Frauenfußball:Mit dem Navi auf Titelkurs

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"Sie haben ihr Ziel erreicht": Die Wolfsburgerinnen feiern den DFB-Pokal - mit einem Slogan aus dem Navigationsgerät. Doch das VW-Vorzeigeprojekt droht einen Rückschlag zu erleiden.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Vor sechs Jahren haben die Fußballer des VfL Wolfsburg ihren ersten Titel gewonnen. Unter dem Trainer Felix Magath wurden sie 2009 deutscher Meister. Die Fußballfrauen des VfL Wolfsburg haben sogar erst vor zwei Jahren ihren ersten Titel feiern können. Sie gewannen 2013 binnen einer Saison auf Anhieb Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. Der Pokal, den sie am Freitagabend in Köln dank eines 3:0-Siegs gegen Turbine Potsdam ausgehändigt bekamen, war schon ihr sechster binnen 24 Monaten. Das sagt bereits eine ganze Menge aus.

Der VfL Wolfsburg mit seinen gleichermaßen titelhungrigen Frauen und Männern ist ein neues, noch kurzes Kapitel in der Historie des deutschen Fußballs. Aber bereits am 30. Mai könnte der Klub deutsche Fußballgeschichte schreiben. Dann nämlich, wenn nach den Frauen auch die Männer Pokalsieger werden sollten. Pokalsieger bei den Frauen und bei den Männern im selben Jahr - das hat noch kein Klub geschafft.

Die VfL Wolfsburg GmbH ist eine Tochtergesellschaft des Volkswagen-Konzerns. Das erklärt den schnellen Aufstieg dank großer finanzieller Möglichkeiten, aber das erklärt auch, warum am Freitagabend auf den grünen T-Shirts der Wolfsburgerinnen stand: "Sie haben ihr Ziel erreicht."

Jetzt müssen die Wolfsburgerinnen in Frankfurt gewinnen

Die Navigationsgeräte in den Autos, die in Wolfsburg vom Fließband laufen, bringen Autofahrer ähnlich stringent ans Ziel wie es der Trainer Ralf Kellermann mit seiner Frauenmannschaft geschafft hat. Binnen weniger Monate hat sich der VfL als deutscher Branchenprimus etabliert. Doch sowohl hierzulande wie auch international gibt es schon auch noch andere gute Klubs, so sind die Wolfsburgerinnen am vergangenen Sonntag in Paris im Halbfinale aus der Champions League ausgeschieden.

Auf diesen Titel, den sie 2013 und 2014 gewonnen haben, müssen sie in dieser Saison verzichten. Aber sie sind jetzt mindestens schon mal wieder Pokalsieger. Sie haben Potsdam ungefährdet mit 3:0 besiegt, und am kommenden Sonntag wollen sie außerdem zum dritten Mal nacheinander deutscher Meister werden. Doch dazu brauchen sie einen Sieg im Auswärtsspiel beim 1. FFC Frankfurt. Wenn ihnen dieser nicht gelingt, wird vermutlich der FC Bayern München deutscher Meister.

Die auffälligste Wolfsburgerin, die den Doppelmeistertitel für den FC Bayern unbedingt verhindern will, heißt derzeit Martina Müller. Sie ist 35 Jahre alt und wird am kommenden Sonntag in Frankfurt ihr allerletztes Fußballspiel bestreiten. Sie hat ganz allein beschlossen, ihre Karriere zu beenden, jetzt, da sie es aus freien Stücken tut und nicht, weil ihr niemand mehr einen Vertrag geben will. Am Freitag beim 3:0-Sieg im Pokalfinale gegen Potsdam hat Müller zwei Tore geschossen und das dritte vorbereitet.

Müller freut sich über solch ein Karriereende

In solch einer Verfassung beendet man eigentlich keine Karriere, aber sie will es nun einmal so, und sie würde nach dem Pokalsieg im vorletzten Spiel ihre Karriere nun gerne auch noch die Meisterschaft im letzten Spiel ihrer Karriere gewinnen. "Nach dem Aus in der Champions League gegen Paris war es nicht so einfach, den Schalter wieder umzulegen, und umso glücklicher bin ich, dass ich meine Karriere wenigstens schon einmal mit diesem Titel beenden kann", sagte Müller.

Pokalfinals bei den Frauen sind nicht selten eine recht klare Angelegenheit. Auch die Partie zwischen dem derzeit besten Team Deutschlands und den einst dominierenden Potsdamerinnen war zwar durchaus ansehnlich, aber kein bisschen spannend. Umso spannender wird es am kommenden Sonntag werden, wenn die Wolfsburger Tabellenführerinnen (54 Punkte) in einem Dreier-Showdown beim Dritten Frankfurt (52 Punkte) antreten, während der Zweite Bayern München (53 Punkte) daheim gegen den Fünften Essen ziemlich sicher gewinnen dürfte.

Eine aufregende Konstellation ist das, aus der der Meister sowie der Zweite als weiterer Champions-League-Qualifikant hervorgehen werden. Der Dritte geht in Sachen Europa leer aus. Auch der Pokalsieg ist diesbezüglich wertlos, weshalb sich die Wolfsburgerinnen am Freitag in Köln zwar gefreut haben über ihren Pokal - aber es ist nun mal nur der drittwichtigste von drei Titeln und finanziell wenig lukrativ.

Es liegt also durchaus auch eine gewaltige Fallhöhe in der gegenwärtigen Ausgangslage im Frauenfußball. Nur, wenn die Wolfsburgerinnen am kommenden Sonntag zum dritten Mal nacheinander als Meister feststünden, hätten sie ihr Ziel erreicht. Sollten sie die neuerliche Zulassung für die Champions League verpassen, wäre der Pokalsieg eher kein Trost. Und es gibt wahrlich leichtere Aufgaben, als auswärts beim 1.FFC Frankfurt zu punkten. Der Klub steht, anders als Wolfsburg, dieses Jahr immerhin im Endspiel der Champions League.

© SZ vom 03.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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