FSV Mainz 05 - TSG Hoffenheim (17.30 Uhr):Mit Riesenschritten

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Lockrufe aus England: Niklas Süle wird von Vereinen aus der Premier League umworben. (Foto: Nordphoto/imago)

Noch vor kurzem ein Insidertipp, ist der Hoffenheimer Verteidiger Niklas Süle seit den Olympischen Spielen ein international begehrtes Talent. Seinem Klub könnte er bald viel Geld einbringen.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Die Anekdote mit dem Anruf des Bundestrainers an der Tankstelle hat Niklas Süle dieser Tage um eine kleine Pointe erweitert. Es stimme schon, dass ihm fast der Zapfhahn aus der Hand gefallen sei, als Joachim Löw ihn zu seinem ersten Länderspiel gegen Finnland eingeladen habe, erzählt Süle. Aber da er das Gespräch mit dem ersten Trainer im Land nicht an der Tankstelle habe führen wollen, habe er diesem gesagt, in zehn Minuten passe es besser. "Passt es jetzt?", habe Löw schließlich später gefragt. Es passte.

Es sind aufregende Zeiten für Niklas Süle, der vergangenen Sonntag erst 21 Jahre jung geworden ist. Vor sechs Wochen noch saß der Innenverteidiger während des Trainingslagers der TSG Hoffenheim im österreichischen Bad Härting in der Sofaecke eines Hotels und erzählte, wie sehr er sich auf die Olympischen Spiele mit der Auswahl des DFB in Rio freue. Dort spielte er so gut, dass er heute gefragt wird, ob nun das verlorene olympische Finale gegen Gastgeber Brasilien im Maracanã das eindrucksvollere Erlebnis gewesen sei oder sein Debüt in der A-Nationalmannschaft vor zehn Tagen gegen Finnland in Mönchengladbach. Beides seien Erfahrungen, von denen er seinen Kindern erzählen werde, antwortet Süle. Er favorisiert aber die Nacht im Maracanã ein klein wenig.

In Rio gewann er so gut wie jeden Zweikampf

Plötzlich will alle Welt ganz genau wissen, wer dieser 1,94 Meter große Athlet ist, der in Rio fast jeden Zweikampf für Deutschland gewann. Fast könnte der Eindruck entstehen, er sei wie aus dem Nichts gekommen. Für Branchenkenner aber gilt der Hoffenheimer Verteidiger neben dem Leverkusener Jonathan Tah schon lange als logischer Nachfolgekandidat für Mats Hummels und Jérôme Boateng, das amtierende Innenverteidiger-Duo des Nationalteams. Diesen Sonntag beim FSV Mainz 05 spielt er schon zum 75. Mal in der Bundesliga, obwohl er vor zwei Jahren mal ein halbes Jahr wegen einer Kreuzbandverletzung pausieren musste.

Seit zwei Transferperioden wird das Interesse der Top-Klubs immer größer, zuletzt meldeten sich Liverpool und Chelsea, die Londoner boten nach den Olympischen Spielen 30 Millionen Euro Ablösesumme, aber Süle hielt Wort und blieb in Hoffenheim. Schon Ende der vergangenen Runde habe er mit seinem Berater Karl-Heinz-Förster entschieden, "in gewohnter Umgebung den nächsten Schritt zu machen", erzählt er. In Hoffenheim glaubt er an Erfolge, weil sein ehemaliger Jugend- und aktueller Cheftrainer Julian Nagelsmann die Situation nach einer vermaledeiten vergangenen Hinrunde komplett geändert hat. Süle sagt selbstbewusst: "Wäre ich davon ausgegangen, dass wir noch einmal so eine Saison wie die letzte spielen, wäre ich nicht geblieben."

Süle steht nun als Nationalspieler noch mehr im Fokus. Die Bild-Zeitung bekam Einblicke in Familienalben, die den ganz, ganz jungen Niklas in seiner hessischen Heimat Walldorf zeigen. Schon seit der C-Jugend spielt er in Hoffenheim, wo er zu einem modernen Innenverteidiger ausgebildet wurde, der schnell genug ist, dass ihm kein Stürmer meilenweit davonläuft und robust genug, sich die Bälle zu erobern. Süle grätscht selten, auch taktisch und im Passspiel ist er gut. In Hoffenheim ist er erster Innenverteidiger, ob in einer Vierer- oder Dreierabwehrkette.

Ein Kreuzbandriss prägt ihn früh in der Karriere

Dem plötzlichen Hype begegnet Süle mit Humor: "Schließlich", sagt er, "habe ich schon mit 19 mein Comeback gefeiert." Die unfreiwillige Auszeit nach dem Kreuzbandriss hat ihm früh vor Augen geführt, wie schnell so eine Sportlerlaufbahn vorbei sein kann. Seitdem lebt er professioneller und verzichtet auf Fast-Food. Früher kam er schon mal mit fünf Kilogramm Übergewicht aus dem Urlaub.

Süle ist der erste Profi, der aus der Hoffenheimer Jugend den Sprung in den Nationalmannschaftskader geschafft hat. Die Talentförderung soll die tragende Säule bei der von Dietmar Hopp geforderten Eigenfinanzierung der TSG werden. Aktuell stehen acht eigene Talente im Profikader - und in Süle, Jeremy Toljan, Nadiem Amiri und Phillip Ochs Spieler, die schon bald hohe Transfererlöse generieren könnten. Niklas Süle sagt dazu: "Dass ich der erste bei der TSG ausgebildete Nationalspieler bin, ist eine tolle Sache für Hoffenheim - und noch toller für mich."

© SZ vom 11.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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