Jürgen Kramny ist ein Kind der wilden Siebzigerjahre, einiges von diesem Wilden hat er sich behalten, er ist Bartträger (wenn auch von einem akkurat gestutztem Henriquatre), vor allem aber ist er: Jeansträger. Die Siebzigerjahre waren die Jahre der Schlagjeans, am Oberschenkel eng, an der Wade weit wie ein Zelt, und ein halbes Jahr, bevor Kramny im Oktober 1971 zur Welt kam, veröffentlichten die Jeansträger der Rolling Stones ihr neuntes Album "Sticky Fingers", auf dem Cover zu sehen war der enge Sitz einer Jeans im Schritt. Der Mann in Jeans war unangepasst, cool, erfolgreich, nicht nur bei den Frauen, das lernte Kramny, und so hält er sich auch viereinhalb Jahrzehnte später als Bundesliga-Trainer weiter an diese Denim-Regeln.
Bei seinem ersten Sieg mit dem VfB Stuttgart, im Pokal gegen Braunschweig, trug Kramny eine Jeans, dunkelblau, leicht stone-washed, körperbetont, eng am Hintern, laut Kramny "mindestens 100 Euro teuer". Nach dem Erfolg gegen Braunschweig gewann der VfB gegen Wolfsburg, gegen Köln, gegen Hamburg, an der Seite immer Kramny in derselben Jeans. Doch dann drohte die Serie zu reißen. Nach dem Siegtreffer gegen den HSV jubelte der Trainer so wild, dass er ausrutschte, die Folge: ein Fleck am Knie und einer am Hintern. "Ein Fall für die Mülltonne", sagte Kramny trauernd, aber da hatte er Gordana Markovic-Masala unterschätzt, die Waschfrau des VfB; Gordana Markovic-Masala bekommt nicht nur den Schweiß aus Trikots, sondern auch Flecken aus der Jeans, obwohl diese in der Waschküche ein heikler Fall ist, sie kann ihre Farbe verlieren, ihre Form, ihren Sitz. Aber am Samstag stand Kramny wieder in derselben Jeans am Spielfeldrand. "Sie hat tatsächlich jeden Fleck rausbekommen", staunte er, der VfB gewann auch in Frankfurt, "die Hose hat tatsächlich überlebt, das hätte ich nicht gedacht."
Kramnys Jeans wird ihn zu weiteren Siegen tragen; selbst wenn sie kaputt gehen sollte, wird sie ihn vor Unheil schützen. Es waren auch Löcher in der Jeans, die Jürgen Klopp 2008 davor bewahrten, das Trainer-Casting des HSV zu überleben. Für die Entscheider im Norden war Klopp mit seiner Jeans fälschlicherweise nur eine Modeerscheinung.