Fußball-EM:Das Waliser Licht geht wieder aus

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Abgekämpft, etwas traurig, aber vor allem stolz: Der Waliser Gareth Bale. (Foto: AFP)

Der EM-Außenseiter schafft es nicht, seinen gesperrten Spielmacher Ramsey zu ersetzen. Trotzdem dürfen 3,1 Millionen Waliser sehr stolz sein.

Von Claudio Catuogno, Lyon

"Dymuniadau gorau ichi I gyd", hatte der Prince of Wales seinen Fußballern am Tag des großen Spiels in einer Grußnachricht geschrieben: "Viel Glück Euch allen." Womöglich hat er dafür noch mal rasch ins Wörterbuch blicken müssen. Beim Träger des Titels "Prince of Wales" handelt es sich ja um den doch sehr englischen Prinzen Charles. Und besonders viel Anlass hatte der bisher nicht, sich mit den Fußballern vom Westzipfel seiner Insel zu befassen. Als die WM 1958 in Schweden ausgetragen wurde, war Charles neun Jahre alt, vermutlich hat er da nicht am Fernseher verfolgt, wie Wales im Viertelfinale 0:1 an Brasilien scheiterte. Seitdem fanden alle 28 Welt- und Europameisterschaften ohne walisische Fußballer statt.

Es war also eine Premiere am Mittwochabend in Lyon. Wales hat sie 0:2 verloren. So endete die "Reise ins Licht", wie der Trainer Chris Coleman die walisische EM-Mission genannt hatte.

Diesmal war Wales zu sehr von Bales Einzelaktionen abhängig

"Während des gesamten Turniers seid ihr ein inspirierendes Beispiel an Teamwork und Sportsgeist gewesen, und ich habe keinen Zweifel, dass ihr in diesem Spiel eurem Land einen noch größeren Anlass für Stolz bereiten werdet", hatte Charles geschrieben, ehe es losging in Lyon. Das war zweifellos so: Die 3,1 Millionen Waliser durften sehr, sehr stolz sein auf ihr Team.

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Es war ja bereits der erste Halbfinal-Debütant bei einer EM seit Schweden 1992 und wäre der erste Finalist aus Großbritannien seit der WM 1966 gewesen. Fürs neutrale Publikum war es hingegen nicht ausschließlich ein Vergnügen, dieser taktisch gut eingestellten, durch den Real-Madrid-Stürmer Gareth Bale veredelten, technisch aber doch limitierten Elf zuzusehen.

Allerdings musste Wales zwei wichtige Spieler ersetzen, die beide im Viertelfinale gegen Belgien (3:1) ihre zweite gelbe Karte gesehen hatten: den Regisseur Aaron Ramsey, "einer der besten Spieler in diesem Turnier", wie Coleman festgestellt hatte, und den Innenverteidiger Ben Davies, bisher "absolut fantastisch" (Coleman). Vertreten wurden die beiden durch Andy King und James Collins. King fiel kaum auf, was bei einem Spielmacher ein Problem ist. Collins fiel schon auf, weil er erstens eine markante Glatze trägt, und weil er es zweitens als rechter Verteidiger in der Dreierkette häufig mit Cristiano Ronaldo zu tun bekam.

Einmal, in der ersten Halbzeit, legte Collins bei einer gefährlichen Flanke liebevoll seinen mächtigen Arm um den Hals von Ronaldo - drückte aber offenbar nicht fest genug zu, als dass der Schiedsrichter Jonas Eriksson hätte auf Elfmeter entscheiden müssen. Und bei den beiden Gegentreffern machte Collins nicht den flinksten Eindruck. Er stand jeweils in der Nähe.

Ansonsten war Wales diesmal mehr als zuvor von Bales Einzelaktionen abhängig - in einer starken Phase während der ersten Halbzeit sah das sogar recht vielversprechend aus. Mal brach Bale über rechts durch und flankte gefährlich nach innen (21.), mal versuchte er es durch die Mitte und schoss selbst - allerdings dem Torwart Rui Patrício in die Arme (23.). In der zweiten Halbzeit, als um ihn herum der Glaube schwand, das Spiel noch mal drehen zu können, war dann auch von Bale nicht mehr viel zu sehen.

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Trainer Coleman wird in Erinnerung bleiben

Der Stürmer Bale und der Trainer Coleman: Sie beide hatten wohl am intensivsten an die große Sensation geglaubt. Gab es da nicht "die Märchen von Dänemark und Griechenland", hatte Bale gefragt - die Sensations-Europameister von 1992 und 2004? "Das kann uns auch gelingen." Anders als ein paar Teamkollegen hatte er für die K.o.-Runde weder Hochzeiten geplant noch Konzertkarten gekauft: "Ich habe immer an uns geglaubt und meinen Urlaub erst am Tag nach dem Finale gebucht. Ich bin nicht wie die anderen."

Der Trainer Coleman wiederum bleibt als der Mann in Erinnerung, der diese Elf mit taktischer Innovationsfreude und präziser Ansprache von ihren uralten Ängsten befreit hat. Keine Angst vor dem Licht, das war sein Credo. "Man kann sich davon blenden lassen, darin eingehen und wieder zurück in die Ecke kriechen, aus der man gekommen ist", sagte Coleman, "oder man kann an sich glauben und sich hinstellen und sagen: Hier bin ich!"

Da standen sie, die Waliser, und wussten nicht weiter.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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