Frauenfußball:Aus dem Schatten

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Die Fußballfrauen des FC Bayern sind in dieser Saison noch unbesiegt. Am letzten Spieltag kämpfen sie um die deutsche Meisterschaft.

Von Christoph Leischwitz

In Sachen Aufmerksamkeit haben die Frauen des FC Bayern München zumindest einen Vorteil gegenüber den Männern: Aufregender kann ein Saisonfinale um die deutsche Meisterschaft nicht sein. "Es ist so spannend wie noch nie", findet auch die 29-jährige Spielführerin Melanie Behringer, und sie hat schon so einiges erlebt in ihrer Fußballerkarriere. Das Szenario zum letzten Bundesliga-Spieltag: Der FC Bayern empfängt am Sonntag um 14 Uhr im Grünwalder Stadion einen soliden Gegner aus dem Mittelfeld der Tabelle, die SGS Essen. Die Bayern sind Zweiter, mit einem Punkt Rückstand auf Spitzenreiter VfL Wolfsburg - und die spielen zeitgleich gegen den Tabellendritten FFC Frankfurt. Alle drei Mannschaften können in diesem Nah- und Fernduell noch Meister werden, alle drei können Zweiter werden und hätten damit die Qualifikation zur Champions League erreicht. Jedes Team kann auch noch Dritter werden. Es geht also um Champagner, Sekt oder Selters. Und für die Münchnerinnen auch ein wenig darum, mit dem ersten Titel seit 39 Jahren einen weiteren, kleinen Schritt heraus zu machen aus dem Aufmerksamkeitsschatten der Männer.

Einige leisteten unter der Woche noch Anschubhilfe. "Ab ins Grünwalder Stadion, um 14 Uhr! Euer David", rief David Alaba in einer Videobotschaft. "Ich würde gerne mit ihnen zusammen feiern und hoffe natürlich, dass sie das schaffen", sagte Trainer Pep Guardiola. Ob sie am Sonntag selbst auf Giesings Höhen zusehen werden, ließen sie offen. Doch es dürfte in jedem Fall deutlich voller werden als sonst im Grünwalder Stadion, wo der Zuschauerschnitt in dieser Saison bei rund 800 Zuschauern lag. Denn zur Spannung gesellt sich noch ein anderes Attribut, das zum gesteigerten Interesse beiträgt: die Überraschung. "Es hat ja vorher niemand damit gerechnet, mit so vielen neuen Spielerinnen", sagt Behringer, die selbst erst in dieser Saison zum Team gestoßen war, als eine von zehn Neuen. Vor einem Jahr hatten die Bayern-Frauen noch 14 Punkte Abstand auf den Champions-League-Platz.

Konsequent hält sich das Team an ein Multi-Tasking-Konzept

Behringer selbst scheint in München richtiggehend aufzuleben: Beim FFC Frankfurt war sie im Mittelfeld eine Chefin unter vielen, in München ist sie fraglos eine der wichtigsten Spielerinnen. Schon sechs Monate nach ihrer Rückkehr - die Lörracherin spielte schon einmal von 2008 bis 2010 für die Bayern - fühlte sie sich pudelwohl, sie war sich damals schon sicher, die "richtige Entscheidung" getroffen zu haben. Was in Frankfurt interessiert zur Kenntnis genommen wurde. Nun wuchs ein Team zusammen, von dem vorher niemand wissen konnte, wie gut es funktioniert. In jedem Mannschaftsteil gibt es neue Stammspielerinnen, neben Behringer im Mittelfeld zum Beispiel die Amerikanerin Katherine Stengel im Sturm oder die Schweizerin Caroline Abbé in der Abwehr. Das Team spielt nicht immer überragend, aber zieht konstant ein Multi-Tasking-Konzept durch, in dem die Abwehrspielerinnen oft offensiv agieren und die Stürmerinnen konsequent Defensivaufgaben übernehmen. Das Ergebnis: Die Abwehr hat mehr Tore erzielt (neun) als das Team Gegentore hinnehmen musste (sieben). Die Bayern sind als einziges Team in der Liga noch ungeschlagen.

"Wie der Trainer das macht, das kannte ich so vorher auch nicht", sagt Behringer über Thomas Wörles Konzept. Sie wolle da nicht zu sehr ins Detail gehen. Aber im Prinzip geht es darum, dass jede Spielerin zu jedem Zeitpunkt weiß, was sie zu tun hat. Dass sich die Mannschaft auch neben dem Platz gut versteht, ist eine glückliche Fügung, die eine Jede-rennt-für-jede-Mentalität verstärkt hat. Und es soll so weitergehen, zuletzt haben bereits die beiden österreichischen Nationalspielerinnen Laura Feiersinger und Carina Wenninger ihre Verträge verlängert. "In der Mannschaft herrscht eine Stimmung, das habe ich so vorher auch noch nie erlebt", sagt Behringer. Ihr ist anzumerken, wie viel ihr diese Chance bedeutet, obwohl sie in diesem Jahr auch noch eine WM spielen wird: Der nationale Titel fehlt der Weltmeisterin von 2007 noch.

Vorstandsboss Rummenigge hat bereits eine gemeinsame Feier mit dem Männerteam angedacht

Sicher ist: Sollten die Bayern-Frauen am Sonntag ihr Spiel gewinnen, ist ihnen die Teilnahme an der Champions League sicher. Trainer Wörle hat deshalb für Sonntagnachmittag ein Handyverbot angeordnet - man solle sich erst einmal auf das eigene Spiel konzentrieren. Doch im Falle der Meisterschaft hat Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge bereits angekündigt, dass Männer und Frauen zusammen feiern werden - "das versteht der FC Bayern unter Gleichberechtigung", sagte er. Und zwar an einem Ort, an dem sie gemeinsame Schatten werfen: auf dem Rathausbalkon. Die Teilnahme an der Champions League hätte für die Frauen nur einen Nachteil: Sie könnte bei den Männer nicht mehr so regelmäßig zusehen wie bisher. Doch das, sagt Melanie Behringer, würde sie gerne in Kauf nehmen.

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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