Frauenfußball:Der Stern vom Maracanã

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Die deutschen Frauen gewinnen gegen Kanada 2:1 und erreichen das Finale - nach drei Bronzemedaillen haben sie nun erstmals die Chance auf olympisches Gold.

Von Anna Dreher

John Herdman hatte es von Anfang an gewusst. Da half auch die Erfahrung und das Selbstbewusstsein aus dem 2:1-Sieg seines Teams im Gruppenspiel vor einer Woche nichts. "Du hast es hier mit einer Mannschaft zu tun, die im Verlauf des Turniers immer stärker wird. Je näher die deutschen Mannschaften in Richtung Podium kommen, desto mehr glauben sie daran, dass es ihnen gehört", sagte der Trainer der kanadischen Nationalmannschaft. "Am Ende des Tages sind sie die Favoriten." Herdman, davon ist auszugehen, wäre froh gewesen, wenn er mit seiner Einschätzung daneben gelegen hätte - aber er behielt Recht. Das deutsche Frauenfußball-Nationalteam hat auf den letzten Metern Richtung Podium seine beste Leistung im Turnier gezeigt und steht nach einem 2:0 (1:0)-Sieg gegen Kanada zum ersten Mal im Finale der Olympischen Spiele. "Das ist der Wahnsinn. Wir sind so froh. Das Maracanã war immer unser Ziel. Es ist ein tolles Gefühl", sagte Bundestrainerin Silvia Neid. "Die Spielerinnen haben alles gegeben. Der Sieg war total verdient, und wir freuen uns, dass wir jetzt nach Rio dürfen."

Im Stadion von Belo Horizonte, dem Ort des 7:1-Sieges der Männer über Brasilien bei der WM vor zwei Jahren, kontrollierte die DFB-Auswahl das Spiel von Beginn an und agierte weniger ängstlich als zuvor - auch die bislang wackelige Abwehr war sicherer. Nach der ersten Chance für Kanada erzielte Melanie Behringer mit einem verwandelten Foulelfmeter - ihrem fünften Turniertreffer - die Führung in der 21. Minute. Kurz vor der Pause hatte Kadeisha Buchanan per Kopf noch die Chance auf den Ausgleich, Tabea Kemme klärte jedoch auf der Linie (45.). Nach der Pause drängte Kanada weiter nach vorne, kam aber gegen die souveräne deutsche Mannschaft kaum zu Chancen. Stattdessen war es Sara Däbritz, die mit einem Haken ihre Gegnerinnen umspielte und dann aus 18 Metern ins Eck traf. Kanada war einem Tor durch Christine Sinclair (67.) und Diana Matheson (77.) gefährlich nahe, Almuth Schult aber verhinderte den drohenden Anschlusstreffer. Am Ende versuchte auch die kanadische Torfrau Stephanie Labbé im Strafraum zu treffen - doch auch das half gegen den zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameister nicht.

"Wir haben vor dem Spiel gesagt: Wenn ihr nicht mehr laufen könnt, denkt ans Maracanã", sagte Neid nach dem erreichten Finale. Nach Bronze 2000 in Sydney, 2004 in Athen und 2008 in Peking kann ihre Mannschaft in Rio erstmals Gold gewinnen. Im Endspiel trifft die DFB-Auswahl am Freitag (21 Uhr, MESZ) auf Schweden, das sich im Elfmeterschießen gegen Brasilien 4:3 durchsetzen konnte und nach den USA den zweiten Topfavoriten aus dem Turnier geworfen hat; damit bleibt die fünfmalige Weltfußballerin Marta weiterhin ohne großen Titel mit der Seleção. Neid hat viel Respekt vor den Schwedinnen: "Sie machen das sehr gut, stehen sehr kompakt und sind total gefährlich mit Kontern."

Dass die deutschen Männer im Maracanã Weltmeister wurden, wertete Stürmerin Alexandra Popp (im Bild bei einem Kopfballversuch) als gutes Omen. Saskia Bartusiak sagte: "Sportdirektor Hansi Flick hat uns erzählt, dass der Ort unter einem guten Stern steht." Sollte seine Einschätzung so gut sein wie die Prognose von John Herdman, wird Neid einen schönen Abschied bekommen.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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