Formel-1-Rennen in Bahrain:Schneller, höher, kritischer

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Die Öffentlichkeit im Internet kann Regime zittern lassen. Nun zeigt sich bei der Formel 1, dass soziale Netzwerke auch Sportverbände in die Enge treiben können. Plötzlich wird eine wichtige Frage virulent: Wie hält es der Sport mit den Menschenrechten? Das Thema lässt sich weder unterdrücken, mit Floskeln abtun - noch mit bunten Bildern übertünchen.

René Hofmann

Ferrari tut es. Der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso tut es. Etliche Journalisten tun es. Vor allem aber tun es viele Meinungsführer der Opposition im Königreich Bahrain: Sie hinterlassen kurze Botschaften in den sozialen Netzwerken des Internets, bei Twitter und Facebook. Mit einem Klick lassen sich dann längere Texte aufrufen, Bilder, Videos. Aus der Fülle der Nachrichten entsteht schließlich ein Gesamteindruck - und der war an diesem Wochenende verheerend für die Formel 1.

Fahren im Unrechtsstaat: Jenson Button, McLaren Mercedes, in Bahrain (Foto: AFP)

Die Rennserie wurde für ihre ignorante Haltung zu den Menschenrechtsverletzungen in dem Land mit Kritik überzogen. Aufrufe zum Boykott der beworbenen Produkte machten die Runde. In Windeseile verbreiteten sich unbedachte Äußerungen der Hauptdarsteller wie die des späteren Siegers Sebastian Vettel, er sehne sich danach, endlich in sein Auto zu steigen und sich "mit den Dingen zu befassen, auf die es wirklich ankommt - Reifentemperaturen".

80 Polizeiautos - "keine besonderen Vorkommnisse"

Der Sport hatte dem wenig entgegenzusetzen. Wie unbedeutend die Wahrheiten sind, die er in die Welt schickt, zeigte sich am Samstagmorgen. Da teilte Fernando Alonso über Twitter mit, welche Musik er auf dem Weg zur Rennstrecke gehört hatte. Sein Ferrari-Team meldete auf dem gleichen Kanal kurz darauf, bei der Anfahrt habe es "keine besonderen Vorkommnisse gegeben".

Journalisten, die nur wenig später unterwegs waren, zählten aber mehr als 80 Polizeiautos und berichteten von waffenstarrenden Patrouillen. Parallel dazu zirkulierten Fotos und Videos, die einen Toten zeigten, der mutmaßlich bei oder nach einer Demonstration umgekommen war.

Der Sport produziert bewegende Bilder, darin liegt sein Macht. Verblassen die Bilder aber neben denen, die zeigen, welches Unrecht in Kauf genommen wird, um die schöne Schau zu inszenieren, bekommt er ein Problem. Die demokratisch organisierte, international vernetzte Öffentlichkeit im Internet ist inzwischen nicht nur stark genug, um Regimes zittern zu lassen. Sie kann auch Sportverbände in die Enge treiben. Das Formel-1-Rennen in Bahrain war die erste Veranstaltung, bei der dies zu erleben war. Weitere werden folgen.

Die Uefa wird bei der Fußball-EM in der Ukraine unter Druck geraten

Die Uefa wird wegen der Fußball-EM in der Ukraine im Sommer unter ähnlichen Druck geraten. Auf den Eishockey-Weltverband kommt das Thema bei der WM 2014 in Weißrussland zu, auf das Internationale Olympische Komitee (IOC) im gleichen Jahr bei den Spielen in Sotschi und auf den Fußball-Weltverband spätestens 2022, sollte er seine WM tatsächlich im Emirat Katar austragen.

Die Fragen, wie es der Sport mit den Menschenrechten hält - sie lassen sich nicht mehr unterdrücken, nicht mehr mit Floskeln abtun und nicht mehr mit bunten Bildern übertünchen.

Dabei gab es etwa im IOC vor kurzem noch ganz andere Befürchtungen. Die Herren der Ringe sorgten sich, ob ihr traditionsreiches Sportfest überhaupt noch ankommt bei der Twitter- und Facebook-Jugend. Um die nachwachsende Zielgruppe zu ködern, wurden Jugend-Spiele ersonnen und wilde Sportarten wie Skicross aufgenommen, bei dem sich vier Athleten gleichzeitig eine Piste hinabstürzen. Der Erfolg war überwältigend. Die Spiele 2010 in Vancouver verzeichneten im Internet Rekordwerte. Um den Anschluss zu halten, pflegen dort inzwischen alle Sportarten Auftritte. Die Homepage der Formel 1 wurde am Samstag von der Hackergruppe Anonymous aus Protest gegen das Rennen in Bahrain zeitweise lahmgelegt.

© SZ vom 23.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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