Fußball-WM 2026:Schwindsucht unter den Städten

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Mexikos Fußball-Chef Decio de Maria wünscht sich die WM 2026 - doch es gibt immer wieder neue Absagen in den Nachbarländern (Foto: AFP)
  • Immer mehr potentielle Austragungsstädte der Fußball-WM 2026 brechen weg: Chicagos Bürgermeister macht etwa in heimischen Medien große finanzielle Ungewissheiten für den Rückzug seiner Kommune verantwortlich.
  • Wie im Fall des IOC und seiner Olympischen Spiele winken nun auch in Sachen Fifa und Fußball Städte und ganze Regionen ab.
  • Die Ursache sind Forderungen von Funktionären, die bei ihren Events größten Luxus beanspruchen und den Veranstaltern teure Sportruinen und jahrzehntelange Folgekosten hinterlassen.

Von Thomas Kistner, München

Die Bewerbung um die Fußball-WM 2026 geht in die heiße Phase, bei seiner Ratssitzung in Bogotá nahm der Weltverband Fifa am Freitag die Dossiers der beiden Kandidaten entgegen, Marokko und die Nordamerika-Allianz USA/Kanada/Mexiko. Das Dreigestirn wurde bisher als Favorit gehandelt, nun schwächelt es zunehmend: Kurz vor der Einreichung sind drei Stützpfeiler weggebrochen. Und ein paar weitere schwanken bedrohlich.

Bis jüngst warb der US-Verband USSF mit 19 Städten, zwei zogen jetzt zurück. Neben Minneapolis hat sich Chicago verabschiedet; das ist ein herber, weil auch symbolischer Schlag für die Bewerbung. Chicago ist die Heimstätte des US-Fußballs, dort wurde das WM-Turnier 1994 eröffnet; die Deutschen bezogen damals ihr WM-Quartier am Michigansee - und die USSF hat dort sogar ihren Hauptsitz. Chicagos Bürgermeister Rahm Emanuel macht nun in heimischen Medien große finanzielle Ungewissheiten für den Rückzug seiner Kommune verantwortlich, die Fifa habe auch keinerlei Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Aus diesem Grund ist auch Minneapolis ausgestiegen; das wurde am Donnerstag bekannt. Bis zuletzt war um den Forderungskatalog gerungen worden, in dem sich die Fifa weitestreichende Sonderrechte zu sichern versucht.

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Montreals Bürgermeisterin will ihrer Stadt kein "finanzielles Fiasko" aufbürden

Während in den USA immer noch 17 Städte bereitstehen, darunter einige Wackelkandidaten, wirkt die Schwindsucht in Kanada bedrohlich. Politiker der Provinz British Columbia zogen kurzfristig für Vancouver die Reißleine; die unüberschaubare Kostenlage für Stadt und Region ist ihnen zu riskant. So fanden sich nur noch Edmonton, Montreal und Toronto im offiziellen Dossier, das die Amerika-Allianz am Donnerstag vorlegte. Stunden später kündigte dann auch die Provinz Alberta an, sie werde das WM-Projekt Edmontons finanziell nicht unterstützen. Der zuständige Minister Ricardo Miranda teilte mit, die Informationen seien "immer noch unzureichend", um böse Folgen für die Steuerzahler ausschließen zu können.

Steigt aber Edmonton aus, müsste Montreal nachziehen; Bürgermeisterin Valérie Plante hat schon erklärt, sie wolle ihrer Stadt kein "finanzielles Fiasko" aufhalsen mit einer WM, deren Kostenaufwand allein für die Stadionrenovierung und die Sicherheit die Viertelmilliarden-Grenze übersteigen dürfte. Auch hat Montreal ja bereits über Jahrzehnte das Olympia-Desaster von 1976 abstottern müssen. Bliebe am Ende also nur Toronto übrig, müsste die Amerika-Allianz eingeschmolzen werden. Am besten auf einen Bewerber.

Tatsächlich dreht sich sowieso alles um die USA: 60 der 80 WM-Spiele bei dieser (von der Fifa erstmals auf 48 Teilnehmer aufgeblähten) WM sollen in den Staaten stattfinden, auch sämtliche K.-o.-Spiele. Und eine Umverteilung auf Mexiko, sollte Kanada wegbrechen, wäre nicht so leicht zu realisieren. Der Partner im Süden hat mit Monterrey, Guadalajara und Mexiko-Stadt selbst nur drei Spielorte am Start.

Die Fifa verlangt massive Steuererleichterungen - ein ganzes Jahrzehnt lang

Wie im Fall des IOC und seiner Olympischen Spiele winken nun auch in Sachen Fifa und Fußball Städte und ganze Regionen ab - angesichts der Forderungen von Funktionären, die bei ihren Events größten Luxus beanspruchen und den Veranstaltern teure Sportruinen und jahrzehntelange Folgekosten hinterlassen. In Kanada und den USA sickern nun die Forderungen durch, welche die Fifa den 2026-Bewerbern stellt. Im Kern umfassen sie Steuerbefreiungen und den unkontrollierten Devisenverkehr im Veranstalterland. Die Fifa verlangt von den Regierungen massive Steuererleichterungen über eine Dekade; vom Wahltag am 13. Juni bis Ende 2028. Auch sollen unbegrenzte, unversteuerte Devisenmengen im WM-Land ein- und ausgeführt werden dürfen, von Zugehörigen der Fußballfamilie. Diese Garantie, fügen die Fifa-Marketender listig hinzu, dürfe aber keine Geldwäschegesetze im Gastland aushebeln. Was denn nun?

Für ihre Belegschaft wünscht die Fifa Visumfreiheit und Arbeitserlaubnisse "ohne Einschränkungen". Was bedeutet, dass der korruptionsumtoste Kickerbund ihm genehme Personen ins WM-Land schleusen könnte, im Status eines Mitarbeiters. Da ist es nur konsequent, wenn die Fifa, der die Sponsoren davonlaufen, ihre WM-Kosten dem Steuerzahler aufbürden will: so lange und so umfassend wie möglich. Dass die wirtschaftlich starke Amerika-Allianz jetzt in Not gerät, kommt Gianni Infantino also ungelegen. In Bogotá soll der Fifa-Boss ein paar raffinierte Änderungen im WM-Kürprozess anstreben. Zugunsten seines Favoriten.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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