Fußball: 100 Jahre FC St. Pauli:Im Zeichen des Totenkopfs

Die Fans tragen das Symbol der Seeräuber, die Mannschaft ist Weltpokalsiegerbesieger und der Präsident spielt Theater. Der FC St. Pauli wird 100 Jahre alt - und freut sich auf die Bundesliga.

David Bernreuther

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"Non established since 1910" - nicht etabliert seit 1910. Schon der Slogan des FC St. Pauli zeigt: Dieser Klub ist stolz darauf, anders zu sein. Schriller, bunter, ausgeflippter.In diesen Tagen kommt der Kiez-Klub, der sich selbst als "Weltkulterbe" bezeichnet, aus dem Feiern gar nicht mehr heraus: Nur eine Woche nach dem Bundesliga-Aufstieg steht am 15. Mai das 100-jährige Vereinsjubiläum an. In BildernFoto: Getty

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Es ist das Symbol der Seeräuber, der Freibeuter auf dem offenen Meer: ein Totenkopf und zwei gekreuzte Knochen auf schwarzem Hintergrund. Es steht für Banden verwegener Haudegen, die unerschrocken kämpfen und trotz der Übermacht des Gegners Widerstand leisten. Und es steht für die Fans von St. Pauli.In ihrem Kampf gegen die Staatsgewalt griffen die Hausbesetzer an der Hamburger Hafenstraße dieses Symbol in den 1980er Jahren auf. Einer von ihnen, der St.-Pauli-Fan mit dem Spitznamen "Doc Mabuse", soll der Legende nach der erste gewesen sein, der im Stadion am Millerntor eine Totenkopffahne geschwenkt hat. Die Vereinsbosse, viele Zuschauer und auch der Fanshop lehnten das Symbol zunächst jedoch ab, weil sie es mit Gewalt assoziierten.Foto: Imago

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Doch davon ließ sich der 1989 gegründete Fanladen nicht beirren und verkaufte unter anderem T-Shirts und Pullover mit Totenkopflogo, die eine kleine Textildruckerei in einem Hinterhof auf dem Kiez herstellte. Sie wurden in der Fanszene zum Renner - das bemerkte auch der Verein.In den 90ern kaufte die Marketingabteilung des FC St. Pauli der kleinen Druckerei die mittlerweile lizensierten Rechte ab. Inzwischen ist der Totenkopf Bestandteil der "Corporate Identity" des Klubs und spielt eine bedeutende Rolle im Merchandising - sogar auf die Trikots und die Eckfahnen hat er es geschafft.Foto: ddp

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Ein großer Teil der Fanszene versteht sich als ausdrücklich als politisch. Die Fans setzen sich aktiv gegen rassistische oder sexistische Äußerungen im Stadion ein. St. Pauli war der erste Klub, der entsprechende Verbote in seine Stadionordnung einfügte - mittlerweile ist das bei Profivereinen die Regel.Foto: Imago

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Fünf Mal gelang dem Kult-Klub vom Kiez der Aufstieg in die Bundesliga: 1977, 1988, 1995, 2001 - und 2010. Hier lässt sich die Mannschaft 1995 nach einem 5:0 gegen Homburg im entscheidenden Spiel von den Fans auf der Reeperbahn feiern. Auch in diesem Jahr gab es auf dem Kiez eine spektakuläre Aufstiegsfeier ...Foto: Getty

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... 50.000 Fans kamen auf die Reeperbahn und jubelten den Aufstiegshelden zu, die sich der Menschenmenge auf dem Balkon des Theaters "Schmidt's Tivoli" präsentierte. Als Trainer Holger Stanislawski mit einer Zigarre im Mundwinkel nach dem Mikrofon griff, gab es kein Halten mehr. "Ihr seid die größten", brüllte er - der Rest ging im kolossalen Lärm unter.Foto: ddp

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Dem Aufstieg folgte jeweils relativ schnell der Abstieg, nur einmal verbrachte St. Pauli mehr als zwei Jahre in Folge in der Bundesliga (1988/89 bis 1990/91). Zweimal folgte dem Aufstieg sogar ein Absturz in die Drittklassigkeit: 1978 belegte St. Pauli in der Bundesliga den letzten Platz und stieg im Jahr darauf in die Amateur Oberliga Nord ab. Nach dem Bundesliga-Abstieg 2002 wurde der Kiez-Klub in die Regionalliga Nord durchgereicht, erst nach vier Jahren gelang die Rückkehr in den Profifußball.Foto: Imago

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St. Pauli gegen Bayern München, die Kiez-Kicker gegen den millionenschweren Rekordmeister - das ist so etwas wie Klassenkampf auf dem Fußballfeld. Fast schon legendär ist das Duell aus dem Jahr 2002 (im Bild grätscht Christian Rahn gegen Bayerns Paulo Sergio), als St. Pauli am Millerntor mit 2:1 siegte. Bayern hatte wenige Tage zuvor den Weltpokal gewonnen, St. Pauli nannte sich also fortan "Weltpokalsiegerbesieger" - und bedruckte T-Shirts mit dieser Aufschrift, die sich glänzend verkauften und bis heute zu haben sind.Die Spieler des FC Bayern fuhren nicht gerne nach Hamburg, weil die Millionäre aus Münchens meist unfreundlich empfangen wurden. "Gottseidank müssen wir hier nicht mehr her, weil die steigen hoffentlich ab", soll etwas Klaus Augenthaler nach einem Gastspiel gesagt haben.Foto: AP

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2003 geriet St. Pauli finanziell in arge Schwierigkeiten: Binnen drei Monaten musste der Klub fast zwei Millionen Euro auftreiben, um dem Zwangsabstieg in die Oberliga zu entgehen. Dies gelang mit Hilfe von T-Shirts, Bier und Uli Hoeneß: Der Verkauf der "Retter"-Shirts brachte fast eine Million Euro ein. Im Rahmen der Aktion "Saufen für St. Pauli" kassierten die Wirte der Kiez-Kneipen 50 Cent Solizuschlag pro Bier. Der FC Bayern trat zum Freundschaftsspiel "Weltpokalsiegerbesieger gegen Weltpokalsieger" am Millerntor an und verzichtete auf eine Gage. Hoeneß bekam bei seiner Ehrenrunde im "Retter"-Shirt Applaus von der Tribüne.Foto: Imago

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Holger Stanislawski, den alle "Stani" nennen, ist ein Klub-Urgestein. Früher war er Libero, eisenharter Vorstopper und Kapitän. In der bisher letzten Bundesliga-Saison des Vereins 2001/02 verpasste er als einziger Feldspieler keine Minute. Heute ist er Trainer und gilt als Baumeister des sportlichen Erfolgs, der mit dem Aufstieg in die Bundesliga seine Krönung erlebte.Stanislwaski, 39, führte St. Pauli binnen vier Jahren von der dritten in die erste Liga - und veränderte dabei auch die Spielweise: weg vom typischen Kick-and-Rush-Stil, hin zu schnellem, attraktivem Angriffsfußball. Nebenbei machte er in Köln seine Trainerlizenz und schloss als Bester seines Jahrgangs ab.Foto: Imago

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So schillernd das Image des Klubs ist, so schillernd ist auch das seines Präsidenten. Cornelius Littmann, den alle "Corny" Littmann nennen, ist Schauspieler, Regisseur und Intendant zweier Theater auf dem Kiez - ein Unternehmer der Unterhaltungsindustrie. Littmann steht offen zu seiner Homosexualität - und ist schon allein dadurch eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Profifußball.Als er 2002 Präsident wurde, war der St. Pauli Letzter der zweiten Liga und finanziell marode. In den ersten Wochen entließ er den Trainer, die Geschäftsführerin und den Vizepräsidenten, er wollte "alles in Frage stellen". Der Abstieg in die Regionalliga war nicht zu vermeiden, die Pleite des Klubs schon. Gut sieben Jahre später ist St. Pauli finanziell gesund - und zurück in der Bundesliga.Foto: Getty

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Das Millerntor-Stadion steht mitten in St. Pauli, auf dem Heiligengeistfeld nahe der Reeperbahn. Hier laufen die Spieler vor dem Anpfiff nicht auf den Rasen, sie schreiten. Dazu dröhnt Hells Bells von ACDC aus den Lautsprechern.Derzeit befindet sich das Stadion im Umbau. Seit 2006 wird es schrittweise erneuert: Jeweils eine der vier Tribünen wird umgebaut, die anderen werden normal benutzt. 2014 soll der Umbau abgeschlossen sein, dann soll das Millerntor-Stadion 27.500 Zuschauer fassen.Foto: Imago

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Die Logen im Stadion heißen Séparées, wie sich dass für den Kiez eben gehört. Eine davon wurde in eine St.-Pauli-Kapelle umgestaltet: Ein Wandgemälde zeigt "Heiland" Stanislawski umringt von zwölf Jüngern, ääh Spielern.Foto: Imago

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Nachdem der Aufstieg in die Bundesliga perfekt war, war unter den Spielern noch ein wenig umstritten, welches Spiel in der kommenden Saison das Highlight sei. "Robben und Ribéry am Millerntor, das wird ein ganz großer Moment", sagt Carsten Rothenbach. Für Timo Schultz sind dagegen die Derbys gegen den Hamburger SV nicht zu toppen, "da braucht man gar nicht drum herum reden". Im Bild erzielt HSV-Stürmer Thomas von Heesen 1986 im Pokal-Achtelfinale einen seiner drei Treffer beim 6:0-Sieg.Bemerkenswert ist außerdem: St. Pauli hat es als kleinerer von zwei Klubs einer Stadt geschafft, deutschlandweit wahrgenommen und gemocht zu werden - selbst in den Phasen, in denen der sportliche Erfolg ausblieb. 1860 München, Fortuna Köln, die Stuttgarter Kickers und viele andere sind darauf vermutlich sehr neidisch.Foto: Getty

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Marius Ebbers hat St. Pauli zurück in die Bundesliga geschossen. Mit 20 Treffern war er der Torgarant in einer Mannschaft, die von ihrer bärenstarken Offensive lebte: St. Pauli erzielte in der zurückliegenden Saison 72 Tore - 16 mehr als Zweitligameister Kaiserslautern. Hier jubelt Ebbers über eines seiner beiden Tore beim Sieg über den direkten Konkurrenten Augsburg.Foto: Reuters

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