Fußball:Die Funken-Theorie

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Schulter an Schulter: 1860-Trainer Torsten Fröhling und Kapitän Christopher Schindler. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Vor dem Derby gegen Nürnberg wird die Sprache beim TSV 1860 pathetischer - unterstützt wird das Team im Abstiegskampf von einer fast vollen Arena.

Von Markus Schäflein

15 Punkte in elf Spielen hat Torsten Fröhling gesammelt, seit er den 1860 München als Cheftrainer übernommen hat. Das ist keine schlechte Bilanz, doch sie verhinderte nicht, dass die Löwen auf einen direkten Abstiegsplatz abrutschten. "Was soll ich zu dieser Bilanz sagen?", fragte also Fröhling und gab die Antwort selbst: "Es reicht nicht. Es reicht nicht! 21 Punkte aus 13 Spielen, das würde reichen, davon gehe ich mal aus." Was bedeutet, dass Sechzig die letzten zwei Partien dieser Saison, am Sonntag gegen den 1. FC Nürnberg und danach in Karlsruhe, gewinnen muss. "Über die Wichtigkeit brauchen wir nicht reden, aber das geht ja schon seit Wochen so", sagte Fröhling, "so gesehen hat sich die Ausgangssituation nicht verändert."

Abgesehen davon, dass sich die Lage zu einem publikumswirksamen Showdown zugespitzt hat. "Ohne pathetisch werden zu wollen", teilte Geschäftsführer Markus Rejek mit, "handelt es sich hier um eines der wichtigsten Spiele in der Geschichte des TSV 1860 München." Abwehrspieler Guillermo Vallori sagte der Bild durchaus pathetisch: "Es wird ein Kampf bis aufs Blut. Ich werde alles geben, bis ich umfalle, und alle anderen auch." Und die Ultras von den Giasinga Buam, ebenfalls nicht bekannt für einen Mangel an Pathos, fordern: "Das Stadion muss wieder zum Tollhaus werden. Schreien wir unsere Löwen Schulter an Schulter mit dem Schal um den Hals und der Fahne in der Luft zum Klassenerhalt." Fast 60 000 Karten hat der Verein schon verkauft, im sonst chronisch unterbesetzten Vip-Bereich ist kein Platz mehr frei. "Es ist doch pure Freude, wenn man vor so vielen Fans spielen darf. Das möchte jeder Fußballer in seinem Leben mal erleben", sagte Fröhling, "da muss man versuchen, gleich den Funken überspringen zu lassen und die Zuschauer sofort mit ins Boot zu nehmen."

Trainer Fröhling kündigte an: "Ich werde jetzt keine Bauchtänzerin engagieren."

Soll heißen: am besten von Beginn an aggressiv pressen und zu Chancen kommen. Dabei kommt die Spielweise der Franken den Münchnern wohl entgegen. "Die Nürnberger sind eine sehr offensiv ausgerichtete Mannschaft", meinte Fröhling, "ich erwarte, dass wir ihnen den Schneid abkaufen und ihnen den Spaß am Fußball nehmen." Beim 2:1 gegen Bochum klappte es in der zweiten Hälfte gut, einen spielfreudigen Gegner zu nerven. Aber Fröhling weiß, dass Pläne nicht immer aufgehen. "Zuletzt in Frankfurt hatten wir uns das auch anders vorgestellt, wir wollten mehr Druck aufbauen, und das hat nicht geklappt." Dass am Ende ein 1:0 heraussprang, lag daran, "dass wir die Kompaktheit gehalten haben".

Dass in Vallori, Kapitän Christopher Schindler und Rechtsverteidiger Gary Kagelmacher drei Stammspielern aus der Viererkette eine Gelbsperre fürs letzte Spiel droht, darf sie nicht beeindrucken. Diesmal herrscht Not im Sturm: Rubin Okotie ist nach der fünften Verwarnung gesperrt, Stephan Hain trainierte am Freitag nach einer Zerrung nicht. "Er ist noch bei den Physios und dem Rehatrainer", sagte Fröhling, "ich will da kein Risiko eingehen und ihm noch 24 Stunden Zeit zum Ausheilen geben." Es bestehe aber "noch Hoffnung" auf einen Einsatz.

Ansonsten stünden Rodri, Valdet Rama und Korbinian Vollmann für den Angriff bereit, in dem Fröhling zuletzt in Frankfurt auf eine Doppelspitze setzte. Ob er erneut ein 4-4-2 wählt, bleibt abzuwarten; die letzte Trainingseinheit an diesem Samstag findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Eine Alternative für die offensiven Flügel ist Krisztian Simon, der nach einem Teilabriss des Innenbandes ins Training zurückkehrte. Und für das defensive Mittelfeld steht Dominik Stahl wieder zur Verfügung, wie der Trainer medizinisch einwandfrei erklärte: "Wir haben ja am Sprunggelenk mehrere Bänder, und es war nur eins durch. Das geht."

Auf ein Trainingslager verzichtete Fröhling nach Rücksprache mit den Spielern. "Die meisten Aussagen waren, dass es besser ist, wenn man zu Hause mal abschalten kann", berichtete er, "unsere normalen Abläufe werden bleiben. Man darf nicht so viel verändern, ich werde jetzt keine Bauchtänzerin engagieren." Dafür untersagt er am Sonntag das Einblenden von Zwischenergebnissen aus den anderen Stadien. "Ich kriege nix mit, ich will nix wissen, und die Spieler hoffentlich auch nicht."

Gewinnen muss sein Team sowieso, Prognosen, ob ein Remis reichen könnte, sind kaum zu stellen. Es gibt nur eine Konstellation, in der Sechzig bereits am Sonntag absteigt: bei einer eigenen Niederlage, wenn Aue, St. Pauli und Fürth allesamt gewinnen und Frankfurt mindestens unentschieden spielt. Ein Ergebnis-Szenario, mit dem sich die Löwen bereits am Sonntag retten können, gibt es nicht.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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