Fußball-Bundesliga:April, April

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Der FC Bayern kassiert in Leipzig die erste Niederlage seit November 2017 - und nimmt sie erstaunlich entspannt zur Kenntnis. Das 1:2 könnte dabei helfen, die Sinne für die wichtigen Aufgaben zu schärfen.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Es war dann doch noch möglich, nach dem 1:2 bei RB Leipzig so etwas wie Gereiztheit in der bayerischen Expedition zu entdecken; dem Stürmer Sandro Wagner sei Dank. Auch er hatte ja eigentlich zu denen gehört, die die erste Niederlage seit dem 25. November (1:2 gegen Mönchengladbach) unter der Rubrik "Kein Beinbruch!" einordneten. Alle taten das, fast konnte man meinen, in der Kabine sei eine Sprachregelung vereinbart worden. Auch dass die Meisterfeier, von der vorher so viel die Rede gewesen war, um mindestens zwei Wochen verschoben wurde, "ist doch eigentlich wurscht", dozierte Wagner.

Dann aber tat er doch noch eine Sicht auf die 90 Minuten von Leipzig kund, in der eine bemerkenswerte Garstigkeit mitschwang.

"Wir wussten, dass sie nicht Fußball spielen wollen", brummte Wagner, als ob die 90 Minuten von Leipzig genau das bestätigt hatten. "Wenn man sich mit Fußball auskennt, kann man das Spiel auch gut analysieren", befand Wagner noch, ehe er den Fußball der Leipziger darauf reduzierte, die Bälle nach vorn zu knallen "und dann auf die zweiten Bälle gehen" - wobei der Mittelstürmer immerhin betonte, dass das eine "Riesenstärke" der Leipziger sei.

Nun: Man muss den RB-Ansatz nicht für so komplex, barock und polyphon halten wie Kompositionen des früheren Leipziger Kantors Johann Sebastian Bach, dessen stilisiertes Konterfei, passend zur bourgeoisen Fanszene in Leipzig, wieder ein Banner im Fanblock schmückte. Harmonisch aber war das, was die Leipziger boten, allemal. Und erfrischend neu obendrein.

Erstmals hatte Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl sein Team in einer 3-4-3-Formation auflaufen lassen; ein einziges Mal, rund 24 Stunden vor der Begegnung mit den Bayern, hatte er sie mit seinem Team einstudiert. Dass er improvisieren ließ, hatte viel damit zu tun, dass man mit dem althergebrachten Libretto in Liga und Pokal erfolglos geblieben war. "Wir wollten noch mutiger sein, noch weiter vorne Druck erzeugen", sagte Hasenhüttl, der es deshalb auch wagte, den eigentlich ausschließlich offensiv beseelten Portugiesen Bruma auf der linken Außenbahn vornehmlich zu Defensivaufgaben zu zwingen.

Bruma erledigte das so überzeugend, dass ihm Sportdirektor Ralf Rangnick im Kabinengang besonders herzlich die Wange tätschelte, weil im Lichte des Gesamtresultats längst vergessen war, dass Bruma sich einen Patzer leistete: Er war nicht rasch genug auf seiner Position, als Thomas Müller den Kolumbianer James anspielte, der dann einen traumhaften Flankenball auf den Kopf von Wagner pflanzte und somit das 1:0 vorbereitete (12. Minute).

Vergessen war dies, weil auch Bruma seinen Teil dazu beitrug, die Bayern am Revers zu packen und durchzuschütteln, bis der Rückstand gedreht war. Erst traf der großartige Naby Keita (37.), dann schloss Timo Werner einen grandios temperierten Keita-Pass (53.) explosiv und präzise ins Tor. Werner hatte erst auf der Bank Platz genommen, musste dann aber nach zehn Minuten schon aufs Feld, weil Marcel Sabitzer, wie am Montag diagnostiziert wurde, einen Bänderriss im rechten Sprunggelenk erlitten hatte. Später musste Werner selbst vom Platz, der Oberschenkel zwickte. Und zwischendrin begab er sich an die Außenlinie, weil nach vier Vollsprints in Serie "der Mann mit dem Hammer kam", wie es Hasenhüttl formulierte, als er berichtete, dass Werner keine Luft mehr bekam.

Werner stand damit sinnbildlich dafür, dass den Leipzigern nach "70 Minuten Vollgas-Pressing" (RB-Kapitän Diego Demme) die Luft ausging, worauf die Bayern eine Dominanz entwickeln konnten, die gut in ein Ausgleichstor hätte münden können. Beim Handspiel, das Stefan Ilsanker in der Schlussphase im Strafraum beging, hätte überdies die Hälfte der Bundesliga-Referees wohl auf Elfmeter entschieden. Schiedsrichter Fritz tat es nach Ansicht der Videobilder aber nicht, was Heynckes "hervorragend" nannte. "Der Leipziger Spieler hat den Ball nicht richtig getroffen und er ist unabsichtlich an die Hand gegangen."

Das war ein Akt der Fairness, in dieser Milde vielleicht aber auch dem Umstand geschuldet, dass Heynckes die Niederlage gar nicht so ungelegen kommen dürfte - was auch seine Rotationsaufstellung (mit Robert Lewandowski auf der Bank) ausstrahlte. Der Fokus ist längst auf den April gerichtet; in der Champions League stehen die Viertelfinal-Duelle mit dem FC Sevilla (3., 11. April) an, im DFB-Pokal das Halbfinale, bei dem der FC Bayern nach Leverkusen (17.4.) reisen muss. Da war es die Hauptsache, dass die Belegschaft verletzungsfrei aus Leipzig abreisen - und ihre Sinne schärfen konnte. Mats Hummels etwa meinte, dass RB mit seiner Euphorie und Laufstärke den Bayern "ein gutes Beispiel" dafür geliefert habe, "wie das Spiel in Sevilla laufen könnte". Und Heynckes wird noch mal daran erinnern können, was geschieht, wenn man defensiv schlampt und zu viele Lücken im Mittelfeld aufweist. "Da kann man gegen eine solche Mannschaft nicht gewinnen", sagte er.

Und dass die Meisterfeier jetzt nur dann am Ostersamstag steigen kann, wenn man daheim Borussia Dortmund besiegt und Schalke 04 gleichzeitig patzt? Ja mei. Die Duelle gegen Sevilla und Leverkusen sind eh' keine Termine, bei denen man noch Gerstensaft ausdampfen sollte.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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