Fußball-Bundesliga:Der Preis des Erfolgs

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Neunter gegen Zehnter: Der teure Versuch, auf internationaler Bühne weiter voranzukommen, hat die Bundesligisten Schalke 04 und Werder Bremen in eine nationale Krise getrieben.

Christof Kneer

Vor vier, vor drei, vielleicht auch noch vor zwei Jahren hätte so ein Transfer die Bundesliga in Angst und Schrecken versetzt. Es gab ja kein Szenario, von dem sich die Liga mehr bedroht fühlte, als von jenem: wenn Werder Bremen abseits des lauten Transfergetöses im Kleingedruckten einen Spieler verpflichtete, dessen Namen man noch nie oder schon lange nicht mehr gehört hatte.

Bremer Führungsduo Schaaf (links), Allofs: Schwer geschlagene Verlierer der Hinrunde (Foto: Foto: Getty)

Wenn eine Geschichte so begann, konnte sich die Branche meist schon denken, wie sie weiterging: War der Spieler mit dem unbekannten Namen zufällig Stürmer, dann brauchte er drei, vier Spiele, um aus dem Kleingedruckten direkt in die dicken Schlagzeilen überzuwechseln, und irgendwann wechselte er zum FC Bayern. Oder: zu Schalke 04.

Aber es wäre vielleicht doch etwas unfair, von Marko Futacs, 18, in absehbarer Zeit die dicken Schlagzeilen zu erwarten. Er ist noch nicht so weit, wie das im Fußballerdeutsch heißt, er ist eher eine Option für eine Zukunft, von der noch völlig unklar ist, wann sie beginnt. "Die Situation war gerade günstig, deshalb haben wir schnell zugegriffen", sagt Werder Bremens Manager Klaus Allofs über den ungarischen Stürmer, den er in der Nachwuchself von AS Nancy aufgespürt hat.

Ernst taugt zur Symbolfigur

Auch Besiktas Istanbul hat schnell zugegriffen, als vor wenigen Tagen auf einmal der Schalker Fabian Ernst zu haben war. Die Leistungen des Mittelfeldspielers, den die Schalker einst den Bremern ausspannten, hatten sich zuletzt wieder ans Kleingedruckte angenähert, womit er der Liga immerhin einen letzten Dienst erwiesen hat: Er taugt jetzt zur Symbolfigur für seine beiden Ex-Klubs, die zurzeit keiner mehr fürchtet - für die ehemaligen Spitzenteams Schalke 04 und Werder Bremen, die so oft politisch aufgeladene Duelle ausfochten, weil die Schalker den Bremern meistens gerade einen Spieler entwendet hatten (manchmal, siehe Mesut Özil, war es auch umgekehrt).

An diesem 19. Spieltag aber begegnen sich zwei schwer geschlagene Verlierer der Vorrunde, die sich, womöglich aus Gründen der Solidarität, auch im ersten Rückrundenspiel mit Niederlagen blamiert haben. Schalke gegen Bremen: Das ist jetzt das Spiel des Neunten gegen den Zehnten.

"Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ich bin immer noch der Meinung, dass das eigentlich ein Spitzenspiel ist", sagt Klaus Allofs. Er hat den Tabellenplatz schon mitbekommen, aber er nimmt sich die Freiheit, das einfach mal zu sagen. Allofs findet, dass sich eine Elf, in der Diego, Pizarro, Mertesacker und Özil spielen, theoretisch Spitzenelf nennen darf - in der Praxis aber ist er nicht so vermessen, gleich wieder Spitzenfußball zu erwarten, zumal die gesperrten Diego und Pizarro immer noch ihre Tätlichkeiten abbüßen.

Schalke gegen Werder - im Februar 2009 steht dieses Spiel Modell für eine Erkenntnis, die dem FC Bayern nur recht sein kann. Es war der erklärte Anspruch beider Teams, den historisch gewachsenen Vorsprung der Münchner schrumpfen zu lassen, aber nun haben beide Klubs jene Schwelle erreicht, an der Luxus zum Problem werden kann.

Zwei Klubs, ein Strukturproblem

Oberflächlich betrachtet plagen sie völlig unterschiedliche Sorgen; die einen (Bremen) haben vorne Potential und hinten Lücken, bei den anderen (Schalke) ist es genau umgekehrt (sie haben hinten Potential und vorne Kuranyi); die einen (Bremen) haben seit etwa 100 Jahren denselben Trainer, die anderen (Schalke) haben in einem Jahr etwa 100 Trainer. Aber unter der Oberfläche laborieren beide Klubs am selben Strukturproblem: Sie zahlen jetzt den Preis des Erfolgs - und zwar im wörtlichen Sinne.

"Je höher man steigt, desto größer werden die Herausforderungen", sagt Allofs. Wer sich (wie Bremen) fünfmal in Serie für die Champions League qualifiziert oder (wie Schalke) das Viertelfinale erreicht hat, gerät langsam in Regionen, die ohne Atemmaske nur noch schwer zu meistern sind. Wer noch höher will, der braucht Spieler, die ein deutscher Klub, der nicht zufällig FC Bayern heißt, weder in der Anschaffung noch im Unterhalt bezahlen kann. Und unter dem Druck, die Teams dennoch verstärken zu müssen, haben sich sowohl die zertifizierten Transferexperten aus Bremen als auch die ohnehin pannenbegabten Schalker zur ein oder anderen unbedachten Personalentscheidung zwingen lassen.

"Auf diesem Niveau musst du das Risiko eingehen, auch mal falsch zu liegen", sagt Allofs, "es hilft ja nichts zu sagen: Wir holen jetzt nur noch ablösefreie Spieler." Auf diese Weise haben die Bremer nicht nur (zu) viel Geld für Spieler wie Tosic (knapp drei Millionen), Boenisch (3,5) oder Sanogo (5) ausgegeben - der Sündenfall waren die acht Millionen für den schrillen, längst weiterverliehenen Carlos Alberto, während den Schalker für knapp sechs Millionen der Holländer Orlando Engelaar unterlief, der weltweit einzige Fußballer, der in seinem Laufstil Elemente von Elefant, Giraffe und Storch harmonisch vereint.

Vermintes Gelände

Das Schicksal der Bremer und Schalker lenkt den Blick in eine Ecke des Transfermarkts, die unter Fußballmanagern als vermintes Gelände gilt. Berüchtigt ist jenes Preissegment, das bei fünf Millionen Euro Ablöse beginnt und bei zehn Millionen endet - dummerweise genau jenes Segment, in dem sich ambitionierte deutsche Klubs, die nicht zufällig der FC Bayern sind, zwingend bedienen müssen.

Dieses Preissegment lädt zu riskanten Transaktionen und auch zu Fehlern förmlich ein, wie auch der VfB Stuttgart (Ciprian Marica/acht Millionen) und der HSV (Thiago Neves/sieben Millionen) schon feststellen mussten. Dieses Segment gilt als doppelt gefährlich: Einerseits ist man beim Shoppen von unzähligen Rivalen umstellt, "weil sich viel mehr Klubs als früher in diesem Bereich tummeln", wie Allofs festgestellt hat. "In Osteuropa wird mit hohem Summen hantiert, und in der Bundesliga sind Hoffenheim und Wolfsburg schwer auf der Überholspur."

Andererseits ist selbst in diesem Preissektor keinerlei Krachergarantie mehr inbegriffen. "Spieler, die kürzlich drei, vier Millionen wert waren, kosten heute sieben oder acht", weiß Allofs. Merke: Es kann immer mal ein Alberto oder Engelaar dabei sein.

So ist bei beiden Teams inzwischen eine gewisse Unwucht in die Kader gefahren, aber wenigstens haben beide am Wochenende keine allzu schweren Gegner. Die einen spielen gegen Schalke, die anderen gegen Bremen.

© SZ vom 07.02.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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