Frankreich-Sieg gegen die Schweiz:Almabtrieb in Salvador

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Torschütze und Vorbereiter: Frankreichs Karim Benzema. (Foto: AFP)

Fast schon im Kreis der Titel-Kandidaten: Das erstarkte Frankreich führt die Schweiz beim 5:2 vor, Karim Benzema glänzt als Torschütze und Vorbereiter. Für das Team von Trainer Ottmar Hitzfeld beginnt die Partie bereits mit einem Schock.

Von Claudio Catuogno, Salvador

Ob die kleine Schweiz nicht ein feiner Schokoladengegner sei, ein "adversaire en chocolat", wurde vor der Partie im Quartier der Franzosen in Ribeirão Preto diskutiert. Mal schnell im Vorbeigehen zu vernaschen? Natürlich haben die Franzosen der süßen Versuchung widerstanden, solche Fragen zu bejahen.

Guy Stéphan, der Co-Trainer, wies zum Beispiel energisch darauf hin, dass die Schweiz ja "nicht umsonst Sechster der Weltrangliste ist. Wir sind da derzeit nur 17". Nun zählt diese Fifa-Weltrangliste zwar zu den transparenteren Dingen im Weltverband. Verstehen tut sie trotzdem keiner. Doch für die Kontinuität (Schweiz) bzw. Sprunghaftigkeit (Frankreich) der Leistungen in den vergangenen Monaten und Jahren gibt sie immerhin einen brauchbaren Überblick.

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Aber es bleibt auch nach diesem zweiten Spieltag in der Gruppe E dabei: Die Grande Nation hat bei dieser Weltmeisterschaft nicht nur eine erstaunlich harmonierende Elf am Start. Die erstaunlich harmonierende Elf ist auch bemerkenswert gut in Form.

100. französischer Treffer bei Weltmeisterschaften

Fast schon in den Kreis der Titel-Kandidaten darf sich die Truppe von Trainer Didier Deschamps einreihen nach ihrem 5:2 (3:0) gegen die Schweiz, bei dem Olivier Giroud, Blaise Matuidi, Mathieu Valbuena, Karim Benzema und Moussa Sissoko die Tore erzielten. Und bei dem die tapferen Schokoladenkicker aus der Alpenrepublik trotz energischer Gegenwehr keine Chance hatten, trotz später Gegentreffer durch Blerim Dzemaili und Granit Xhaka.

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Die Partie hatte allerdings auch mit einem Schock begonnen für das Team des deutschen Trainers Ottmar Hitzfeld: Verteidiger Steve von Bergen, früher bei Hertha BSC, heute bei Young Boys Bern beschäftigt, bekam ein sehr hohes Bein von Giroud ins Gesicht (7. Minute); er wand sich erkennbar vor Schmerzen und verließ mit einem aufs linke Auge gepressten Tuch den Platz. Als er den Weg bis zur Seitenlinie geschafft hatte, war das Tuch mit Blut getränkt. Für von Bergen kam Philippe Senderos vom FC Valencia.

Olivier Giroud machte dann allerdings nicht nur mit übermäßiger Härte auf sich aufmerksam. Er erzielte kurz danach auch die Führung, per Kopfball nach einer Ecke (17.). Es war der 100. französische WM-Treffer. Und er beantwortete auch die in der Heimat leidenschaftlich diskutierte Frage, ob die Équipe tricolore - nach dem WM-Aus des Flügeldribblers Franck Ribéry - mit einem oder mit zwei Stürmern auflaufen soll. Also nur mit Karim Benzema von Real Madrid, der zum Auftakt gegen Honduras zweimal traf? Oder zudem mit Giroud vom FC Arsenal? Gegen die Schweiz hatte sich Deschamps für letztere Variante entschieden. Und man kann festhalten: Auch das funktionierte ganz vorzüglich.

Diesmal glänzte Benzema zunächst als Vorbereiter: In der 18. Minute schickte er Blaise Mattuidi steil; vorausgegangen war ein haarsträubender Rückpass von Valon Behrami direkt in die Füße des Real- Stürmers. Diego Benaglio, der Schweizer Keeper in Diensten des VfL Wolfsburg, öffnete netterweise das kurze Eck, 2:0. Doch immer wieder wehrten sich die Schweizer: Einen platzierten Schuss des Bayern- Angreifers Xherdan Shaqiri lenkte Hugo Lloris mit den Fingerspitzen gerade so am Pfosten vorbei (30.).

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Bei allem Engagement ließen es die Schweizer aber viel zu häufig an der Genauigkeit vermissen; zu viele Abspielfehler, zu viele ungeschickte Aktionen. So verschuldete Johan Djourou mitten in eine Schweizer Drangphase hinein einen erstaunlich unnötigen Strafstoß, als er ohne Not Benzema ein Bein stellte. Aber Benzema schoss aus elf Metern dann selbst - und so schwach, dass Benaglio parierte; Yohan Cabaye kam noch an den Abpraller, bolzte den Ball aber aus kurzer Distanz an die Latte.

Vor dem 6:2 pfeift der Schiedsrichter ab

"Es läuft bei uns alles so gut, dass man fast schon Angst bekommt", hatte der französische Verteidiger Patrice Evra vor dem Spiel gesagt. Und jetzt ist auch klar, wer "man" ist: die Gegner. Noch vor der Pause schickte Varane den mitgelaufenen Valbuena, der nur noch einschieben musste (41.).

Ottmar Hitzfeld hatte diesmal jene beiden Joker von Beginn an gebracht, die zum Auftakt gegen Ecuador einen 0:1-Rückstand noch in einen 2:1-Sieg verwandelt hatten: Haris Seferovic und Admir Mehmedi. Das brachte nicht nur nichts. Hitzfeld konnte jetzt nämlich seine zwei Joker nicht mehr einwechseln. Vermutlich war das aber auch egal, die Franzosen hatten sich längst in einen Rausch gespielt und veranstalteten in Salvador jetzt einen regelrechten Alm-Abtrieb.

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Die 67. Minute: Benzema nimmt einen Ball im Strafraum direkt an und knallt ihn zwischen Benaglios Beinen hindurch ins Netz. Die 73. Minute: Sissoko lässt Benaglio mit einem platzierten Schuss ins lange Eck keine Abwehrchance. Die Schweizer hatten bisher die einfachsten Chancen vergeben - doch nun verwandelten sie im Rahmen eines späten Aufbäumens plötzlich auch überaus schwierige. Die 81. Minute: Dzemaili verwandelt einen Freistoß direkt, unter hochhüpfenden Franzosen hindurch, zum 1:5. Die 87. Minute: Xhaka trifft per Direktabnahme. 2:5.

Klingt gleich etwas weniger schlimm - auch weil der niederländische Schiedsrichter Kuipers die Partie netterweise exakt vor Benzemas Tor zum 2:6 abpfiff.

Das wird der Hitzfeld-Elf etwas Hoffnung geben, denn entschieden ist in der Gruppe E noch nichts. Die Schweiz muss am Mittwoch in Manaus gegen Honduras spielen, Frankreich trifft zeitgleich in Rio de Janeiro auf Ecuador. Wer aber bisher gehofft hat, dass sich die Équipe tricolore auch diesmal wieder selbst zerlegt, wird wohl enttäuscht werden.

© SZ vom 21.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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