Frauenfußball:Ohne Knacks

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Jubel nach nur 47 Sekunden: Kathrin Hendrich freut sich mit Torschützin Svenja Huth. (Foto: Vaughn Ridley/Bongarts/Getty Images)

Beim Sieg der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft in Kanada bewähren sich Spielerinnen für die Zukunft.

Von Anna Dreher, Hamilton/München

Dzsenifer Marozsan lag entspannt auf einem Liegestuhl irgendwo in der Sonne, weit und breit kein Fußball zu sehen, während sich ihre Mitspielerinnen auf das Länderspiel gegen Kanada vorbereiteten. Marozsan, die Kapitänin, verpasste ihren Einsatz im Trikot der Nationalmannschaft am Sonntagabend. Sie hatte von Interimsbundestrainer Horst Hrubesch frei bekommen, ihre Saison mit Olympique Lyon war lang mit dem verlorenen Pokal-Endspiel gegen Paris Ende Mai und dem kurz zuvor gewonnenen Finale der Champions League gegen Wolfsburg. Auch die sonst so wichtigen Spielerinnen des deutschen Double-Siegers Wolfsburg fehlten, Hrubesch verzichtete auf Alexandra Popp, Lena Goeßling, Anna Blässe und Babett Peter. Ausnahmsweise.

Sie alle durften fehlen in diesem Spiel, dem im entscheidenden Qualifikationsjahr zur Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich zwar keine große Bedeutung zu kam, das aber doch entscheidende Erkenntnisse für die Zukunft dieser Mannschaft lieferte. Denn auch ohne einen nicht ganz unwichtigen Teil der etablierten Spielerinnen gewann die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes trotz Rückstands 3:2 (1:0) gegen Kanada - in der Weltrangliste als Vierter nur einen Platz hinter Deutschland gelistet.

Im September geht es um die Qualifikation für die WM 2019

Diejenigen, die bald die nächste Generation von Nationalspielerinnen bilden und Titel gewinnen sollen, haben sich in diesem Test also bewährt. "Das war schon große Klasse", sagte Hrubesch, "die Einstellung hat mir gefallen. Ich weiß, meine Mannschaft ist in der Lage zurückzukommen, man kann sich auf sie verlassen. Das war der entscheidende Faktor heute."

Es ist ein Faktor, der vor allem in den noch anstehenden und wichtigeren Partien unter Hrubesch bedeutend sein wird: am 1. September in Island und am 4. September auf den Färöer beim dann letzten Einsatz des 67-Jährigen, der von der früheren Nationalspielerin und jetzigen Trainerin der Schweizer Frauen, Martina Voss-Tecklenburg, abgelöst wird.

Deutschland muss dann gewinnen, um sich direkt für die WM 2019 zu qualifizieren. Das Hinspiel gegen Island, damals noch unter der im März entlassenen Bundestrainerin Steffi Jones, ging 2:3 verloren. Die Bilanz von Hrubesch jedoch ist gut. Alle drei Spiele als Verantwortlicher der Frauen-Nationalmannschaft hat er gewonnen. Auf das 4:0 gegen Tschechien folgte ein 4:0 gegen Slowenien - und nun dieses 3:2 in Kanada.

Gleich zwei Torhüterinnen feierten vor 22 826 Zuschauern in Hamilton ihr Debüt gegen die in Bestbesetzung angetreten Kanadierinnen: Stammkeeperin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg wurde in der ersten Halbzeit von Lisa Schmitz (Turbine Potsdam) und in der zweiten Hälfte von Carina Schlüter (SC Sand) vertreten. Auch Joelle Wedemeyer (Wolfsburg) kam zu ihrem ersten Einsatz. Hrubesch veränderte die Aufstellung im Vergleich zum Spiel gegen Slowenien auf fünf Positionen. "Wir sind in der Lage, innerhalb der Mannschaft zwei, drei Positionen mit nur einem Wechsel zu verändern", sagte Hrubesch, "man hat gesehen, dass wir keinen Knacks kriegen, wenn wir wechseln."

Bundestrainer Hrubesch bewies bei den Wechseln erneut Gespür

47 Sekunden waren gespielt, als die Potsdamerin Svenja Huth Deutschland in Führung brachte. Nach Gegentoren von Christine Sinclair (59.) und Jessie Fleming (69.) traf die eingewechselte Münchnerin Sara Däbritz zum Ausgleich (70.). Danach bewies Hrubesch erneut ein gutes Gespür. Für die unter ihm aufblühende Essenerin Lea Schüller kam deren Vereinskollegin Turid Knaak: erster Ballkontakt, Siegtor, nach nur einer Minute!

Dass durch sechs Wechsel zwischendurch Stabilität und Spielfluss verloren gingen, wurde ausgeglichen. "Aus so einem Spiel kann man viel lernen", sagte Däbritz. "Nach dem Rückstand haben wir gesehen, dass es uns gelingen kann zurückzukommen, wenn wir an unsere Stärke glauben." Es ist dieser Glaube, den die Spielerinnen unter Hrubesch wieder gefunden haben. Bis ihr Selbstbewusstsein wieder gefragt ist, können sie nun dem Beispiel ihrer Kapitänin folgen.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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