Franck Ribéry:Umstrittene Show

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Münchens Franzose erlebt einen bewegten Abend - und zieht sich den Zorn der Dortmunder zu.

Von Javier Cáceres

Die Geschichte des Fußballs umfasst auch Episoden der Niedertracht, darunter seit einiger Zeit auch Augenstechereien. Vor ein paar Jahren sorgte José Mourinho als Coach von Real Madrid bei einem Clásico gegen den FC Barcelona für einen Eklat, weil er dem damaligen Trainer-Assistenten von Pep Guardiola, dem inzwischen an Krebs verstorbenen Tito Vilanova, mit dem Finger ins Auge pikste. Am Samstag sorgte Franck Ribéry, französische Offensivkraft des FC Bayern, beim Pokalsieg gegen Borussia Dortmund, dem deutschen Clásico, für einen ähnlichen Zwischenfall. Am Rande des Spielfelds drückte er Dortmunds Mittelfeldmann Gonzalo Castro die linke Hand ins Gesicht. Der Ringfinger des Franzosen ging ins Auge.

Beeinträchtigungen des Sehvermögens Castros waren nicht zu erkennen, er konnte weiterspielen. Dass Ribéry ebenfalls weiterspielen durfte, erzürnte die Dortmunder. Zum einen, weil sie Ribérys Schurkenstück für eine "klare Tätlichkeit" (Marcel Schmelzer) hielten, die mit einer roten Karte hätte geahndet werden müssen. Das Schiedsrichtergespann beließ es aber bei einer Verwarnung, obwohl der vierte Offizielle Bastian Dankert direkt hinter Ribéry stand. Zum anderen sind es die Dortmunder schlicht leid. "Es macht echt keinen Spaß, zum dritten Mal nach einem Finale über die Schiedsrichterentscheidungen zu sprechen", sagte Schmelzer, der als Schattenkapitän gilt. Der echte, nun nach München abwandernde Mannschaftsführer Mats Hummels klagte über einen "Hattrick von Finalspielen, die der Schiedsrichter wesentlich beeinflusst hat" - und kam zu einer Schlussfolgerung, die so mancher Philosoph in Zweifel ziehen dürfte. Sie lautete: "Geschichte wiederholt sich."

Grämen müsste sich Hummels ob solcher Belehrungen nicht. Sogar Friedrich Hegel hat sich einen ähnlichen Satz um die Ohren hauen lassen müssen, von einem gewissen Karl Marx. Hegel hatte gesagt, dass sich alle weltgeschichtlichen Tatsachen "sozusagen zwei Mal ereignen", dabei aber - in den Augen von Marx - "vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce". Was zum Schicksal des BVB durchaus passen würde. Die Ursünde des von Hummels gegeißelten Schiri-Hattricks ereignete sich 2013 beim Champions-League-Finale in Wembley. Damals rammte Ribéry einem Gegner nicht den Finger, sondern den Ellbogen ins Auge. Zudem durfte Dante auf dem Platz bleiben, weil der Referee bei einem Elfmeter nicht Gelb-Rot zückte. 2014 kam es dann insofern zu einer Wiederholung mit tragischen Zügen, als dem BVB im Pokalfinale gegen Bayern ein Tor aberkannt wurde, ein Hummels-Kopfball hatte die Linie überquert. Tragisch war es deshalb, weil der DFB erst danach die Torlinientechnik einführte. In allen Fällen handelte es sich um enge Spiele, in denen Entscheidungen von solcher Tragweite spielentscheidend sein können, wie Schmelzer am Samstag nachvollziehbar argumentierte.

Und Ribéry? Hätte Philosoph bleiben können, schwieg aber nicht. Mit Castro habe er kein Problem, "ich fahre mit ihm in den Urlaub". In der Verlängerung wurde er, von Krämpfen geschüttelt, von Alaba und Lewandowski vom Platz getragen und hatte anschließend Probleme zu stehen, zu liegen und über die Bande zu klettern und sich dabei zu dehnen. Von den Bayern-Fans wurde er beim Gang auf die Bank gefeiert wie José Mourinho von Reals Ultras. Diese malten seinerzeit ein Transparent: "Dein Finger weist uns den Weg." Es ist also noch Raum für farceträchtige Wiederholungen der Geschichte.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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