Fußball: U-21-EM in Schweden:Das deutsche Mittsommermärchen

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Nach einem überzeugenden 4:0 gegen England ist Deutschland erstmals U-21-Europameister. Der überragende Spieler war Bremens Mesut Özil.

Ulrich Hartmann, Malmö

Auch in der Nacht zum Dienstag wurde das sommerliche Südschweden nicht vollends von der Finsternis erfasst. Den deutschen U21-Fußballern war das recht so, denn dadurch konnten sie ihr wunderbares Mittsommermärchen in natürlicher Beleuchtung zelebrieren. Am Montagabend um 22.33 Uhr wurde dieses Märchen unter der schwedischen Abendsonne in beeindruckender Manier wahr.

Mesut Özil (Zweiter von rechts) war im Finale gegen England der überragende Spieler. (Foto: Foto: Reuters)

Die jungen Spieler tanzten im Stadion von Schwedens südlichster Großstadt Malmö über den Rasen, warfen sich übereinander und genossen einen historischen Augenblick. Die älteste Nachwuchsmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes hat im Endspiel der U21-EM England sensationell mit 4:0 (1:0) deklassiert und damit deutsche Fußballgeschichte geschrieben. Zum ersten Mal seit 27 Jahren hat eine deutsche U21 gegen England gewonnen und zum ersten Mal überhaupt einen Titel.

Die begeisterte Abordnung des DFB saß auf der Tribüne und beobachtete eine deutsche Mannschaft, die sich angriffslustig für ihre leuchtend roten Ausweichtrikots entschieden hatte und mit dem defensiven Mittelfeldmann Mats Hummels und dem Stürmer Sandro Wagner zwei Startelf-Debütanten aufbot, weil der Angreifer Ashkan Dejagah gelbgesperrt und der Linksaußen Marko Marin wegen einer Fußprellung verhindert war. Präsident Theo Zwanziger, Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und Sportdirektor Matthias Sammer sahen den Bundestrainer Horst Hrubesch im fünften Turnierspiel erstmals von seiner 4-4-2-Aufstellung abrücken. Wagner vom Zweitligisten MSV Duisburg fungierte als einzige Spitze und sollte im offensiv zuvor eher enttäuschenden Spiel für Gefahr sorgen.

Das gelang ihm anfangs nicht, weshalb zunächst der kleine Spielgestalter Mesut Özil die bemerkenswerten Akzente setzen musste. Erst hätte der Bremer in der 15. Minute nach feinem Doppelpass mit dem Stuttgarter Sami Khedira beinahe selbst das 1:0 erzielt, dann bereitete er acht Minuten später mit einem genialen Steilpass aus vollem Lauf auf den schnellen Gonzalo Castro jenes 1:0 vor, das bereits Castros zweites Tor im Turnier bedeutete.

Der gebürtige Spanier ist bei Bayer Leverkusen als Rechtsverteidiger zwar ein Mann für die Torverhinderung, in der U21 aber erzielt er wichtige Treffer. Der Trainer Hrubesch hatte in einer zurecht von der Publikumswelle garnierten Halbzeit zwar kaum Grund zur Klage, wütete aber trotzdem energisch schimpfend an der Seitenlinie und kompensierte so seine Anspannung.

Bei den weitgehend hilflosen Briten waren diesmal bloß zwei Spieler aus jener Ersatz-Elf aufgelaufen, mit der sie im letzten Gruppenspiel beim 1:1 den Deutschen gegenüber getreten waren. Als Stürmer spielte angesichts zweier Sperren für England nur der schnelle Theo Walcott vom FC Arsenal, aber nicht einmal er brachte die stoische deutsche Abwehr in die Bredouille. Diese hatte die Briten deutlich besser im Griff als beim 1:0 im Halbfinale die gefährlichen Italiener. Das defensive Mittelfeld-Trio Castro, Khedira und Hummels deaktivierte so gut wie jeden britischen Angriff und entlastete die eigene Viererkette durch präzises Stellungsspiel und einen enormen Aktionsradius.

Wagner macht alles klar

Und die starke Abwehr hatte diesmal auch offensiv adäquate Unterstützung. Der 20-jährige Deutsch-Türke Mesut Özil avancierte drei Minuten nach der Pause zum Spielgewinner, indem er aus 25 Metern einen Freistoß abfeuerte, den der britische Ersatztorwart Scott Loach nur fahrlässig faustete und über die Linie springen ließ.

Angesichts dieser 2:0-Führung und einer nur unwesentlich veränderten britischen Hilflosigkeit gegen die dichte deutsche Defensive - trotz Lee Cattermoles Lattenschuss in der 58. Minute und zwei Torlinien-Rettungsaktionen von Andreas Beck - machte sich bei den Kontrahenten nach trotzigen Angriffen endgültig Enttäuschung breit, als Wagner in der 79. Minute mit dem 3:0 und fünf Minuten später mit dem 4:0 alles klar machte.

Nach einem guten Halbfinale gegen Italien steigerte sich die deutsche Mannschaft im wichtigsten Spiel noch einmal entscheidend und bewies endlich jene Dominanz, die der Trainer Hrubesch stets eingefordert hatte. Für die späte, aber höchst befriedigende Erfüllung seines Wunsches wurden die Fußballer eine Stunde vor Mitternacht nicht nur mit dem Pokal entlohnt. Jeder von ihnen erhält vom DFB außerdem 12.000 Euro als Titelprämie.

Deutschland - England 4:0 (1:0)

Deutschland: Neuer (Schalke 04) - Beck (1899 Hoffenheim), Höwedes (Schalke 04), J. Boateng (Hamburger SV), Boenisch (Werder Bremen) - Hummels (Bor. Dortmund)/83. Aogo (Hamburger SV) - Johnson (1860 München)/69. Schwaab (SC Freiburg), Castro (Bayer Leverkusen), Khedira (VfB Stuttgart), Özil (W. Bremen)/89. Schmelzer (Bor. Dortmund) - Wagner (MSV Duisburg). - Trainer: Hrubesch. England: Loach - Cranie (79. Gardner), Richards, Onuoha (46. Mancienne), Gibbs - Cattermole, Muamba (77. Rodwell), Noble - Milner, Walcott, Johnson. - Trainer: Pearce. Tore: 1:0 Castro (23.), 2:0 Özil (48.), 3:0 Wagner (79.), 4:0 Wagner (84.) Schiedsrichter: Kuipers (Niederlande) Zuschauer in Malmö: 18000 Gelbe Karten: Boenisch, Wagner.

© SZ vom 30.06.09 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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