Fußball:Ohne Gegner

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SZ-Grafik; Quelle: VBG Sportreport 2016 (Foto: sdf)

In der berühmtesten Körperkontaktsportart passiert verblüffenderweise jede zweite Verletzung ohne direkten Kontakt.

Von Johannes Kirchmeier

Wenn man es etwas böse mit ihm meint, könnte man sagen: Viel besser als den Arjen Robben im Fußballtrikot kennen seine Fans inzwischen den Arjen Robben in Strickpullover, Jackett oder Hemd beim Halbzeitinterview. Robben, 32, fiel in der gerade zu Ende gegangenen Saison 150 Tage aus. Es ist nicht neu, dass der Niederländer als, na ja, etwas verletzungsanfällig gilt. Dennoch fällt auf: Fast durchweg fehlte er im vergangenen Jahr wegen Oberschenkelproblemen. Auch in den Jahren zuvor streikte die Oberschenkelmuskulatur immer mal wieder. Robben hatte von Zerrungen bis zum heftigen Muskelriss nach der WM 2010 so ziemlich alles.

Er steht damit stellvertretend für viele seiner Arbeitskollegen. Mehr als die Hälfte aller Verletzungen von Fußballern in Deutschland machen (in der Reihenfolge) Oberschenkel-, Knie- und Sprunggelenksverletzungen aus. In der Körperkontaktsportart passiert zudem jede zweite Verletzung ohne direkten Kontakt. Was heißt: Fußballer verletzen sich genauso häufig beim Auftreten, Sprinten und Wenden wie nach Tacklings des Gegners.

Auch weil der Fußball immer schneller und sprintlastiger wird - viele Trainer schulen ja besonders ein schnelles Umschaltspiel -, werden sich wohl die Bilder von schmerzverzerrt dreinblickenden Flügelflitzern wie Robben, die sich wahlweise an Oberschenkel oder Wade greifen, in Zukunft mehren. Robben-Pendant Marco Reus fällt nach Angaben von Bundestrainer Joachim Löw wegen Adduktorenproblemen für die EM in Frankreich aus.

Auffallend ist zudem, dass deutlich mehr Profifußballer in den vergangenen Jahren Muskelbündelrisse erleiden. Mediziner raunen, dass es daran liegen könnte, dass immer mehr Kicker nach kleineren Muskelfaserrissen fit gespritzt werden. Und bei der nächsten größeren Belastung zerbirst dann das ganze bereits angegriffene Muskelbündel, das aus bis zu zwölf Muskelfasern, Kapillargefäßen und einer Hülle aus Bindegewebe besteht. In dieser Saison fielen beim FC Bayern Jérôme Boateng, Medhi Benatia, Franck Ribéry und Juan Bernat nach Muskelbündelrissen je mehrere Wochen aus.

Für eine Erkenntnis der Studie stehen diese Kicker allerdings nicht: Nur im Fußball passieren mehr Verletzungen in der zweiten Liga (2,64 pro Spieler und Saison) als in der ersten (2,35). Was an einer weniger ausgefeilten medizinischen Betreuung liegen könnte - und dem weit verbreiteten Ruf der zweiten Liga als "Klopperliga" zumindest nicht widerspricht.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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