Frauenfußball:Eröffnung der Jagdsaison

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Angeschlagene Nationalspielerinnen, spektakuläre Wechsel und die letzte Spielzeit von Trainer Schröder: Die Bundesliga gibt in Europa den Takt vor.

Von Kathrin Steinbichler, München

Ramona Bachmann hätte überall hin wechseln können, gerade nach diesem Sommer und ihren Auftritten bei der Weltmeisterschaft. Mit ihrem Ideenreichtum und ihrer technischen Beschlagenheit gehörte die Schweizerin zu den spektakulärsten Spielerinnen bei der Frauenfußball-WM in Kanada. Danach bemühten sich Klubs aus allen großen internationalen Ligen, die 24-Jährige vom schwedischen Meister FC Rosengård aus Malmö loszueisen. Kurz vor dem Saisonstart der Frauenfußball-Bundesliga am Freitagabend machte der VfL Wolfsburg aber klar, dass das Ringen um Bachmann beendet ist.

Der deutsche Pokalsieger und Champions-League-Teilnehmer hat sich mit der Offensivspielerin auf einen Dreijahresvertrag geeinigt, nachdem der VfL zuvor von Europa-Konkurrent Olympique Lyon bereits die Nationalspielerinnen Lara Dickenmann (Schweiz) und Élise Bussaglia (Frankreich) abgeworben hatte. Seinen späten Königstransfer ließ Wolfsburg sich eine Ablösesumme in angeblich sechsstelliger Höhe kosten: "Wir haben einen ordentlichen Ausgleich erhalten. Es ist wirklich eine Menge Geld", sagte Rosengårds Geschäftsführer Klas Tjebbes der schwedischen Zeitung Sydsvenskan. Bei Frauenfußball-Meister FC Bayern München sorgte dieser letzte spektakuläre Wechsel vor dem Ligastart kaum für Aufsehen, "das kommt nicht überraschend", sagt Thomas Wörle. Der Trainer der Münchnerinnen weiß: "Der VfL Wolfsburg ist der Konkurrenz in vielerlei Hinsicht voraus und will mit aller Macht wieder mindestens einen Titel." Vor allem den des Meisters, den in dieser Saison die Münchnerinnen tragen. Das Problem ist nur: "Es gibt mehr Favoriten als Titel", sagt Silvia Neid, und die Bundestrainerin findet das gar nicht schlecht.

Königstransfer in Europas Frauenfußball: Die Schweizerin Ramona Bachmann, 24, hat beim VfL Wolfsburg unterschrieben. (Foto: imago)

"Wir haben in Wolfsburg, Bayern, Frankfurt und Potsdam vier Spitzenklubs, die sich untereinander antreiben und dadurch auch in der Liga das Niveau weiter nach oben setzen", sagt Neid. "Nicht umsonst kommen immer mehr Nationalspielerinnen in die Bundesliga - hier wird guter Fußball gespielt, und die Vereine werden in ihrer Arbeit immer professioneller. Die Bundesliga genießt dadurch inzwischen weltweit einen Ruf." In dieser Saison laufen Spielerinnen aus 34 Nationen in der Frauen-Bundesliga auf, "meistens sind es die besten ihres Landes, die hier spielen", sagt Neid. Vor allem aber "wünsche ich mir natürlich, dass unsere Nationalspielerinnen zum Einsatz kommen." Etliche, nicht nur deutsche Nationalspielerinnen sind nach der WM allerdings noch gar nicht einsatzfähig: Wolfsburg muss neben der langzeitverletzten Nadine Keßler (Knie) auf Alexandra Popp (Meniskus-OP) verzichten, auch Babett Peter (Bänderverletzung) ist noch nicht bei 100 Prozent. Bei Frankfurt fällt Regisseurin Dzsenifer Marozsan (Knöchel-OP) wohl bis zur Winterpause aus, weshalb Trainer Collin Bell auch nicht tröstet, dass er aus Wolfsburg die WM-Finalistin Yuki Ogimi abwerben konnte. Den Zustand von Potsdam und München kann Neid zum Ligastart selbst in Augenschein nehmen.

Die Bundestrainerin wird am Freitagabend (18 Uhr/ Eurosport) auf der Tribüne sitzen, wenn im Stadion an der Grünwalder Straße in München-Giesing die neue Saison eröffnet wird. Bei der 26. Auflage kommt es dabei gleich zu einem Spitzenspiel: Titelverteidiger München empfängt im ersten Spiel den vielfachen deutschen Meister und Pokalsieger Turbine Potsdam. Die Ausgangslage ist dabei klar: "Auf dem Papier sind wir jetzt natürlich zum ersten Mal die Gejagten", sagt Bayern-Trainer Thomas Wörle, "aber wir können uns ganz gut einschätzen. Wir wissen, dass wir wieder an unsere Grenzen und darüber hinaus gehen müssen, um so eine Leistung zu bringen wie in der vergangenen Saison."

Der FC Bayern hat sich verstärkt, hat aber auch einige prominente Verletzte zu beklagen

Immerhin hat auch der FC Bayern sich verstärkt: In Nationalspielerin Sara Däbritz (vom SC Freiburg) und Spaniens Kapitänin Verónica Boquete (vom 1. FFC Frankfurt) haben die Münchnerinnen nun zusammen mit den Nationalspielerinnen Melanie Leupolz und Melanie Behringer ein exquisites Mittelfeld aufzubieten, das bei jeder WM mit zu den besten gehören würde. Der Vorstellung steht aber die Realität im Weg: Boquete hat sich in Folge der WM eine schwere Muskelverletzung zugezogen und fehlt noch einige Wochen, Däbritz ist nach Sehnenproblemen erst seit kurzem voll im Training. Auch die WM-Teilnehmerinnen Lena Lotzen (Meniskus-OP) und Mana Iwabuchi (Außenbandriss) werden noch längere Zeit ausfallen.

Potsdam geht es kaum besser, Nationalspielerin Jennifer Cramer (Sprunggelenk) und Abwehrchefin Johanna Elsig (Kreuzbandriss) fehlen zum Start der Abschiedssaison von Trainerurgestein Bernd Schröder. Der 73-Jährige hat sich vor der letzten seiner nun 45 Spielzeiten vorgenommen: "Man darf nicht wehmütig sein." Er freut sich jedenfalls, die Jagdsaison zu eröffnen.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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