Hamburg:Aufstrebende Video-Spieler

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Voll bedient: 1:3 verlor Bruno Labbadia mit seinem HSV gegen Mainz. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Die ungewöhnlichen Methoden von Mainz-Trainer Martin Schmidt haben offenbar Erfolg - auch beim wiedererstarkten Hamburger SV überrascht seine Mannschaft.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Vermutlich hat Bruno Labbadia recht. "So ein Tor kriegt man in einer Million Jahren nicht mehr hin", sagte der Trainer des Hamburger SV über jene 16. Minute, in der das Spiel zugunsten von Mainz 05 kippte. Jairo Samperio, 22, der spanische Flügelflitzer der Mainzer, hatte geschossen und HSV-Kapitän Johan Djourou den Schuss abgeblockt. Doch der Ball flog wieder auf den zu Boden gegangenen Jairo zu. Der Sitzfußballer erwischte die Kugel mit dem Schienbein und sie flog über den verdutzten Keeper Jaroslav Drobny im weiten Bogen in den Hamburger Kasten. "Ein bisschen seltsam", wertete auch Jairo das ungewöhnliche 0:1, das den Weg zum 3:1-Sieg der Mainzer in der Hansestadt ebnete. 05-Coach Martin Schmidt sprach "von einem kuriosen Tor als Dosenöffner".

So wurde es wieder nichts mit drei Siegen in Serie, auf die der HSV nun schon seit 1780 Tagen wartet. Bei den 3:1-Siegen gegen Dortmund und in Bremen hatte Labbadia eine ausgefeilte Konter-Taktik mit den fixen Außenbahnkräften Ivo Ilicevic und Nicolai Müller praktizieren lassen. Nun aber traf man auf einen Gegner, der zwar ein bisschen Glück benötigte bei den insgesamt etwa 20 vergeblichen Schussversuchen der Hamburger, aber nach dem 2:0 durch wiederum Jairo (51.) spielten die Mainzer ihren Konterfußball mindestens so kühl herunter wie zuletzt der HSV. Da nutzten den Hamburgern auch ihre 56 Prozent Ballbesitz wenig.

Dass Jairo auch noch die Vorlage zum 0:3 durch Christian Clemens (76.) gab, hat ihn endgültig zum neuesten Coup des Noch-Managers Christian Heidel gemacht. 2014 kam Jairo vom Europa-League-Sieger FC Sevilla für eine Ablöse von 2,2 Millionen Euro nach Mainz. Seitdem hat der eher schmächtige junge Mann rasante Fortschritte gemacht, nachdem er zunächst unter dem härteren deutschen Stil litt. "Wir können uns keine fertigen Spieler leisten", sagt Heidel. Deshalb würden viele Zugänge zunächst als Fehleinkäufe eingeschätzt.

Doch offenbar hat Heidel mit Martin Schmidt mal wieder den perfekten Lehrer für die Talente gefunden. Der Coach, einst als Mechaniker ausgebildet und Besitzer einer Bekleidungsfirma, hat "dem sehr wissbegierigen" Jairo und dem Chilenen Gonzalo Jara in Extra-Video-Schichten den hiesigen Fußball nahegebracht. Er hat auch in der Pause des HSV-Spiels mit Video-Ausschnitten den defensiven Mittfeldspielern Jara und Julian Baumgartlinger klar gemacht, wie sie die Zweikämpfe besser gewinnen können.

Danach hatten die Mainzer den HSV im Griff. Und Martin Schmidt, seit Februar 05-Cheftrainer, hat nun sogar die berühmten Vorgänger Jürgen Klopp (gewann mit Mainz in der Bundesliga pro Partie im Schnitt 1,13 Punkte) und Thomas Tuchel (1,41 Punkte) mit nunmehr 1,46 Zählern pro Spiel überholt.

Hamburgs Trainer Bruno Labbadia musste dagegen die neuen Schwächen seines Teams registrieren. Es fehlte, wie der 49-Jährige monierte, nicht nur die Ruhe (etwa bei Lewis Holtby), sondern auch die "Kaltschnäuzigkeit". Und das galt nicht nur für Gregoritsch, sondern unter anderem für Sven Schipplock, den unsichtbaren Vertreter des verletzten Pierre- Michel Lasogga.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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