Fußball-WM der Frauen:Rostige Heldinnen

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Emotionale Anführerin des US-Teams und seiner Anhängerschaft: die 35-jährige Abby Wambach. (Foto: Darryl Dyck/AP)

Das US-Team hat bei dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft einen ganz klaren Auftrag: Nach 16 Jahren soll endlich wieder der Titel her, doch die Mannschaft kämpft mit den Problemen ihrer alternden Stars.

Von Kathrin Steinbichler, Vancouver/Ottawa

Wer es in den USA in eine Fernsehshow geschafft hat, darf sich als nationale Berühmtheit betrachten. Wer dann noch mit einem Gastauftritt als Comicfigur in der TV-Serie "The Simpsons" gewürdigt wird, muss eine richtig große Nummer sein. Abby Wambach steht nun also in einer Reihe mit Berühmtheiten wie Michael Jackson, Meryl Streep, Andre Agassi oder Lady Gaga, seit sie im Mai mit ihren Offensivkolleginnen Alex Morgan und Christen Press bei den Simpsons auflaufen durfte. Morgan und Press, das sind die Spielerinnen der Zukunft beim Olympiasieger. Junge Frauen, die von Verband und Industrie als Werbe- und Leistungsträger aufgebaut werden. Die Hoffnungen auf den WM-Titel 2015 aber, die trägt in den USA noch immer die 35-jährige Wambach auf ihren Schultern. Erst recht seit diesem Siegtor gegen Nigeria, das den Titelaspiranten als Gruppensieger ins Achtelfinale gehievt hat.

52 193 Zuschauer gaben beim Spiel im Stadion in Vancouver eine vibrierende Kulisse ab, die US-Grenze ist mit dem Auto schließlich nur gute zwei Stunden entfernt. Und diese US-Mannschaft 2015 hat nicht nur wie bei jedem Turnier den klaren Auftrag zum Sieg - sie hat eine historische Mission. "Wir haben viel gewonnen. Aber wenn wir diesen Titel nicht gewinnen, werden sie immer sagen, wir wären eine unvollendete Generation", sagt Abby Wambach.

Torhüterin Hope Solo, 33, ist wegen privater Probleme ebenfalls nicht unumstritten

Die Frau aus Rochester im Bundesstaat New York hat mit den USA zwei Olympiasiege und drei kontinentale Titel geholt, die WM-Trophäe ist die einzige, die ihr und ihrer Mannschaft noch fehlt. 16 Jahre ist es jetzt her, dass Brandi Chastain den USA mit ihrem letzten Treffer im Elfmeterschießen 1999 WM-Gold beschert hat. Die "Girls of 99" sind inzwischen längst Unternehmerinnen oder TV-Mitarbeiterinnen, die den Auftritt ihrer Nachfolgerinnen vor einem Millionenpublikum kommentieren. Seit dem ersten Spieltag dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft müssen Wambach und das US-Team sich nun tagtäglich analysieren und fragen lassen, ob sie mit ihrem Spiel in der Gegenwart angekommen sind. Oder ob der auf viel Athletik angelegte Stil des Olympiasiegers, der seit Jahren auf die Durchschlagskraft von Abby Wambach zugeschnitten ist, nicht doch wie auch die Stürmerin seinen Zenit überschritten hat.

Als Wambach jetzt an diesem letzten Vorrundenspieltag gegen Nigeria bei einem Kopfball erneut ein falsches Timing zeigte und eine Chance vergab, entfuhr der früheren Olympiasiegerin Heather Mitts auf der Kommentatorenbank des übertragenden Senders Fox ein erstauntes: "Abby ist rostig geworden." Kurz darauf trat Megan Rapinoe zu einer letzten Ecke in der ersten Halbzeit an, das Stadionpublikum hob den Lärmpegel noch einmal auf Düsenjet-Niveau - und dann traf Wambach. Nicht mit dem Kopf, wie sonst, sondern mit einer anspruchsvollen Volley-Abnahme per Fuß (45.). Und das Stadion tobte.

"Ich kenne Abby. Und ich weiß, dass sie liefert, wenn es darauf ankommt", lobte anschließend US-Trainerin Jill Ellis. Als das 1:0 feststand und damit auch der Vorrundensieg in der schweren Gruppe D vor Australien und Schweden, jubelten auch die Kanadier unter den Zuschauern. Nicht ganz so enthusiastisch, aber ebenso erleichtert, denn die USA sind bei dieser WM auch für den Glamourfaktor zuständig. Die Ticketverkaufszahlen liegen dank der Menge der Spiele im Rahmen des Erwarteten, doch viele Partien gerade in Außenposten wie Moncton an der Ostküste oder aber auch im erstaunlich desinteressierten Montreal sind für WM-Verhältnisse schwach besucht. Die USA mit ihren abertausend mitreisenden Fans sind deshalb gern gesehen bei der Weltmeisterschaft im Nachbarland.

Ob die Mannschaft ihrem Anspruch als Favorit gerecht werden kann, wird allerdings nicht nur von Wambach abhängen. Die Rekordspielerin ist noch immer wichtig für die Mannschaft, vor allem mental. Doch sie kann sie längst nicht mehr tragen, schon gar nicht über 90 Minuten. Andere müssten jetzt in ihre Fußstapfen treten, Spielerinnen wie Morgan oder Press, der bereits ein Tor gelungen ist. Doch die Jüngeren halten sich noch zurück bei dieser WM, einzig Mittelfeldspielerin Megan Rapinoe erfüllt den Anspruch, ihr Bestes zu geben. Vielleicht sind die Geschichten der Älteren einfach zu präsent. Torhüterin Hope Solo etwa sorgt täglich für Schlagzeilen - und das, obwohl die 33-Jährige in der Mixed Zone bislang stets von einem Mitarbeiter abgeschirmt und an allen Fragestellern vorbeigeführt wird.

Solo ist schon mehrmals aktenkundig geworden, zuletzt im Frühjahr, als sie und ihr Ehemann sich eines Abends ungefragt und angetrunken einen US-Teambus ausliehen und bei der Spritztour kontrolliert wurden. Vor der WM kamen nun neue Details von einem Vorfall im vergangenen Sommer an die Öffentlichkeit. Solo hatte sich bei einer Familienfeier einen Streit geliefert, wieder waren Alkohol und Gewalt im Spiel, wieder wurde sie angezeigt, diesmal von der eigenen Stiefschwester. Hope Solo, fordern nun viele, sollte ihr Land nicht mehr im Fußballtrikot vertreten dürfen. Noch aber halten Trainerin Ellis und die Mannschaft zu ihr. Die USA lieben gute Geschichten und das Entertainment. Für eine richtig gute Geschichte bei dieser Weltmeisterschaft aber sollte Team USA sich bald mehr einfallen lassen.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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