Fußball Bundesliga:Im kleinen Loch

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Nur 1:1 in Hannover: Werder Bremen versucht, mit seiner derzeitigen Rolle im Mittelmaß umzugehen und ist erst einmal froh über eine halbwegs sichere Abwehr.

Jörg Marwedel

So wenige Treffer hat es schon seit drei Jahren nicht mehr gegeben, wenn Hannover 96 gegen Werder Bremen angetreten ist. Gegen das Team also, das sowohl vorn wie hinten in dieser Saison die meisten Tore aller Bundesligaklubs verzeichnet und im vergangenen Jahr in der hannoverschen Arena 3:4 unterlag (und sich mit einem 6:1 zu Hause revanchierte). Glaubt man Werders Trainer Thomas Schaaf, war das nur Zufall. "Es wäre wieder möglich gewesen, dass viele Tore fallen", sagte er. Und sein 96-Kollege Dieter Hecking ergänzte, "dass heute die Torhüter ihr Geld verdient haben". Sie sorgten dafür, dass die Partie 1:1 (1:1) endete.

Die Bremer Verteidigung zeigte sich in Hannover verbessert, doch nun drohen neue Probleme im Mittelfeld. (Foto: Foto: AP)

Es waren tatsächlich zu einem guten Teil die Ersatzkeeper Christian Vander (Werder) und Florian Fromlowitz (96), die verhinderten, dass es ein weiteres Torfestival gab. Fromlowitz war nach seinem ersten Spiel für Hannover, dem 2:5 gegen Hoffenheim in der vergangenen Woche, "von vielen schon in die Tonne getreten worden", wie Hecking es ausdrückte und dabei recht böse guckte. Manche hätten dem Vertreter des Nationaltorwarts Robert Enke "psychische Probleme angedichtet", erwähnte Ersatzkapitän Hanno Balitsch. Um so mehr "Hochachtung" habe er nun davor, wie der 22-Jährige die heikle Situation überstanden hat.

Starke Partie von Fromlowitz

Selbst die Laserblitze aus dem Werder-Fanblock brachten ihn nicht aus der Ruhe. Zweimal gewann der gegen Hoffenheim unsichere U21-Torhüter in der zweiten Halbzeit den direkten Zweikampf gegen Mesut Özil (58.) und Markus Rosenberg (72.). Nur gegen Hugo Almeidas Schuss aus 16 Metern (41.) zum 1:1 konnte er nichts ausrichten. Später erklärte er seine schwierigste Woche so: "Letzte Woche war ich der einsamste Mann der Welt", nun aber sei er "in der Bundesliga angekommen".

Wo die Bremer ankommen, ist indessen noch ungewiss. "Wir haben sicher gestanden", urteilte Schaaf, deshalb wolle er "nicht zuviel meckern". Dieses bescheidene Lob entsprach nicht dem Anspruch eines Titelkandidaten. Es hätte eher eine Würdigung für ein Mittelklasseteam wie Hannover 96 sein können. Torsten Frings strich heraus, man habe immerhin "bis zum Umfallen gekämpft". Und Geschäftsführer Klaus Allofs hob hervor, dass man ohne die Achse Wiese, Mertesacker, Diego, Pizarro (verletzt und gesperrt) nach einem Rückstand durch den früheren Bremer Christian Schulz (9.) "nicht verloren habe".

Schulz, der sich "beim Jubeln zusammenriss" (er jubelte, wie es neuerdings üblich ist, gar nicht "aus Respekt" vor dem Klub, für den er zwölf Jahre lang spielte) und einmal dem am Boden liegenden früheren Mitspieler Frank Baumann über den Kopf streichelte, machte seinem Lieblingsverein Mut: Bremen werde "das kleine Loch" bald verlassen. Werder-Boss Jürgen L. Born aber zeigte nach dem vierten sieglosen Pflichtspiel, wie schwer es dem Vorstand fällt, mit der neuen Situation als Mittelmaß-Vertreter umzugehen. Es fehle "die Explosion", grantelte der frühere Bankmanager. Ganz oben müsse man "besser sein. Da muss man irgendwann den Hebel umlegen".

Diego schmerzlich vermisst

Born versuchte zudem, diese "Unzufriedenheit" (Allofs) genauer zu beleuchten. Zum einen sei "das Mittelfeld unser Prunkstück" gewesen, nun aber passe es nicht mehr perfekt. Das habe auch damit zu tun, dass Diego jetzt wohl den Preis zahle für die Einsätze bei Olympia in Peking und für die brasilianische Nationalelf. Zuletzt spielte Diego für seine Verhältnisse wirklich schlecht, nun kommen wegen der Belastungen Verletzungen hinzu, wie etwa die Muskelverhärtung, die seinen Einsatz in Hannover verhinderte. Zudem glaubt Born, dass sich Werder derzeit im Umbruch befinde. "Im vorigen Jahr dominierten die alten Herren", nun aber kämen die Jüngeren nach. Das bedeute eben, dass man "ein paar Federn lässt", bis sich alles eingespielt habe.

Es könnte aber auch so sein, dass außer der Ausnahmebegabung Mesut Özil die anderen Talente wie Sebastian Boenisch, Sebastian Prödl, Duso Tosic, Martin Harnik oder Aaron Hunt vielleicht nicht die Klasse entwickeln können wie einst Frings, Baumann, Daniel Jensen oder Ivan Klasnic. "Wir kommen nicht richtig von der Stelle", hat Geschäftsführer Allofs erneut auch in Hannover gesagt. Umso wichtiger sei es, am Dienstag das Heimspiel gegen Bayer Leverkusen zu gewinnen. "Ein Sieg", befand Allofs wenig überraschend, "würde unsere Situation sehr verbessern." Und außerdem: Man könne ja "das Siegen nicht endlos verschieben".

© SZ vom 27.10.2008/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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