Fußball: Wettskandal:"Erst war ich empört, dann war es verlockend"

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Vor Gericht berichtet der inzwischen gesperrte Profi Marcel Schuon, wie 2009 ein Zweitliga-Spiel des VfL Osnabrück verschoben wurde. Alles begann mit 50- bis 100-Euro-Wetten auf Fußballspiele.

Ulrich Hartmann

Marcel Schuon war einst ein großes Talent. 2005 spielte der Schwabe für die deutsche U20-Mannschaft bei der Junioren-WM in den Niederlanden. Der Profifußball stand ihm offen, doch der Abwehrspieler geriet auf die schiefe Bahn. Der heute 25-Jährige fing an zu wetten und stürzte in die Schuldenfalle der Wettmafia. 2009 half er mindestens ein Spiel seines damaligen Zweitligisten VfL Osnabrück zu verschieben.

"Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich den DFB in ein schlechtes Licht gerückt habe." - Marcel Schuon (Foto: dpa)

Heute hat Schuon mit dem Fußball nichts mehr zu tun, auch weil er bis Ende 2012 vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gesperrt wurde. Er hat eine Therapie gegen seine Spielsucht absolviert, kickt mit Freunden auf dem Bolzplatz, arbeitet in der elterlichen Spedition in Haiterbach und weiß noch nicht, ob er nach Ablauf seiner Sperre ab 2013 wieder professionell Fußball spielen kann. Der Name Thomas Schuon wird immer mit diesem zweiten großen Prozess gegen die Wettmafia verbunden sein, in dem er am Mittwoch vor dem Landgericht Bochum als Zeuge ausgesagt hat.

Schuon erschien im schwarzen Anzug und machte einen zermürbten Eindruck. Die Sache mit dem 0:3 verlorenen Spiel des VfL Osnabrück beim FC Augsburg am 17. April 2009 ist fast zwei Jahre her, aber es hängt Schuon nach, dass er dem damaligen Osnabrücker Wettbürobetreiber und derzeitigen Angeklagten Nürettin G. die Zusage gemacht hatte, zu einer Niederlage mit mindestens drei Toren beizutragen.

"Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich den DFB in ein schlechtes Licht gerückt habe", sagte Schuon am Mittwoch. Er bat damit auch um eine zweite Chance. 2013 wird er 27Jahre alt sein und würde vielleicht gerne noch einmal Fußball spielen, weil er auch keinen anderen Beruf erlernt hat. Seit dem Betrug will er keinen Kontakt mehr zur Wettmafia gehabt und nie wieder Geld auf Spiele gewettet haben.

Schuons Weg in die Abgründe des Wettmilieus führte ihn nach seinem Wechsel vom VfB Stuttgart II zum VfL Osnabrück im Jahr 2007 nahezu täglich ins Wettcasino "Emperyal" in der Osnabrücker Bahnhofstraße, wo er anfangs "50 bis 100 Euro" auf Fußballspiele setzte und dann "500 bis 1000", weil verlorene Wetten ihn zwangen, seine Schulden auszugleichen. "Ich suchte mir die Spiele aus dem Internet heraus und setzte im Wettbüro bargeldlos und auf Kredit."

Als sich seine Schulden 2008 auf mehrere tausend Euro summiert hatten, sprach ihn der Wettbürobesitzer Nürettin G. auf die Verschiebung von Spielen an. "Erst war ich empört", erinnert sich Schuon, "dann war es verlockend." Er verdiente beim VfL 7500 Euro brutto im Monat plus 800 Euro je Punktgewinn. Ende April 2008 boten Schuon und sein Mitspieler Bilal Aziz vor dem Spiel des VfLOsnabrück bei Carl Zeiss Jena am 2.Mai 2008 dem Wettpaten erstmals konkret an, ein Spiel absichtlich zu verlieren. Doch die Sache ging schief. Das Spiel endete 1:1.

Noch in der Nacht nach der Rückkehr saßen die beiden Fußballer auf einem Osnabrücker Parkplatz im Auto des grimmigen Nürettin G. und mussten sich schwere Vorwürfe anhören. Schuon gab bei der Polizei später zu Protokoll, Nürettin G. habe stets eine Pistole bei sich geführt und ihn damit eingeschüchtert. "Diese Angabe war falsch", räumt Schuon mittlerweile ein.

Durch die missratene Verschiebung wuchsen Schuons Schulden auf 25.000 Euro. "Wir sollten nun erst recht ein Spiel verschieben, dafür wollte er mir die Schulden erlassen", erklärt Schuon. Vor dem Auswärtsspiel am 17. April 2009 beim FC Augsburg fand ein Treffen mit Nürettin G. und dessen Kumpanen Ivan P. aus Bamberg statt.

Schuons Teamkollege Thomas Cichon, der mit Wettschulden ebenfalls in die Verabredungen involviert gewesen sei, habe zu den Treffen mit den Wettpaten oft nicht mitkommen wollen, so Schuon, "er hat immer gesagt, er müsse heim oder zum Zug oder so". Das Spiel in Augsburg ging wie verabredet verloren, mit 0:3, aber Schuon betont: "Ich habe in diesem Spiel keine bewussten Fehler gemacht." Das sei gar nicht notwendig gewesen. Alle Zusagen gegenüber Nürettin G., behauptet Schuon, "habe ich nur gemacht, um ihn zu beruhigen".

Nürettin G. hatte auf die Osnabrücker Niederlage in Augsburg 150.000 Euro gesetzt und 293.000 Euro gewonnen. Er erließ den Spielern die Schulden und wollte zugleich weitere Zusagen von ihnen. Beim nächsten angedachten Spiel in Nürnberg am 13. Mai 2009, sagt Schuon, "konnte ich aber nichts machen, weil ich erst in der 70. Minute eingewechselt wurde".

Es sei deshalb zu keiner Manipulation gekommen, auch wenn Osnabrück 0:2 verloren habe. Der Klub stieg danach aus der zweiten Liga ab. Schuon verließ Osnabrück, wechselte zum Drittligisten SV Heidenheim, wurde nach Bekanntwerden des Skandals im November 2009 entlassen und später vom DFB gesperrt sowie vom Amtsgericht Bochum zu zehn Monaten auf Bewährung und 5000 Euro verurteilt.

Schuon zeigte sich geständig, im Gegensatz zu Cichon. Der 34-Jährige, der heute in Südafrika spielt und bislang alles bestreitet, ist für Ende Januar vom DFB zur Anhörung vorgeladen. Cichon wird von allen geständigen Wettpaten und auch von Schuon belastet, dem er noch 5000 Euro schulden soll. "Restschulden aus einer Wette", sagt Schuon. Doch das ist womöglich Cichons geringstes Problem.

© SZ vom 13.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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