt aufgenommen. Es wurden nach dem Freistoß von Aaron Hunt nämlich gleich drei mögliche Schützen genannt: Hunt selbst, Pierre-Michel Lasogga, der wie Bayern-Profi Alonso versuchte, an den Ball zu kommen, und eben Alonso. Am Schluss entschied die DFL: Eigentor Alonso.

Wie ein echter Torjäger hat Lasogga aber noch ein wenig um den Treffer gekämpft: "Vielleicht war ich noch mit der Fußspitze dran", mutmaßte er, "aber das entscheiden ja sowieso andere. Da habe ich kein Mitspracherecht." Das mit der Fußspitze war aber auch bei mehrmaliger Ansicht der Fernsehaufnahmen nicht zu beweisen. Und so sagte schließlich Freistoßschütze Hunt, es sei ihm "egal, ob ich das Tor gemacht habe, denn wir haben ja verloren."

Im Trainingslager war mehr als ein halbes Dutzend Spieler verletzt

Dass der HSV nach einem Trainingslager, in dem mehr ein halbes Dutzend Spieler verletzt war, so gut mithielt, hat wohl auch die Hamburger überrascht. Selbst wenn Kingsley Coman Außenverteidiger Dennis Diekmeier, dem schnellsten HSV-Profi, bei etlichen Sprints ein paar Meter abnahm und Lasogga verglichen mit den Bayern-Stürmern ein wenig aussah wie ein Regionalligaspieler, war Labbadia "zufrieden, wie die Spieler bereit waren, gegen den Ball zu arbeiten".

Erleichtert war er auch, dass die kürzlich noch angeschlagenen Johan Djourou, Lasogga und auch Gojko Kacar fast das komplette Spiel durchhielten. Nur Kacar musste nach einem Schlag auf den Spann mit einer neuerlichen, aber nicht so schlimmen Blessur ausgewechselt werden.

"Wie sagte der Mertesacker so schön, jetzt gehe ich erst mal in die Eistonne", flachste Lewis Holtby. Denn am nächsten Samstag beim VfB Stuttgart muss der HSV nach seinem Kampf gegen die Bayern wieder fit sein. Sonst könnte er trotz seines Aufwärtstrends doch wieder in die Abstiegszone rutschen. Und Marcelo Diaz ist dann schon längst in Spanien.

© SZ vom 24.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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