French Open:Zebra auf dünnen Beinen

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Fragezeichen: Alexander Zverev, hier auf Sand bei den French Open, hat noch nicht verlauten lassen, ob ihm der Belag auch gegen Polen genehm ist. (Foto: Alastair Grant/AP)

Alexander Zverev scheitert trotz einer couragierten Leistung als letzter Deutscher in Paris. Der schmächtige 19-Jährige weiß, woran er als nächstes arbeiten muss: an seiner Physis.

Von Philipp Schneider, Paris

Natürlich hat Andrea Petkovic auch dieses Turnier nachhaltig inspiriert, obwohl sie ja frühzeitig abreisen musste aus dem schönen Paris. Andrea Petkovic hat diesen French Open eine schöne Stilkritik geschenkt, an die sich am Samstag wieder einige Beobachter erinnert haben, als sich erstmals zwei Tennisspieler in merkwürdig schwarz-weiß geringelten Tennisklammotten auf dem roten Sand des Stadions Suzanne Lenglen gegenüberstanden. "Ich finde das Zebra...", hatte Petkovic angesetzt und dann eine längere Kunstpause folgen lassen, in der sie zunächst viele Dinge nicht aussprach, an die sie gerade dachte. Sie finde das Zebra, sagte Petkovic, "ganz okay".

Dazu muss einer wissen, dass Petkovic anders etwa als ihre Fed-Cup-Kollegin Angelique Kerber und die Französin Kristina Mladenovic in Paris nicht zum Kreis jener Spielerinnen und Spieler gehörte, die von einem Hersteller und Sponsor in Paris in ein Outfit gesteckt wurden, in dem sich auch Szenen aus der afrikanischen Savanne nachspielen ließen. Für Petkovic kein Grund zur Trauer. Sie hätte das immerhin ganz okaye Zebra erst umgeschneidert: "Sagen wir so", sagte sie: "Die Hosenträger-Applikationen hätte ich zum Beispiel weggelassen. Und wenn man Streifen macht, dann muss man ganz eng schneidern. Weil Streifen optisch größer machen. Ganz eng! Und nicht noch irgendwelche Flattersachen machen."

Künftig will Zverev enger an die Grundlinie

Nun hatte Petkovic, als sie diese schöne Modekritik erdachte, sicher nicht das Drittrunden-Match zwischen dem 19-jährigen Alexander Zverev und dem drei Jahre älteren Dominic Thiem auf dem Schirm. Zverev steht das Zebra nämlich ganz gut, gerade weil es breiter macht. Trüge er das Zebra nicht, müsste sich einer sorgen, dass eine leichte Windböe genügte, um Zverev zu packen, nach oben zu wehen und aus dem Stadion Suzanne Lenglen zu blasen. Nachdem Zverev am Samstag mit einem 7:6 (4), 3:6, 3:6, 3:6 in der dritten Runde als letzter Deutscher aus dem Turnier ausgeschieden war, wurde er gefragt, was er künftig verbessern wolle in seinem Spiel. "Vor allem meine Physis", antwortete er.

Zverev hat diese Schwachstelle schon vor längerer Zeit erkannt, seither lässt er sich von Fitnessguru Jez Green betreuen, der schon für Andy Murray arbeitete. Außerdem wolle er künftig enger an der Grundlinie stehen, um "aggressiver zu spielen während des ganzen Matches, was ich nicht immer mache".

In Zverevs Spielanlage finden sich kaum Schwächen. Und dass er nun zum dritten Mal innerhalb eines Monats gegen den Österreicher verlor (zuvor erst in München, dann im Finale von Nizza), zeigt vor allem, dass der ihm drei Jahre voraus ist. In gewisser Weise kann Zverev an der Entwicklung Thiems seine eigene Zukunft erkennen. Thiem ist mit 23 Siegen der erfolgreichste Spieler auf Sand in diesem Jahr. Er hat seinen drei Turniersiegen des Vorjahres seit Silvester drei weitere hinzugefügt. Momentan steht er auf Weltranglistenplatz 15, und sollte er nun in Paris sein Achtelfinale gegen den Spanier Marcel Granollers gewinnen, könnte das - nachdem am Samstag auch noch der Weltranglisten-7. Jo-Wilfried Tsonga in seinem Match gegen Ernests Gulbis verletzt aufgeben musste - schon genügen für einen erstmaligen Einzug in die Top10.

Sein Gegner Dominic Thiem lebt vor, wie man sich entwickeln kann

Auch bei Thiem war es so, dass er erst robuster werden musste, um die Weltspitze anzugreifen. "Die größte Entwicklungsschub, den ich im letzten Jahr gemacht habe, ist meine Physis", sagte er nun. "In dem Bereich gehöre ich jetzt auch zu den Besten, und das ist vor allem bei den Grand-Slam-Turnieren extrem wichtig."

Natürlich unterlag Zverev vor allem, weil Thiem die entscheidenden Punkte machte. Zverev nutzte nur einen von acht Breakbällen, der Österreicher fünf von 15. Thiem gelangen 44 Gewinnschläge, seinem Gegner nur 26. "Ich war zu passiv", kritisierte er sich selbst. Richtig mithalten konnte Zverev, dessen Aufschlag gegen Ende der Partie deutlich an Fahrt verlor, weil seine Kräfte schwanden, vor allem im ersten Satz, als er beim Stand von 5:5 auf imponierende Art sechs Breakbälle abwehrte. "Sascha ist ein großartiger Spieler. Den Unterschied hat heute wohl der Altersunterschied ausgemacht", sagte Thiem. Und auch Zverev konnte mit seinem Aus ganz gut leben. "Ich denke, dafür, dass ich zum ersten Mal bei den French Open bin, ist es ganz okay, dass ich in die dritte Runde eingezogen bin. Erst recht gegen einen Topspieler wie Dominic, der sehr, sehr, sehr, sehr gut auf Sand spielt."

Zuckersüßes Lob für Zverev von John McEnroe

Zverev und Thiem sind längst zum globalen Thema geworden. Selbst die New York Times widmete den beiden eine Geschichte zum Thema "Young stars rise in tennis" und entlockte John McEnroe eine zuckersüße Lobhudelei auf Zverev. Er sei der Beste in der Generation junger Spieler, sagte McEnroe, dicht gefolgt vom Australier Nick Kyrgios, dann erst von Thiem, dem Kroaten Borna Coric, den Amerikanern Frances Tiafoe und Taylor Fritz sowie dem Australier Thanasi Kokkinakis. Im Vergleich zum Rüpel Kyrgios (den McEnroe schon deshalb nicht unsympathisch findet, weil er selbst ein Meister der Tennisrüpelei war) sei Zverevs Potenzial "das größte. Er hat die bessere Technik und ist von seiner Geisteshaltung her auf lange Sicht ehrgeiziger."

Vor dem Match gegen seinen Kumpel Thiem meinte Zverev, es komme im Tennis nur darauf an, wie gut man sei, nicht, ob man erwachsen sei. Im Wesentlichen stimmt das natürlich. Aber ein bisschen kommt es halt auch darauf an, ob man so ein weit geschneidertes Flatterzebra irgendwann mal ausfüllen kann.

© SZ vom 29.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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