Frankfurt:Keine Angst vor der Angst

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Die Eintracht setzt in der Relegation gegen Nürnberg auf die Rückkehr von Stürmer Alex Meier. Und auf die Kampf- und Gewinnermentalität, die der neue Trainer Kovac der Elf eingebläut hat.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es gehört durchaus zu den tragenden Merkmalen eines anständigen Traditionsvereins, dass sich in nahezu allen fußballerischen Lebenslagen in seinem gut gepflegten Erfahrungsschatz ein Ereignis finden lässt, das für die aktuelle Situation als Mutmacher dienen kann. In Frankfurt mögen sie das in den vergangenen Wochen ein wenig überstrapaziert haben, als die Erinnerung an "1999" und jene wundersame Rettung mit vier Siegen aus den letzten vier Spielen in der Stadt mindestens so präsent war wie die Skyline mit ihren hohen Türmen. Aber jetzt, wo die Eintracht eine Wiederholung dieser Tat durch das 0:1 gegen Bremen knapp verpasst hat und gegen den 1. FC Nürnberg in die Relegation muss, blättern sie einfach in der Klub-Historie noch ein paar Jährchen weiter zurück, um dort die nächsten Mut machenden Momente zu entdecken.

Denn 1984 hat Frankfurt schon einmal in der Relegation gespielt und den MSV Duisburg souverän bezwungen (5:0/1:1); 1989 gleich noch einmal und den 1. FC Saarbrücken nicht ganz so souverän bezwungen (2:0/1:2). Und jetzt sind sie guten Mutes, dass sie 2016 auch Relegations- duell Nummer drei der Bundesliga-Vereinshistorie für sich entscheiden können.

Es ist bemerkenswert, wie relativ ruhig die Frankfurter die Tatsache zur Kenntnis genommen haben, dass sie noch zwei Extra-Spiele anhängen müssen, um den Liga-Verbleib fixieren zu können. Natürlich haben sie sich geärgert, dass sie in Bremen nach diesem Stochertreffer von Papy Djilobodji zwei Minuten vor Schluss 0:1 verloren haben - inklusive einer kleinen, aber nicht wirklich nachvollziehbaren Kritik von Trainer Niko Kovac in Richtung Schiedsrichter wegen des Freistoßes, der zum Gegentor führte. Aber ebenso schnell war sich die Delegation vom Main einig, dass sie vor vier Wochen doch wirklich viel dafür gegeben hätte, wenn die Mannschaft überhaupt an der Relegation teilnehmen dürfte. Da schien die Lage nämlich so aussichtslos zu sein, dass selbst der eigene Vorstandschef Heribert Bruchhagen die Mannschaft schon als Zweitligisten bezeichnete - ehe eine ebenso überraschende wie glückliche Siegesserie gegen Mainz (2:1), Darmstadt (2:1) und Dortmund (1:0) neun Punkte einspielte. Von daher hatten viele die Relegation schon eingespeist als notwendigen Teil des diesjährigen Überlebensplans.

Neben den positiven Erinnerungen an 1984 und 1989 wähnen sie bei der Eintracht auch noch ein paar Argumente der Gegenwart auf ihrer Seite. Sie glauben, dass Trainer Kovac seit seiner Ankunft im März der Elf eine ordentliche Kampf- und Gewinnermentalität eingebläut habe, die in solchen Momenten immer besonders gefordert ist. Der Rückschlag von Bremen sei auch schon wieder weggesteckt. "Derjenige, der mehr Angst hat, wird absteigen. Da müssen wir der Stärkere sein", sagte etwa Torwart Lukas Hradecky. Außerdem dürfen sie darauf hoffen, dass sich die am Wochenende eher dürftige Offensive im Relegations-Hinspiel in Frankfurt am Donnerstag (20.30 Uhr) schon wieder in etwas anderer Verfassung präsentiert. Der zuletzt verletzte Marc Stendera kann wohl wieder mitwirken, Szabolcs Huszti nach abgelaufener Gelbsperre ebenso, und dann genießen sie es offenkundig, nun auch wieder die Personalie Alex Meier in ihre Überlegungen integrieren zu können.

In Bremen bestand die Funktion des Lulatsches, der für die Frankfurter schon so viele wichtige Tore schoss, zwar nur darin, auf der Bank zu sitzen und nach dem Abpfiff von Mitspieler zu Mitspieler zu schreiten, um diese wieder aufzubauen. Aber gegen Nürnberg soll Meier erstmals nach überstandener Knieverletzung und fast drei Monaten Pause wieder mitwirken können. "Es sieht gut aus, dass er vielleicht sogar von Anfang an dabei ist. Auf jeden Fall wird er der Mannschaft helfen", sagt Sportchef Bruno Hübner.

Aber bei fast allen Aussagen drängt sich der Eindruck auf, dass sie jetzt in Frankfurt die Wahrscheinlichkeit des Klassenerhalts etwa mit den Prozentzahlen beziffern, mit denen sich vor Wochen noch die Abstiegs-Wahrscheinlichkeit beziffern ließ. Vielleicht sollten sie dabei nicht übersehen, dass auch Nürnberg zu jenen Klubs mit einem Potpourri an Mut machenden Ereignissen für alle Lebenslagen zählt. Dazu gehört auch, dass sie bisher ebenfalls zwei Relegationen bestritten - und beide für sich entschieden.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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