Frauenfußball:Alles rausgefischt

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Beim 1:0-Erfolg der Fußballerinnen des FC Bayern wird Torhüterin Tinja-Riikka Korpela endlich einmal richtig gefordert. Im Bundesliga-Alltag wird selten deutlich, welch starker Rückhalt die Finnin ist.

Von Anna Dreher

Die Arbeitstage von Tinja-Riikka Korpela sind für gewöhnlich eher ruhig. Ab und zu muss die Torhüterin des FC Bayern München ihren 1,77 Meter langen Körper natürlich schon strecken, aber wirklich verausgaben muss sie sich dabei meistens nicht. Nach dem Schlusspfiff, wenn Korpela vom Feld durch den Spielertunnel in Richtung Kabine läuft und mit diesem lauten Ratschen den Klettverschluss ihrer Handschuhe löst, hat sie einen eher ausdruckslosen Blick. Man weiß dann nicht: Findet sie das alles gut so, wie es ist? Oder ist ihr eigentlich langweilig? Korpela, das muss dazu gesagt werden, ist in einem Land geboren und aufgewachsen, das für Menschen mit einer sehr ruhigen Art bekannt ist: Korpela ist Finnin und fügt sich gut in dieses landestypische Personenbild ein.

Im Hinspiel des Viertelfinales der Champions League gegen Paris Saint-Germain am Donnerstagabend ist sie auch ruhig geblieben, obwohl es ein sehr unruhiger Arbeitstag für sie und ihre Mannschaft war. Und es war genau diese Ruhe, die dem FC Bayern München vor einer Kulisse von 7300 Zuschauern den wichtigen 1:0 (0:0)-Sieg und Korpela auf dem Weg in Richtung Kabine zum Lächeln brachte.

Sie hat nichts gesagt in diesem Moment, aber für sie sprachen andere. "Ich glaube, Tini hat heute das Spiel ihres Lebens gemacht. Was die alles für Bälle rausgefischt hat, war der Wahnsinn", sagte Münchens Kapitänin Melanie Behringer, "sie hat uns damit im Spiel gehalten." Korpela selbst reagierte später nüchterner, sie habe schon vor dem Spiel gewusst, dass sie wahrscheinlich einiges zu tun bekommen werde, sagte sie in einem Interview auf der Vereinshomepage: "Darauf habe ich mich physisch und psychisch vorbereitet. Und dann habe ich einfach meinen Job gemacht."

Dieser Job war in diesem Spiel alles andere als einfach. Schon nach ein paar Minuten wurde Korpela von der bis vergangene Saison noch in München unter Vertrag stehenden Verónica Boquete getestet. Zu einer Zeit, in der sie in der Bundesliga oft zusätzliche Aufwärmübungen macht, musste sie an diesem Abend eine ihrer besten Paraden in diesem Hinspiel zeigen: Boquete schoss freistehend aus fünf Metern aufs Tor. "Das war auf jeden Fall wichtig. Wenn wir so früh in Rückstand geraten wären, wäre das Spiel ganz anders gelaufen", sagte Korpela. "Ich bin ja mit Vero befreundet. Vielleicht war sie ein bisschen nervös, als sie plötzlich ins Eins-gegen-eins-Duell mit mir musste."

Auch andere der schnellen und technisch starken Spielerinnen des französischen Topklubs Paris Saint-Germain wie Shirley Cruz, Marie-Laure Delie, Grace Geyoro oder Cristiane versuchten es immer wieder aus verschiedensten Winkeln und Distanzen, per Kopf und per Fuß - an Korpela kamen sie einfach nicht vorbei. Nach einem Konter zog Cruz in der 54. Minute aus der Nähe ab, Korpela hielt erst, schrie dann etwas aufs Feld, das im Zuschauerjubel unterging, und tippte sich dann energisch mit dem Finger an die Stirn. Das, sagte Korpela, sei eines ihrer besten Spiele gewesen. Im Juli 2014 war die 30-Jährige vom schwedischen Tyresö FF zu Bayern München gekommen. Mit Korpela im Tor ist der Verein zwei Mal deutscher Meister in der Frauenfußball-Bundesliga geworden. 56:7 in ihrer ersten, 47:8 Tore in ihrer zweiten Saison - an diese Zahlen kam kaum ein anderes Team ran. Natürlich auch wegen einer starken Defensivleistung. Aber eben auch wegen der Konstanz, mit der Korpela ihr Tor hütet.

Auf ihr Können war auch in diesem Hinspiel Verlass. Bei sieben verletzten Spielerinnen war nicht damit zu rechnen gewesen, dass München aus seiner einzigen wirklichen Chance durch Vivianne Miedema, die in der 72. Minute mit ihrem achten Tor im laufenden Wettbewerb zum 1:0 traf, gegen die dominanten Französinnen bestehen würde. Die Freude über den Sieg wich folglich in manchen Momenten schon der Vorahnung auf das Rückspiel am Mittwoch im Pariser Prinzenparkstadion gegen den Finalisten von 2015. "Das wird ein Hexenkessel, ich kann mir vorstellen, dass die Spielerinnen von Paris sehr gefrustet sind", sagte Münchens Trainer Thomas Wörle. "Und sie haben schon oft gezeigt, dass sie solche Situationen drehen können." Sorgen musste sich Wörle eigentlich dennoch keine machen. Dass Korpela sich dort aus der Ruhe bringen lässt, ist dann doch eher unwahrscheinlich.

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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