Frauenfußball:Heldin in Stutzen

Lesezeit: 2 min

Individueller Höhepunkt der Saison: Dzsenifer Marozsan (rechts) von Olympique Lyon wird als beste Spielerin der französischen Liga ausgezeichnet. (Foto: Franck Fife/AFP)

Dzsenifer Marozsán steht mit Olympique Lyon im Champions-League-Finale der Frauen - der Titel würde ihre fabelhafte Saison abrunden.

Von Anna Dreher, München

Eigentlich ist Dzsenifer Marozsán eher ein zurückhaltender Mensch, fast schon schüchtern. Sie drängt sich nicht in den Mittelpunkt, ist bescheiden in ihrem Auftreten. Meist sind diese Beschreibungen aber auf bestimmte Phasen im Leben der Fußballerin zurückzuführen - wenn sie einen Trainingsanzug trägt beispielsweise oder Jeans und ein T-Shirt. Sobald sich die 25-Jährige ein Trikot überstreift, die Stutzen zurecht rückt, ihre Stollenschuhe bindet und auf den Fußballplatz geht, scheint sie eine Wandlung zu durchlaufen, die an Superhelden aus der Comicwelt erinnert. Seit ihrem Wechsel vom 1. FFC Frankfurt zu Olympique Lyon im vergangenen Sommer nach dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen, scheint sich diese Wandlung verstärkt zu haben und könnte am heutigen Donnerstag den Gewinn der Champions League zur Folge haben: Lyon trifft in Cardiff auf den Ligakonkurrenten Paris Saint-Germain (20.45 Uhr/Eurosport).

Diese scheinbar andere Person, die auch am Donnerstagabend auf dem Platz stehen wird, sieht genau so aus wie die zurückhaltende Marozsán, sie spricht auch sehr ähnlich. Nur kann Marozsán dann gar nicht anders, als im Mittelpunkt zu stehen. Kaum eine Spielerin ist so ballsicher, so genau im Abspiel und technisch so stark wie sie. Hinzu kommt ihre hohe Spielintelligenz und Übersicht - gepaart mit körperlicher Stärke und großem Durchsetzungsvermögen. All die Eigenschaften haben sie früh zu einem Ausnahmetalent gemacht. In Frankreich aber hat Marozsán eine Entwicklung durchlaufen, die sie zu einer der derzeit außergewöhnlichsten Fußballerinnen machen. "Ich fühle mich unendlich wohl. Ich habe eine tolle Mannschaft, und es ist einfach eine Freude, jeden Tag ins Training zu gehen", sagt Marozsán.

Gegen die Mittelfeldspielerin anzutreten, dürften die wenigsten als angenehm empfinden. Insbesondere die Spielerinnen von Paris Saint-Germain, die gegen Lyon in dieser Saison schon oft das Nachsehen hatten. Französischer Meister - mit acht Punkten Vorsprung auf Montpellier und 14 auf Paris - und Pokalsieger ist die Mannschaft, die gespickt ist mit Stars wie Wendie Renard und Alex Morgan, schon geworden. Das Triple wäre für Lyon das zweite nacheinander. Es würde die Titelsammlung abrunden - und Marozsáns erstes Jahr beim französischen Serienmeister perfekt machen. Fußballerin des Jahres in Frankreich wurde auch: sie.

"Dzsenifer ist eine geniale Fußballerin, für mich die derzeit weltbeste", sagt Bundestrainerin Steffi Jones, die ihre Nummer zehn zur Kapitänin befördert hat. "Mein Bauchgefühl sagt, dass Lyon gewinnt. Für mich sind sie Favorit." Neben Marozsán, um die sich das Spiel von Olympique dreht, stehen zwei weitere deutsche Nationalspielerinnen im Kader von Lyon: Bislang konnte sich Josephine Henning in der Innenverteidigung aber nicht durchsetzen, der verletzungsgeplagten Pauline Bremer fehlt es an Konstanz. Die Blicke werden also vor allem auf Dzsenifer Marozsán gerichtet sein.

Die wiederum richtet ihren Blick nach dem Finale schon auf das nächste: Sie will Europameisterin werden. Mit und ohne Berufskleidung.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: