French Open:Passables Aus für die verdrehte Seele

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Kein Finaleinzug bei den French Open, dafür aber Rückkehr in die Top 20 der Weltrangliste: Andrea Petkovic braucht sich über ihr Ausscheiden nicht grämen. (Foto: AP)

Mühevoller Start, nervöser Abschluss: Andrea Petkovic verliert im Halbfinale mit 2:6, 6:7 gegen die Rumänin Simona Halep - darf sich aber über die Rückkehr in die Top 20 der Weltrangliste freuen. Anna-Lena Grönefeld gelingt ein besonderer Erfolg im Mixed.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Sie ist ja eine komplexe Person, ständig brütet und wütet es in ihr, weshalb sich Andrea Petkovic auch veranlasst sah, in Paris einen wunderschönen Satz zu sagen. "Ich würde gerne Freud anrufen und ihn fragen, was er über mich und meine verdrehte Seele denkt", das sagte sie am Mittwoch nach dem größten Erfolg ihrer Karriere, als sie mit einem glatten Zweisatzsieg gegen die Italienerin Sara Errani ins Halbfinale der French Open eingezogen war.

Für die 26-jährige Deutsche war es sicher von Vorteil, 24 Stunden danach wieder spielen zu müssen, bevor sie zu viel zu grübeln begann, es gab nur ein Problem: Die Gegnerin hieß Simona Halep, als Nummer vier der Setzliste die nominell Beste in der Runde der letzten Vier. Die Rumänin, 1,68 Meter groß, eine begnadete Läuferin, kraftvoll von der Grundlinie, konsequent im Abschluss, erwies sich dann tatsächlich als zu stark und setzte sich 6:2, 7:6 (4) durch; nun ist sie es, die in einem Grand-Slam-Finale ihre Premiere erlebt. Ob Freud derweil Petkovic trösten könnte, wäre jetzt in der Tat eine interessante Frage.

Für die Weltranglisten-27. war es trotzdem ein großartiges Turnier, "ich blicke sehr positiv nach vorne auf meine Karriere", sagte sie nach ihrem besten Ergebnis seit den Viertelfinals 2011 in Paris, Wimbledon und New York, ehe sie von Verletzungen zurückgeworfen worden war.

Halep leistet sich kaum Fehler

Seit einiger Zeit ist ihre Fitness stabil, im April feierte sie in Charleston (USA) ihren dritten Turniersieg, es geht sichtbar aufwärts. Insbesondere nach der Wirbelwindleistung im Viertelfinale hatte sie Anlass zur Gedankenspielerei gegeben, dass da vielleicht die erste deutsche Finalistin seit Steffi Graf 1999 (die damals gegen die Schweizerin Martina Hingis siegte) am Samstag zu bestaunen sein könnte.

Halep bot indes vom ersten Ballwechsel an nicht nur eine gehobenere Gegenwehr, die Aufsteigerin der vergangenen Saison mit sechs Titeln binnen eines Jahres agierte wie Petkovic gegen Errani: Die Bälle links und rechts verteilend, starkes Winkelspiel, dazu wenige Fehler, nach 28 Minuten war der erste Satz vorbei, auch wegen der zwölf direkten Winner-Punkte, die Halep gelangen. "Ich war zu Beginn nicht feurig genug", warf sich Petkovic vor, lobte aber auch die "supersmarte" Halep.

Viele Zuschauer, die sich nach dem ersten Halbfinale die Beine vertraten und nun erst zurückkehrten, staunten, sie hatten die Ouvertüre verpasst. Das Duell zwischen Maria Scharapowa und Eugenie Bouchard kam im Vergleich zu diesem Zeitpunkt wie eine krachende Oper rüber, 2:27 Stunden lang zeigten die Grande Dame des Welttennis und ihre junge Herausforderin hochklassiges Grundlinientennis mit Topspinschlägen und mutigen Angriffen. Die Russin setzte sich mit 4:6, 7:5, 6:2 durch gegen die 20-jährige Kanadierin, die 2014 als einzige Spielerin bei den Australian Open Ende Januar und nun bei den French Open das Halbfinale erreichte. Scharapowa hat die Chance, nach 2012 ihren zweiten Titel in Roland Garros zu gewinnen, so nennen die Franzosen ihr Turnier.

Hoffnung für Petkovic kam gleich zu Beginn des zweiten Satzes auf, als ihr, nun "aggressiver" agierend, wie sie urteilte, bei eigenem Aufschlag die erste Führung gelang, Halep konterte zum 1:1, aber plötzlich ließ sie ihre Präzision etwas vermissen. Petkovic, in Tuzla, Bosnien, geboren, in Darmstadt zu Hause, hielt dagegen. Zwei Spielbälle hatte sie gar zum 4:1, sie nutzte sie nicht, was sie sicher "grotesk" fand, so lautet ihr neues Lieblingswort.

Ihr Schläger bekam in dieser Phase ihre Emotionen zu spüren, jedoch anders als tags zuvor. Sie küsste ihn nicht, sondern wischte ihn wütend über die rote Asche auf dem Court Philippe Chatrier. Auch blickte sie öfter zu Eric van Harpen, 70, ihrem Trainer, mit dem sie stets die Taktik austüftelt, eine höhere Flugkurve ihrer Bälle soll ihr etwa mehr Sicherheit geben. Jeder Punkt wurde energisch ausgespielt, das Niveau stieg, jede brachte ihren Aufschlag durch, Tie-Break.

Von Beginn an war Petkovic im Rückstand, ein Doppelfehler, sie blieb dran, und doch behielt Halep mit 7:4 die Nerven. "Ich habe zwei, drei falsche Entscheidungen getroffen", wusste Petkovic die Schlussphase einzuordnen. "Für ein Grand-Slam-Halbfinale habe ich nicht konsequent genug gespielt." Sie lachte aber rasch wieder, aus gutem Grund. Sie reist mit einem Preisgeld in Höhe von 412 500 Euro ab und kehrt in die Top 20 der Weltrangliste zurück.

Nicht ganz diesen Betrag erwirtschaftete eine andere Deutsche, Anna-Lena Grönefeld strahlte trotzdem, sie hat auch gutes Geld verdient, in einem Nebenwettbewerb. Die 29-Jährige gewann einen Tag nach ihrem Geburtstag mit Jean-Julien Rojer das Finale im Mixed. Die Nordhornerin und ihr Partner von den Niederländischen Antillen besiegten Julia Görges (Bad Oldesloe), mit der Grönefeld befreundet ist, und den Serben Nenad Zimonjic 4:6, 6:2, 10:7.

Verblüffend war ihr Weg zum Titel. Die beiden hatten nie vorher zusammen gespielt, waren ohne gemeinsames Training zur ersten Runde angetreten und hatten im Halbfinale drei Matchbälle gegen sich. "Ich habe lange herumgefragt, keiner wollte mit mir spielen", erzählte Grönefeld gut gelaunt, Rojer habe dann zugesagt. Nun hat sie Sporthistorisches geschafft. Vor 84 Jahren feierte Cilly Aussem den letzten deutschen Mixed-Triumph, auch in Paris. Ach, und 110 000 Euro kassierten die Sieger zudem. Damit lässt sich wahrlich etwas anfangen.

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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