Golf:Der Golfer, der spielt wie ein Kind

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Nach 18 Jahren darf sich Sergio Garcia endlich das grüne Jacket überstreifen lassen, dass dem Sieger des US Masters in Augusta gebührt. (Foto: REUTERS)
  • Der Golfer Sergio Garcia gewinnt das Masters in Augusta - weil er seine Zweifel überwindet.
  • Einst nannten ihn seine Kontrahenten "Cry-Baby", aber vor allem machte er sich selbst das Leben schwer.
  • Nun hat er nach 18 Jahren endlich den ersten Major-Titel gewonnen.

Von Frieder Pfeiffer

Als der Ball seine letzte Runde gedreht hatte, einmal an der Lochkante entlang, bevor er ruhig im 18. Loch des Augusta National Golf Club liegen blieb, konnte Sergio Garcia endlich die Schleusen öffnen. Er schrie, nicht einmal, nicht zweimal. Sein Körper schien sie alle nacheinander rauspressen zu wollen, die unzähligen verpassten Chancen, die gefühlten Demütigungen in der langen Zeit des schwindenden Glaubens an die eigenen Möglichkeiten.

Es wurden einige lange Schreie, denn dieser Sergio Garcia hat in den 18 Jahren, die seine Spitzensport-Karriere nun schon andauert, mehr erlebt, als in die meisten Golf-Laufbahnen passt. Der Spanier musste 37 Jahre alt werden, er musste 74 Major-Turniere spielen, am Ende musste er sogar in ein Playoff gegen seinen englischen Kumpel Justin Rose. Doch als der Putt zum Masters-Sieg irgendwie seinen Weg ins Loch gefunden hatte, war diese bewegte Golf-Laufbahn plötzlich vollendet. Das Leben hatte eine große Runde gedreht, nun ruhte es. Garcia grinste später, als er alles zusammenfasste: "Für mich war es kein Horrorfilm." Er machte eine kleine Pause. "Vielleicht ein Drama."

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Vom Talent her ist Garcia wie geschaffen für den herausfordernden Kurs

1999 hatte Garcia als Amateur beim Masters diesen speziellen Kurs kennengelernt. Er mochte ihn, er dachte, "dass er mir sicher mal einen Sieg geben würde". Die Experten sind sich einig, dass der Golfer Garcia mit seinem kompletten Arsenal an Schlägen und seinem Talent im Grunde geschaffen ist für diesen herausfordernden Kurs. Sie waren sich bis zu dieser Woche jedoch auch einig, dass die Person Garcia der Aufgabe nicht gewachsen sei. Denn irgendwann glaubte auch Garcia nicht mehr daran. Nicht in Augusta, nicht anderswo. Er haderte. Immer ausgiebiger.

Der Spanier hat 31 Turniere gewonnen, doch bei den Majors hatte es nie gereicht. Er wurde viermal Zweiter, zwölfmal reichte es für die Top Fünf. Mehr aber nicht, dutzende Chancen kamen und gingen. Und irgendwann reifte in Garcia, der sich lange ungerecht behandelt fühlte, im Frust die trotzige Erkenntnis, einfach nicht gut genug zu sein. "Ich spiele für den zweiten oder dritten Platz", sagte er 2012.

Es war der Tiefpunkt einer Karriere, die Anfang der Achtzigerjahre in Spaniens Osten nahe Valencia begonnen hatte und schnell zur europäischen Verheißung wurde. Seve Ballesteros, Europas Golfer-Vater, hatte mit zwei Masters-Siegen 1980 und 1983 den Weg geebnet, auf dem nun auch Garcia nach oben stieg. Nach seinem Debüt 1999 avancierte Garcia in kurzer Zeit zum Gegenspieler von Tiger Woods und zum heißen Herzen des europäischen Ryder-Cup-Teams. Diese beiden Tatsachen machten es ihm im Stammland des Golfzirkus, in den USA, nicht immer leicht.

Doch vor allem machte er es sich selbst schwer. Garcia fühlte sich nach Niederlagen schlecht behandelt, die US-Fans sahen in ihm ein "Cry-Baby", eine Heulsuse. Als er 2013 nach einer eher unharmonischen Runde mit Tiger Woods bei der Players Championship einen Witz über seinen Gegner machte, der im besten Fall naiv, in allen anderen Fällen rassistisch zu deuten war, schien die Beziehung endgültig zerrüttet zu sein. Doch als Garcia nun all diese Geschichten in den Abendhimmel von Georgia schrie, kamen von den Rängen "Sergio"-Rufe zurück. Denn da unten auf dem Grün stand ein anderer Garcia, einer, der nicht mehr hadert, der nicht nur "den Frieden mit diesem Kurs gemacht hat".

Nach zwei Schlagverlusten war Garcias Ball am 13. Loch weitab von der Ideallinie gelandet, wie so oft in wichtigen Runden. In anderen Zeiten hätte das zu wilden Gedanken über die Frechheit des Schicksals geführt, wie Garcia später zugab. Nun sagte er sich: "Wenn es so sein soll, soll es so sein." Bei seinem 19. Start in Augusta hatte Garcia begriffen: "Du darfst nicht gegen den Platz spielen. Du musst seinen Rhythmus mitgehen." Er rettete auf dieser Bahn 13 das Par, und nicht nur Kontrahent Rose sah darin später den Wendepunkt.

Denn zu diesem Zeitpunkt hatte Garcia zwei Schläge zurückgelegen, mehr wären einer Entscheidung gleich gekommen. Doch von da an spielte Garcia bestes Major-Golf. Birdie an der 14, Eagle an der 15, schon hatte er aufgeschlossen. An der 18 blieb ihm ein kurzer Putt zum Sieg. Er verlegte ihn knapp, es ging ins Stechen. Der alte Sergio Garcia hätte an diesem Sonntag mehr als eine Möglichkeit zur finalen, selbstzerstörerischen Verzweiflung gefunden. Der neue sagte: "Ich war so ruhig wie wohl noch nie an einem Major-Sonntag."

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Wenig später war Garcia Major-Sieger und seine Verlobte Angela Akins, die im Juli seine Gattin werden soll, bekam noch auf dem Grün die ersten Küsschen. Garcias Spiel hatte oft an der privaten Gefühls-Achterbahn gelitten, die Beziehung zu der US-Journalistin ist nun ein entscheidender Faktor im Reifeprozess des Mannes, den sie "El Niño" nannten, das Kind, und der später sagte: "Wenn ich wie ein Kind spiele, spiele ich gut." An diesem Sonntag, an dem, so will es die Sportgeschichte, der früh verstorbene Ballesteros 60 Jahre alt geworden wäre, spielte Garcia wie ein Kind - mit dem Kopf eines sehr erwachsenen Golfers.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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