Hamburger SV:Beifall fürs 0:0

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Torlos, aber nicht ereignislos: Hamburgs Matthias Ostrzolek (links) legt sich ins Zeug, Frankfurts Aleksandar Ignjovski geht lieber in Deckung. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Der ruhmreiche Hamburger SV hat seine Ansprüche gesenkt - und fährt gut damit. Gegen Frankfurt reicht den Anhängern ein 0:0 zum Glücklichsein.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Streng genommen ist es natürlich immer noch ein Jammer mit dem HSV. Diese Stadt. Diese Möglichkeiten. Diese Geschichte. Hamburg baut die Elbphilharmonie, will Olympia. Und ihr ruhmreicher Sportverein, ach: Uwe Seeler, sein riesiger Bronzefuß steht vor der Arena, die wieder Volksparkstadion heißt - seine Schuhe sind den Nachfolgern nicht nur in dieser Version zu groß. Im Treppenhaus der Geschäftsstelle grüßen weitere Granden von den Wänden. Hrubesch, Keegan, Kaltz. Sogar der Kaiser Franz.

Was für Zeiten, 1983 war der HSV Europapokalsieger der Landesmeister und eine Nummer wie heute der FC Bayern. Die Fans singen es noch immer mit nostalgischer Inbrunst: "Sechsmal deutscher Meister, dreimal Pokalsieger, immer erste Liga - HSV!" Beim 0:0 am Samstag gegen Eintracht Frankfurt hallte der Klassiker warmherzig durchs Stadion und nachher über den Parkplatz. Früher hätten die Leute bei einem torlosen Unentschieden gepfiffen oder geschwiegen - die verwöhnten Hamburger galten als anspruchsvolles Opernpublikum (übrigens dirigiert an Alster und Elbe jetzt Kent Nagano). Diesmal hallte dankbarer Applaus von den Tribünen, in der vergangenen Saison wurden Heimspiele ja in der Regel verloren.

Nach zwei Jahren am Rande des Schlunds namens zweite Liga haben Freunde des HSV ihre Ansprüche vorübergehend etwas gesenkt. Und seit der Trainer Bruno Labbadia am Spielfeld das Kommando führt und das Schlimmste verhindert hat, seitdem entwickeln sich zumindest wieder Ansätze gegenseitiger Zufriedenheit.

Es war ein bisschen wie mit dem Wetter. Am Vormittag schüttete es, aber dann tastete sich die Sonne durch die Wolken, und das Maskottchen Dino Herrmann betrat froh gestimmt den Rasen. Ohne Labbadia hätte das Symbol des einzig abstiegsfreien Bundesliga-Gründungsmitglieds Anfang Juni in Pension gehen müssen. Oder genauer gesagt ohne den Mittelfeldmann Marcelo Díaz, der in Karlsruhe im zweiten Relegationsmatch diesen statuserhaltenden Freistoß verwandelte.

Labbadia kann sich inzwischen sogar den Luxus erlauben, den Chilenen Díaz auf der Ersatzbank sitzen zu lassen, obwohl der Retter vor der Sommerpause auch noch die Copa América gewann. Das Mittelfeld bereichert neuerdings der Techniker Aaron Hunt, den Werder Bremen aus unverständlichen Gründen hat ziehen lassen, und Lewis Holtby ist auf einmal in Form. "Die Mannschaft will auch Fußball spielen", sagt Labbadia. Er hat "gute Sachen gesehen, von beiden Mannschaften".

"Gut, dass wir so gute Torhüter haben", findet Bruno Labbadia

Das war kein 0:0 wie "zwei gähnende Münder", wie einst der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano schrieb. "Es hätte auch 2:2 ausgehen können", da hatte der Frankfurter Trainer Armin Veh Recht. Die besten Gelegenheiten vergaben Johan Djourou und Ivo Ilicevic für den HSV sowie Haris Seferovic und Alexander Meier für die Eintracht. Djourou war die Latte im Weg und Seferovic und Meier der HSV-Torwart Jaroslav Drobny, der den angeschlagenen René Adler so tadellos vertrat, dass er am Mittwoch in Ingolstadt oder am Samstag gegen Schalke womöglich wieder mitmachen darf. "Gut, dass wir so gute Torhüter haben", findet Labbadia, dem nur vorne der entscheidende Pass und der zielgerichtete Abschluss fehlte.

Mit ihm wirkt der HSV kräftiger und weniger planlos als zuvor, vorläufige Bilanz sind zwei Siege, zwei Niederlagen, ein Unentschieden - und ein kommoder Tabellenplatz. Ganz in der Nähe der Eintracht, die selten so trifft wie neulich beim 6:2 gegen den 1. FC Köln. "Ein 6:2 ist nicht normal", sprach Veh, "außer wenn man Trainer bei Bayern München oder Klubs mit anderen Budgets ist." Eintracht Frankfurt war auch mal deutscher Meister, Uefa-Cup-Sieger und Europapokal-Finalist. Aber eben auch schon Zweitligist

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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