Hamburger SV:Hunde bei der Wildjagd

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Vier Füße in der Luft: Simon Falette (Eintracht Frankfurt, Schwarz) und HSV-Talent Jann-Fiete Arp im dynamischen Zweikampf. (Foto: Michael Schwarz/Imago)

"20 Minuten waren wir gar nicht auf dem Platz": Beim HSV wächst nach dem 1:2 gegen Eintracht Frankfurt die Furcht vor einem weiteren aufwühlenden Abstiegskampf.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Es ist nicht so, dass der Trainer Huub Stevens einst für brillanten Fußball stand - eher für Teamgeist und seinen Lieblingssatz: "Die Null muss stehen." Das hatte er zwischen 2007 und 2008 auch beim Hamburger SV bestätigt. In der Saison '06/'07 übernahm er den HSV im Februar auf Tabellenplatz 18 und führte ihn noch auf Rang sieben. Unter anderem mit einer Serie von vier Nullen, also vier Spielen ohne Gegentor. Markus Gisdol war einmal sein Assistent auf Schalke, und er hätte es jetzt in Hamburg seinem alten Chef gleichtun können nach zuletzt drei Spielen ohne Gegentor. Doch in der 16. Minute der Partie gegen Eintracht Frankfurt war dieser Traum ausgeträumt.

Hradecky stark, Mathenia nicht - die Torhüter entscheiden

Dennis Diekmeier und Walace vertändelten den Ball, Marius Wolf nutzte dies zu einem scharfen Schuss. Vermutlich hätte der starke Torwart zu Huub-Stevens-Zeiten, Frank Rost, die Arme rechtzeitig ausgefahren, um die Gefahr abzuwenden. Doch der aktuelle HSV-Keeper, Christian Mathenia, musste zugeben: "Der Ball flatterte, ich habe die Hände nicht mehr richtig hochbekommen." Das war sein Beitrag zum 1:1, nachdem zuvor Kyriakos Papadopoulos in der 9. Minute die starke Anfangsphase des HSV mit einem Kopfballtor nach Ecke von Aaron Hunt gekrönt hatte. Aber nach dem Ausgleich war es vorbei mit der Hamburger Souveränität.

Nun führten die Frankfurter die Heimmannschaft zwanzig Minuten lang vor wie ein Jagdhund das Wild, weil die HSV-Defensive der Eintracht plötzlich so viele Räume eröffnete, wie sonst allenfalls in Feld und Wald zu finden sind. Wenig später verwandelte Mijat Gacinovic nach Fehler von Gideon Jung eine Flanke von Timothy Chandler locker zum 1:2. Danach vergab allein Frankfurts Luka Jovic drei große Möglichkeiten, weshalb HSV-Chef Heribert Bruchhagen, bis ins Vorjahr 13 Jahre lang Boss der Eintracht, nachher von einem "vogelwilden" Abwehrverhalten sprach und erneut den "Existenzkampf" ausrief.

Dabei hatte Trainer Gisdol schon in der 36. Minute das Chaos beendet, indem er den erfahrenen Mittelfeldmann Albin Ekdal für den orientierungslosen Walace brachte. Der HSV kam sogar mit neuer Power aus der Kabine, während die durch frühe Ausfälle - von Abwehrchef David Abraham (Verdacht auf eine Wadenbeinfraktur bestätigte sich nicht) und Gacinovic - geschwächte Eintracht nur noch auf wenige Konter baute. Doch anders als Mathenia, der seinem Team bisher kaum Punkte rettete, war Frankfurts Keeper Lukas Hradecky erneut Garant für den Sieg der Hessen - es war das achte Auswärtsspiel ohne Niederlage. Zu beobachten war Hradeckys Klasse besonders bei der einzigen Chance des HSV-Talents Jann-Fiete Arp, als er dessen Schlenzer über die Latte lenkte.

Man könnte also sagen: Hätten die Hamburger Hradecky im Tor und die Frankfurter Mathenia, wäre womöglich die Eintracht auf dem Relegationsplatz und der HSV in Reichweite zu den Europa-League-Plätzen - und nicht umgekehrt. Diese These erhielt Nahrung durch die Aussage von Frankfurts Trainer Niko Kovac: "Der HSV und wir, das nimmt sich nicht viel." Hamburgs Verteidiger Diekmeier war der Ansicht: "Wir spielen besser als letzte Saison, nur bei den Punkten sieht man das nicht." Diekmeier war seinem ersten Tor im 197. Bundesligaspiel so nah wie nie, doch sein Treffer in der 54. Minute wurde wegen Abseits nicht gegeben. Er musste indes auch zugeben: "20 Minuten in der ersten Halbzeit waren wir gar nicht auf dem Platz."

Zum Klassenverbleib benötige man bis zu 40 Punkte, sagt Kovac

20 von 90 Minuten, das ist in der Bundesliga zu viel; das wollte auch Gisdol "nicht schönreden". Der Coach haderte damit, dass man viele Punkte aus den letzten beiden Heimspielen hätte holen können. Es wurde aber nur einer (0:0 gegen Wolfsburg). Deshalb muss der HSV das Weihnachtsfest auch bei einem Punktgewinn am Freitag in Gladbach wie in den letzten fünf Jahren verbringen: mit Furcht vor aufregendem Abstiegskampf im Frühjahr.

Die Frankfurter, die den FC Bayern als auswärtsstärkstes Team der Liga überflügelten, wollen offiziell nicht auf die internationalen Ränge schauen, sondern auf eine verbesserte Heimbilanz. Das ist laut Kovac schwer genug: "80 Prozent der Mannschaften haben Schwierigkeiten, das Spiel zu machen." So auch die Eintracht. Deshalb gelte es, Zähler gegen den Abstieg zu erkämpfen. Und weil unten alle fleißig sammeln, brauche man diesmal wohl 38 bis 40 Punkte, glaubt Kovac. Keine guten Aussichten für den HSV.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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