French Open:Aufschlag mit 227 km/h

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Zum Ballen der Faust hatte Dominic Thiem im vergangenen Jahr des öfteren Grund. (Foto: Clive Brunskill/Getty Images)

Dominic Thiem überzeugt in Paris - und fordert nun im Viertelfinale den Titelverteidiger Novak Djokovic.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Da saß Günter Bresnik, einer der gewieftesten Strategen im Tennis, und erklärte im Spielercafé einem Reporter auf Englisch, wie sich sein Spieler entwickelt habe. Dominic Thiem spiele ein richtig gutes Turnier. Aber im Viertelfinale gegen Novak Djokovic seien für ihn diese French Open vorbei. "Zero chances" hätte Thiem, sagte Bresnik und schaute staubtrocken, als hätte er gesagt: Die Sonne scheint. Der Reporter schluckte es, und Bresnik hat es mit seinem famosen Schelmblick stehen lassen.

Natürlich weiß der 56-jährige Wiener, dass Thiem nicht die weiße Fahne schwenkend an diesem Dienstag den Court Suzanne Lenglen betreten wird. Und doch war seine Aussage von der angeblichen Sackgasse, die das Duell mit dem Weltranglisten-Zweiten bedeuten würde, nur konsequent. Seit 15 Jahren arbeiten Bresnik und Thiem zusammen, der Coach, der auch Boris Becker mal betreute, brachte das Kunststück fertig, ihn vom Bub zum Top-Profi zu formen - aber auch angekommen in höchsten Sphären bleiben sie ihren Prinzipien treu. "Es ist wichtig, nie abzuheben, jeden Tag hundert Prozent zu arbeiten, demütig zu bleiben", sagt Bresnik. Diesen Blickwinkel wollen sie beibehalten, obwohl sich ja die Perspektive verschoben hat. Ein Jahr nach dem Grand-Slam-Durchbruch, als Thiem in Paris erst im Halbfinale vom späteren Sieger Djokovic gestoppt wurde, ist der 23-Jährige als Siebter in den Top Ten. "Das Schwierigste ist, ein gutes Jahr zu bestätigen", sagt Bresnik. "Dominic hat das geschafft. Das ist schon beeindruckend."

"Vom Schonen ist keiner besser geworden"

Mit dem Erfolg ist vieles anders geworden für den Profi aus Wiener Neustadt - und auch nicht. "Vom Schonen ist keiner besser geworden", diese Prämisse leben Thiem und Bresnik nach wie vor. Man merkt Bresniks Freude, wenn er erzählt, wie sie im Februar direkt nach dem Turnier in Rotterdam nach Rio geflogen sind und "diesen Schwachsinn gemacht haben". Thiem hat diesen Schwachsinn gewonnen, nämlich das Turnier in Brasilien. Dabei hört Bresnik oft die Kritik, er würde Thiem verheizen. Thiem selbst hat in Paris ausdrücklich betont, er vertrage absolut die Belastung, er sei "jung und frisch".

Die erstmalige Teilnahme im November bei den ATP-Finals der besten acht Profis hat Thiem viel Selbstbewusstsein gegeben, er hat sich etabliert, auch weil er mehr denn je ein Akteur ist, "gegen den keiner gerne Ballwechsel auf Sand bestreitet", wie es Thiems Erstrunden-Gegner Bernard Tomic aus Australien umschrieb. In vier Matches hat der Österreicher keinen Satz verloren, "er hat sich extrem verbessert", sagt Bresnik. In Paris wurde sein Aufschlag mit 227 km/h als bislang härtester aller gemessen. Seine Returns sind zuverlässiger, "er kommt öfter in die Rally und kann sein ureigenes Spiel, das aggressive Grundlinienspiel, besser aufziehen", sagt Bresnik.

Noch mal der Versuch: Wie ist also Thiems Chance gegen Djokovic, der ohne den neuen Coach Andre Agassi agieren muss, der Paris aufgrund von Verpflichtungen verließ? Bresnik bleibt Bresnik und sagt: "Novak kommt ins Halbfinale oder ins Finale."

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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