Geschichte des Boston-Marathon:Anschlag auf eine Pilgerstätte

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Start des 117. Boston-Marathon in Hopkinton, Massachusetts. (Foto: Reuters)

Der Boston-Marathon ist für viele Läufer ein Lebenstraum. Sie reizt die Symbiose aus Geschichte, Tradition und sportlicher Herausforderung. Die Anschläge vom Montag treffen sie hart.

Von Almut Siefert

Boston, da fallen den meisten die Pilgerväter ein, die Tea Party und natürlich die Universität Harvard. Für viele Läufer ist Boston aber noch viel mehr: die "City upon a hill". Die pure Motivation, jeden Tag die Schuhe zu schnüren und loszulaufen.

Das Ziel vieler Läufer ist es, einmal in ihrem Leben beim Boston-Marathon zu starten. Diesen Traum kann sich jeder erfüllen - zumindest jeder, der sich Anreise sowie Unterkunft leisten kann und der die Qualifikation schafft: 3:05 Stunden, die Zeit variiert je nach Altersklasse. Eine Ausnahme gibt es: Wer 25 Jahre am Stück im Teilnehmerfeld war, erhält eine Wild Card. Bis an sein Lebensende.

Die Anschläge von Boston mit drei Toten und mehr als hundert Verletzten haben die Läufergemeinde im Mark getroffen. Denn gerade der Boston-Marathon ist eine ihrer heiligen Stätten: Inspiriert durch die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in Athen, starteten an der Ostküste der USA bereits ein Jahr später 15 Männer, um die damals noch 39,43 Kilometer (24,5 Meilen) von Ashland nach Boston zu bezwingen. Damit ist der Boston-Marathon der mit Abstand älteste Volkslauf der Welt.

Andere weltbekannte Läufe sind viel jünger. Den New-York-City-Marathon gibt es seit 1970, in London starten die Läufer seit 1981. Der Lauf in Berlin wurde das erste Mal 1964 in West-Berlin ausgetragen.

Auch für die deutsche Profi-Läuferin Sabrina Mockenhaupt war es schon immer ein Kindheitstraum, einmal in Boston mitzulaufen. "Der Boston-Marathon ist eine der größten Sportveranstaltungen in den USA. Schrecklich, was hier passiert ist", sagte die Athletin. Nach den Anschlägen am Montag twitterte sie Bilder des verwaisten Zielbereichs:

In den vergangenen 117 Jahren ist die Teilnehmerzahl von 15 auf 26.000 im Jahr 2013 gesteigert. Zum 100-jährigen Jubiläum traten sogar 38.708 Läufer an. Seit 1972 dürfen auch Frauen mitlaufen - eine wegweisende Entscheidung: Zwölf Jahre danach, bei den Sommerspielen 1984, fand der erste olympische Marathonlauf für Frauen statt.

Presseschau zum Anschlag von Boston
:"Weigert Euch, terrorisiert zu werden"

Nach dem Anschlag in Boston sind viele amerikanische Zeitungen fast sprachlos und tun sich schwer, die Geschehnisse einzuordnen. Doch der erste Schock weicht bereits dem Trotz - ein Appell zur Gelassenheit findet besonderen Anklang.

Von Beginn an war der Boston-Marathon auf den Patriots' Day datiert, jenen Feiertag in Massachusetts, der an die ersten Kämpfe im Amerikanischen Unabhänigkeitskrieg 1775 erinnert. Seit 1969 fällt dieser Tag immer auf den dritten Montag im April - eine Zeit, in der das Wetter in Boston sich nicht immer an die Vorlieben der Läufer hält: Mal ist es extrem heiß, mal liegt um diese Zeit noch Schnee.

In griechischer Tradition führt der Boston-Marathon von A nach B. Seit 1924 verläuft die Strecke von Hopkinton, einem kleinen Vorort etwa 40 Kilometer südwestlich, in gerader Führung bis in die Innenstadt. Die meisten anderen Stadtläufe werden im Rundkurs absolviert.

Strecke entgegen des offiziellen Reglements

Eine weitere Besonderheit in Boston: Der Startpunkt liegt höher als das Ziel. Daher entspricht die Strecke auch nicht dem offiziellen Reglement. Die unglaubliche Zeit von 2:03:02 Stunden, die der Kenianer Geoffrey Kiprono Mutai 2011 hinlegte, war zwar fast eine halbe Minute schneller als die Weltbestmarke. Als Weltrekord wurde Mutais Lauf aber nicht gewertet.

Trotz des höheren Startpunkts hat die Strecke doch ihre Tücken. Sie ist unruhig, geht mal bergauf, mal bergab und jedem Läufer graut es vor dem "Heartbreak Hill", wo zwischen Kilometer 32 und Kilometer 34 die Strecke stark ansteigt. Wer diesen Hügel bezwungen hat, hat die "City upon a Hill" aber fast erreicht. Die Bezeichnung führt ins Jahr 1630 zurück, als John Winthrop, der Gouverneur der Massachusetts Bay Colony, zu den Puritanern sagte: "Wir müssen davon ausgehen, dass wir wie eine Stadt auf einem Hügel sein sollen. Die Blicke aller Menschen richten sich auf uns."

Es ist die Symbiose aus Geschichte, Tradition und sportlicher Herausforderung, die den Boston-Marathon so besonders macht. Die Blicke aller Menschen richten sich dann auf diese Stadt. Seit den Anschlägen vom Montag leider mehr denn je.

(Mit Material von dpa)

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