Fußball-Bundesliga:Kraftpaket mit Spaghettibeinen

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Ein Anti-Ailton, der trotzdem Spaß macht: Stürmer Demba Ba ist eines der Postergesichter des Hoffenheimer Aufstiegs. Sein Spiel ist geprägt von gegensätzlichen Fähigkeiten.

Moritz Kielbassa

Demba Ba hat eine aufregende Statur. Allein seine Maße klingen imposant: 1,90 Meter, 84 Kilo, Schuhgröße 45 1/2. Der Stürmer von 1899 Hoffenheim ist ein Kraftpaket, er versteht es, seinen Körper einzusetzen, sich im Zweikampf robust zwischen Ball und Gegner zu klemmen. Unterhalb der Taille jedoch trägt Ba Spaghettibeine spazieren, und diese dünnen Batterien erzeugen eine explosive Schnelligkeit, bei kurzen Antritten und auch auf langen Sprintwegen.

Energisch, drahtig und doch geschmeidig: Hoffenheims Stürmer Demba Ba stellt die Verteidiger der Bundesliga vor gehörige Probleme. (Foto: Foto: dpa)

Ba vereint, was moderne Fußballstürmer auszeichnet, viele Gegensatzpaare: Leichtigkeit und Wucht, Masse und Beschleunigung, Physis und Eleganz, Brecheisen und Kreativität. Anatomisch ist Ba eine Art Kreuzung aus Gazelle und Schrank. Seriöser formuliert es sein Trainer Ralf Rangnick: "Demba ist ein eher feingliedriger Typ, aber es steckt viel Power dahinter."

Spitzenspiel gegen den HSV

Ba, 23, ist eines der Postergesichter des Hoffenheimer Herbstglücks. Er ist, wie der ganze Verein, ein Abenteurer auf Entdeckungsreise, der den Fans Freude macht - und: den bis vor kurzem kein Mensch kannte. Mit fünf Toren und konstanten Leistungen hat Ba dazu beigetragen, dass sein nordbadischer Arbeitgeber am Sonntag gegen den Hamburger SV - Vorsicht, ernst! - um die Bundesliga-Tabellenführung kämpft. Der Sohn senegalesischer Emigranten, 1985 in Sèvres, Frankreich, geboren, hat bisher ausschließlich in der Provinz gespielt, er hat auch nie die Jugendakademie eines größeren Klubs besucht.

Ba's Stationen hießen: Frileuse, Montrouge, Watford, Rouen - und Mouscron. Dort, in einer Kleinstadt im wallonischen Belgien, haben ihn Hoffenheims Späher entdeckt, in deren Beuteschema Ba ideal passte: jung, namenlos, begabt und ausbaufähig. Ende 2006 hatte Christian Möckel, früher Profi in Nürnberg und nun einer der festangestellten Hoffenheimer Scouts, den Stürmer Ba beim Erstligisten Excelsior Mouscron aufgespürt. Nach längerer Anbahnungsphase klappte der Transfer im August 2007, für 2,75 Millionen Euro, als Hoffenheim nach einem Kaltstart in die zweite Liga mit einer Transferoffensive sein heutiges Erfolgsgerüst schuf.

Alle Nobodys, die damals kamen, wurden Leistungsträger, über die das Land spricht und die gerade rasant ihren Marktwert steigern: der Angreifer Obasi (von Lyn Oslo), die brasilianischen Mittelfeld-Lenker Luiz Gustavo und Carlos Eduardo - und Ba, dessen "Zielstrebigkeit" Manager Jan Schindelmeiser "überzeugt hatte, obwohl die Verpflichtung riskant war". 2006 hatte Ba einen Schien- und Wadenbeinbruch erlitten, eine Beule als Wundmal ist geblieben, zwölf Monate fiel er aus. Noch heute machen Hoffenheims Physiotherapeuten mit Ba Übungen zur Muskelstabilisation, um "Dysbalancen auszugleichen" (Rangnick).

Das Bundesliga-Publikum sah bisher nichts von diesem Handicap: Anfangs ergänzte sich Ba - nach zwölf Toren im Zweitliga-Aufstiegsjahr - bestens mit Vedad Ibisevic, dem aktuell besten Torjäger der Liga (neun Treffer). Seit der Nigerianer Chinedu Obasi von Olympia heimgekehrt ist, hat Hoffenheim vom Tandem Ba/Ibisevic auf ein Sturmtriumvirat umgestellt: Ba und Obasi (alter Künstlername: Edu) rochieren nach Anlaufschwierigkeiten inzwischen quirlig um den oft als Speerspitze verankerten Ibisevic (Rufname: Vedo) herum. Und so rocken diese drei spritzigen Achtzylinder aus Rangnicks Garage nun den Edudembavedo-Sound. Der Liedtext besteht aus einem Wort: Tore. Vier gegen Dortmund, vier in Bremen, fünf in Hannover usw.

Spektakelfußball und aggressives Pressing

21 Hoffenheimer Treffer sind die zweitbeste Ligaquote hinter Bremen (22). Wobei Rangnick Wert darauf legt, dass "alle drei Stürmer auch Störspieler sind", die seine Spielidee kapiert haben: Dass Spektakelfußball zwingend auf kollektiv organisierter Fleißarbeit beruht. Auch Ba schaltet bei Ballverlust ohne Lamentierpause auf aggressives Pressing um: "Er setzt hartnäckig nach und klinkt sich fast nie aus", lobt sein Trainer. Ein Anti-Ailton ist Ba, ein Gegenentwurf zu Rangnicks eigensinnigem Sorgenkind einst in Schalke.

Ba wuchs in Pariser Vorstädten auf, mit acht Geschwistern, das schärft den Sozialsinn. Auch als Fußballer wurde Ba kein egomanischer Narziss, wie viele Torjäger, sondern ein Teamplayer. "Er ist kein Ja-Sager, aber immer offen und freundlich", erzählt Rangnick, "man muss ihn einfach mögen, er ist ein geiler Typ." Afrikanische Lebensfreude lugt hervor, obwohl der Kosmopolit und Moslem Ba eher die "französische Mentalität hat, deshalb hatte er auch nicht so viele Anpassungsprobleme", sagt Rangnick.

Nie in einer Jugendakademie

Der Nationaltrainer Senegals ignorierte Ba (fünf Länderspiele) zuletzt. Scouts aus Europa sind offenbar interessierter, sogar Chelsea und Manchester United lassen alle Hoffenheimer Senkrechtstarter bereits beobachten. Bei Ba (Vertrag bis 2011) sehen sie neben furioser Athletik ein gutes, aber nicht brillantes Kopfballspiel, das Ba immerhin als Zielspieler für weite Torwartabschläge und lange Bälle eignet. Und trotz aller Rasse und Raffinesse ist Ba's Technik nicht tadellos: Ballan- und Mitnahme unter Bedrängnis, präzise Torschüsse, sein linker Fuß - hier sieht Rangnick "Luft nach oben".

Ba ist ein Beispiel für den feinen Unterschied zwischen angeborenem Ballgefühl und beigebrachter Grundtechnik. Ihm fehlt womöglich die Hochbegabtenförderung einer modernen Talentschmiede. Andererseits lebt sein Spiel von einer Anarchie jenseits dressierter Automatismen: In Jugendleistungszentren "wird man perfekt geschult", erzählte Ba kürzlich im Kicker, "aber Individualität und Instinkt bleiben auf der Strecke. Ribèry war auch nie dort."

© SZ vom 25.10.2008/JBe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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