Ana Ivanovic bei den French Open:Flügel aus Deutschland

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Bastian Schweinsteiger unterstützte Ana Ivanovic bei den French Open von der Besuchertribüne aus (Foto: dpa)

Zum ersten Mal seit sieben Jahren schaffte es Ana Ivanovic in Paris wieder in ein Grand-Slam-Halbfinale. Der Höhenflug der Serbin hat tatsächlich viel mit Bastian Schweinsteiger zu tun.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Da war der Moment. Ana Ivanovic sprach über diese spezielle Beziehung, über diesen sportlichen 30 Jahre alten Mann, der meist auf dem Platz dabei ist, auch beim Training, auf der Tribüne sitzt, ihre Schläger trägt und bei ihren Matches oft im Fernsehen eingeblendet wird, wenn er die Hände ballt. Was würde sie sagen? "Weißt du? Wir versuchen wirklich, uns aneinander zu gewöhnen, und wir versuchen jeden Tag voneinander zu lernen." Sie kennen sich ja eine Weile, betonte sie auf einer dieser heiligen Pressekonferenzen, daher "wusste er vom Start weg, was ich mag und was nicht". Ja, Ana Ivanovic und Mats Merkel, das hat sich in Paris wirklich als erfolgreiche Kombination erwiesen.

Die 27 Jahre alte Serbin aus Belgrad hat ihr bestes Grand-Slam-Turnier seit 2008 gespielt. Damals gewann sie die French Open in Paris, wo sie nun nach aufregenden zwei Wochen erstmals wieder das Halbfinale eines Grand Slams erreichte. Ihre Geschichte wurde natürlich noch besser durch eine zweite Begleitung, denn wenn es schon Merkel, ein dynamischer Trainer aus Münster, der für einen Sport- artikelhersteller arbeitet und seine Expertise Profis auf den Touren anbietet, in den Vertrautenkreis von Ivanovic schaffte, so kam Bastian Schweinsteiger noch näher an sie heran.

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Wie innig dieses Verhältnis konkret ist, wissen sicher nur die zwei sowie wohl mancher Anwalt. Medien müssen höllisch aufpassen, nicht zu sehr von der Liebe zu schreiben, sonst flattert Post eher unromantischen Inhalts ins Haus. Das ist natürlich befremdlich, wenn wie in diesen Pariser Tagen die Welt zwei Personen beim Dauerturteln zusehen kann und der Turnierveranstalter ein Video online stellt, auf dem sich zwei formidabel aussehende Erwachsene vor Glück anknabbern.

Vorbild Fußball-Nationalelf

Das Spannende in dieser eigentlich privaten Causa ist jetzt, dass das Private sichtbar ins Berufliche lappt, mit erfreulichen Folgen, selbst Juristen müssten das erkennen. Schweinsteiger hat sich ja offenbar nicht den Eiffelturm angeschaut, während sie trainierte und siegte. Jedenfalls lagen Schlagzeilen wie "Ana auf den Flügeln der Liebe", wie die französische Sporttageszeitung L'Équipe titelte, geradezu in der Luft. Auch die Zeitung Le Parisien, in der geschrieben stand, dass Ivanovic "sich ermutigt durch ihren Freund gesammelt hat", stellte nicht völlig verkehrte Beobachtungen an.

Allerdings kam die spielerische Trendwende von Ivanovic, die eine erfolgreiche, aber auch wechselhafte Laufbahn absolviert, nicht einfach durch Bützchen zustande. Im Hintergrund wurde vielschichtig gearbeitet. Das ging gerne unter bei der Suche nach dem nächsten Foto, das die beiden zeigt, wie sie mal wieder ein Restaurant oder was auch immer Hand in Hand verlassen. Wer das bestätigen kann, ist Mats Merkel. Er war, wenn man so will, das professionelle Bindeglied zwischen Ivanovic und Schweinsteiger.

Im Tennis funktioniert, diese Phrase stimmt schon, die Arbeit übers Team, so gesehen kann Merkel nur in höchsten Tönen von Schweinsteiger, 30, schwärmen. "Es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Aufgrund seines Erfolges in einer anderen Sportart kommt er mit unheimlich interessanten Ideen", sagt Merkel: "Er ist ein Champion. Er hat im Fußball alles erreicht."

Interna verrät Merkel natürlich nicht, aber ein Beispiel nennt er, wie die interne Kopfarbeit ablief. Schweinsteiger hat in einem der vielen Gespräche berichtet, wie es ihm erging, als er ein Spiel verpatzte. Und wie er beim nächsten Mal der ausschlaggebende Punkt war, dass gewonnen wurde. "Wenn er erzählt, wie er zwischen diesen Situationen agiert, reflektiert und proaktiv daran gearbeitet hat, sich zu verbessern, hören alle zu." Weil er glaubwürdig sei wie kein Zweiter. Zudem, "er hat ein geschultes Auge. Er könnte in jeder Sportart unheimlich viel erkennen", sagt Merkel. Aber Schweinsteiger frage auch zurück. "Er will das Beste für sie. Er will auch mich verstehen und interessiert sich für meine Denkmuster." Das klingt doch sehr nach einer professionellen Herangehensweise, Amour hin oder her.

Der bemerkenswerte Erfolg der Ana Ivanovic ist somit auch der des bemerkenswerten Duos Merkel&Schweinsteiger (vom Namen her gab es dieses ja schon mal), die auf schicksalhafte Weise zueinandergefunden haben, in Paris. Merkel bot seine Dienste an, er hatte Zeit, der Bayern-Profi auch, es ist Sommerpause. In diesen zwei Wochen traten sie wie ein Team auf, das effektiv arbeitet und entschlossen Erfolg anstrebt. Jeder schien seine Rolle zu haben, auch in der Box. Merkel gab den Ruhepol, Schweinsteiger den Antreiber, am Ende war es ein Wunder, dass er keine Strafe für unerlaubtes Coaching kassierte. In manchen Phasen war es fast unterhaltsamer, nur ihm beim Mitfiebern zuzuschauen, und wer wollte, konnte definitiv Weltmeister-Spirit auf dem Platz erkennen.

Sie trifft den Ball fokussiert und konsequent wie lange nicht: Ana Ivanovic. (Foto: Pascal Guyot/AFP)

Nach dem Training bildete Ivanovic samt den Zuarbeitern einen Kreis, jemand hielt eine Ansprache. Ähnliches machte das DFB-Team in Brasilien. Schweinsteiger hakte sich auch ein. In den Matches wiederum gefiel Ivanovic mit ihrer Einstellung. Sie wirkte fokussiert, strukturiert, konsequent wie lange nicht. Einzig im Halbfinale, das sie 5:7, 5:7 gegen die starke Tschechin Lucie Safarova verlor, die nun gegen Serena Williams im Finale antritt, ging ihr "der Sprit aus", wie sie sagte.

"Ich versuche, alles zu genießen und auch Dinge zu tun, die mich glücklich machen", sagte Ivanovic. Es würde daher nicht überraschen, wenn sie Merkels Engagement verlängern würde, der gebürtige Badener hat schon mit Caroline Wozniacki und Jo-Wilfried Tsonga gearbeitet und genießt einen guten Ruf. Wie ja auch Schweinsteiger, mit dem Merkel sogar Tennis gespielt hat. "Er spielt gut, sehr solide", sagt der Trainer: "Er will sich auch verbessern." Das dürfte doch auch ein Grund sein, die Kooperation fortzusetzen.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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