Hamburger SV:Guter Geist, schlechter Dienst

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Rafael van der Vaart geht nach nur einem Jahr in Spanien zu einem dänischen Erstligisten. (Foto: Malte Christians/dpa)

Rafael van der Vaart reist trotz Sperre mit ins HSV-Trainingscamp im berühmten Bad Malente.

Von JÖRG MARWEDEL, Hamburg

Auch Rafael van der Vaart ist am Mittwoch mit 26 Kollegen des Hamburger SV nach Bad Malente gereist, jenen ostholsteinischen Kurort, in dem es angeblich den "Geist von Malente" gibt. Also jene Schöpferkraft, mit der sich schon die deutsche Nationalmannschaft aufgeladen hatte, bevor sie Weltmeister 1974 und 1990 wurde. Im Grunde hätte er sich den Aufwand sparen können. Der Niederländer wird am Samstag gegen Schalke 04 im entscheidenden Spiel gegen den ersten Bundesliga-Abstieg des Klubs nicht auf dem Rasen stehen. Der bekannteste Spieler des HSV ist wegen seiner bei der 1:2-Nieder- lage in Stuttgart erhaltenen zehnten gelben Karte gesperrt. Ob das Dabeisein des Kapitäns im Trainingslager gut ist für die "größtmögliche Geschlossenheit und Gemeinschaft" (Trainer Bruno Labbadia), ist inzwischen ohnehin die Frage.

Es gibt in der Hansestadt nicht wenige, die Rafael van der Vaart unterstellen, er habe bei Schiedsrichter Manuel Gräfe darum gebettelt, den Straf-Karton gezeigt zu bekommen. So müsse er "nicht dabei sein" bei einer vielleicht historischen Partie, nämlich der vorerst letzten in der Erstliga-Geschichte der Hamburger. Das sagt etwa Stefan Schnoor, einst HSV-Profi und jetzt meinungsfreudiger TV-Kommentator. Noch in der 93. Minute stocherte van der Vaart an der Eckfahne gegen einen Stuttgarter Spieler. Als der Unparteiische auf Foul erkannte, setzte er den Zank verbal fort, bis der vorher sehr geduldige Gräfe doch den Langmut verlor.

"Das ist eines Kapitäns nicht würdig", urteilte Schnoor. Es stand vor allem im Widerspruch zu jenen Sätzen, die van der Vaart, 32, vor der Partie kundgetan hatte. Da hatte er geäußert, "die Rettung ist für mich wertvoller als jeder Titel auf der Welt". Zudem sei es ihm wichtig, den HSV "mit einem guten Gefühl zu verlassen". Muss der HSV nicht in der Relegation antreten, war die Partie in Stuttgart van der Vaarts letztes von 151 Bundesligaspielen für den HSV in sechs Jahren.

Der "Geist von Malente" steht laut Bürgermeister Michael Koch für "Mannschaftsgeist, Energie und Zusammenhalt". Van der Vaart, dem Rasenschachspieler, traut man in Hamburg genau diese Eigenschaften schon länger nicht mehr zu. Seit er sich 2007 mit dem Trikot seines damaligen Wunschvereins FC Valencia ablichten ließ, obwohl er noch einen Vertrag mit dem HSV hatte, ist man trotz seiner Hymnen auf Hamburg und den Klub misstrauisch geworden. Dass er wie schon vor einem Jahr zum Gesicht des HSV-Niedergangs wurde, hat aber vor allem damit zu tun, dass er quasi ein Spieler von gestern ist. Einer, der das heute geforderte Tempo und Defensiv-Verhalten eines Mittelfeldspielers nicht mitbringt. Weshalb etliche Experten meinten, mit ihm habe der HSV mit einem Mann weniger gespielt.

Das mag übertrieben sein. Aber alle vier Hamburger Trainer dieser Saison waren recht ratlos, wie sie den kostspieligen Profi noch sinnvoll einsetzen konnten. Joe Zinnbauer setzte den Kapitän drei Spiele auf die Bank, weil, wie er sagte, im Abstiegskampf "mehr Defensivqualitäten gefragt" seien. Labbadia dagegen vertraut van der Vaarts Erfahrung und Spielkunst. Er spielte, wie schon teilweise bei Zinnbauer, auf der Sechs. Das scheiterte zuletzt so total, dass in einigen Leserbriefen die gelbe Karte von Stuttgart sogar als "guter Dienst" gewertet wurde.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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