Gender Pay Gap:Der Sport muss die richtigen Botschaften senden

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Hope Solo, die Torhüterin im US-Nationalteam, bekommt deutlich weniger Sieg- und Antrittsprämien als ihre männlichen Kollegen. (Foto: AFP)

Das Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen im Spitzensport ist enorm. Dafür gibt es Gründe. Aber ist das gerecht?

Kommentar von Claudio Catuogno

Als Prämie für ihren ersten Europameistertitel bekamen die deutschen Fußballerinnen vom DFB ein Kaffeeservice. 1989 war das, und seither muss das Blümchenporzellan als Beleg dafür herhalten, dass es eher schief-geht, wenn ältere Herren darüber befinden, wie junge Frauen für sportlichen Erfolg zu entlohnen sind. Als die Fußball-erinnen der USA 2015 den WM-Titel gewannen, schüttete der Weltverband Fifa immerhin zwei Millionen Dollar Prämie aus. Es gab also mehr zu verteilen als bloß Tassen und Kuchenteller - aber doch eine Menge weniger, als der DFB im Jahr zuvor für den Sieg seiner Männer in Brasilien einstrich. Um genau zu sein: 33 Millionen Dollar weniger.

Zwei Millionen für einen Frauen-Titel, 35 Millionen für einen der Männer. Ist das - Achtung, großes Wort: gerecht?

Realität des Spitzensports: Die größere Wertschöpfung erzielen meist die Männer

Die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen ist gerade das große Thema im Sport. Der Weltranglistenerste im Tennis, Novak Djokovic, hat sich mindestens unglücklich ausgedrückt, als er kürzlich in Indian Wells anregte, wenn die Männer mehr Preisgeld wollten, müssten sie halt allein dafür kämpfen, ohne die Frauen. Bei allem Respekt vor den Spielerinnen natürlich, die noch dazu immer mit ihren Hormonen zu kämpfen hätten. Uups, das ging schief - und der globale Aufschrei war umso größer, weil zuvor der Turnierdirektor Raymond Moore, 69, weiblichen Tennisprofis geraten hatte, "jeden Abend auf die Knie zu gehen und Gott zu danken, dass Roger Federer und Rafael Nadal geboren wurden". Also: dass es im Tennis so tolle Männer gibt!

Moore ist jetzt nicht mehr Turnier- direktor. Und käme im Jahr 2016 noch mal jemand auf die Idee, Titel mit Porzellan aufzuwiegen, würde er ebenfalls von einem Shitstorm hinweggefegt. Chauvinismus ist selbst im Sport nicht mehr en vogue - aber das heißt ja nicht, dass man sich damit jetzt zufriedengeben muss.

SZ JetztGender Pay Gap
:US-Fußballerinnen wehren sich gegen Lohndiskriminierung

Sie sind die besten der Welt. Aber die Männer bekommen alleine fürs Antreten mehr als sie für einen WM-Titel.

Fünf Spielerinnen aus der US-Elf - Carli Lloyd, Alex Morgan, Megan Rapinoe, Becky Sauerbrunn und Hope Solo - haben ihren Verband US Soccer vor die Equal Employment Opportunity Commission gezerrt, die für Lohndiskriminierung zuständige Bundesbehörde. Weil sie deutlich weniger Sieg- und Antrittsprämien bekommen als die von Jürgen Klinsmann trainierten Männer - im Durchschnitt etwa drei Viertel weniger. Das sei "der schwerwiegendste Fall von gesetzeswidriger Diskriminierung von weiblichen Athleten", den er je gesehen habe, sagt ihr Anwalt Jeffrey Kessler.

Es ist die wirtschaftliche Realität des Spitzensports, dass die größere Wertschöpfung meist die Männer erzielen - Sponsorengeld, TV-Vermarktung, Eintrittskarten. Aber Sport hat auch eine gesellschaftliche Dimension, seine Botschaften wirken, und die Frage, die sich Funktionäre und Turnierdirektoren ruhig stellen dürfen, lautet: Wollen wir die Realität immer bloß abbilden und weiter zementieren? Oder wollen wir sie nach unseren Wertvorstellungen gestalten?

Der Fall der US-Fußballerinnen ist allerdings deshalb besonders, weil der Ungleichbezahlung hier eher keine wirtschaftlichen Argumente zugrunde liegen. 26 Millionen Zuschauer sahen den WM-Sieg der Frauen gegen Japan, 16,5 Millionen das Aus der Männer im WM-Achtelfinale. 17,6 Millionen Dollar erwirtschafteten die Frauen für den US-Soccer-Etat 2015, neun Millionen die Männer.

Es gehört gesellschaftliches Bewusstsein dazu, Frauen im Tennis zwei und Männer drei Gewinnsätze spielen zu lassen und zu sagen: Und wir zahlen trotzdem beiden das Gleiche! Frauen, wie im US-Fußball, mehr so aus Gewohnheit weniger zu geben - das ist wirklich ein Fall für die Anti-Diskriminierungs-Stelle.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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