Formel 1:Mercedes hat den Nachwuchs schon 3-D-gescannt

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Pascal Wehrlein (mi.): Ein Kandidat für das Cockpit bei Mercedes (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Niki Lauda ist verstimmt über den Rücktritt von Nico Rosberg, Mercedes ist nun in Zeitnot.
  • Bis Weihnachten will das Team einen Nachfolger präsentieren. Möglicherweise einen sehr jungen.

Von René Hofmann

Dienstag Kuala Lumpur, Mittwoch Wiesbaden, Donnerstag Brackley, Freitag Wien, Samstag Sindelfingen und Berlin: Nico Rosberg hat wirklich eine ausgedehnte Ehrenrunde unternommen, nachdem er beim Finale in Abu Dhabi zu seinem ersten Formel-1-Titel gefahren war, der sein einziger bleiben soll.

In Malaysia besuchte Rosberg einen wichtigen Sponsor seines Mercedes-Teams, in seinem Geburtsort in Hessen schaute er auf eine Portion "Handkäs mit Musik" beim Bürgermeister vorbei. In England bedankte Rosberg sich in der Rennfabrik bei den mehr als 1000 Angestellten, die sein Auto gebaut hatten, in der Wiener Hofburg wurde ihm die Trophäe überreicht, die der Automobilweltverband für den besten Fahrer bereithält. Vor der Auszeichnung erklärte Rosberg überraschend: Er beende seine Karriere, weil er sein großes Ziel erreicht habe und sich nun ausgiebiger seiner Familie widmen wolle.

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:Lauda kritisiert Rosberg: "Hätte uns vorwarnen können"

Der Aufsichtsrats-Vorsitzende von Mercedes ist unzufrieden mit dem Rücktritt des Weltmeisters. Biathlet Arnd Peiffer wird Dritter im Sprint, es gibt ein rein deutsches Podest bei den Kombinierern.

Trotz des abrupten Ausstiegs wurde der 31-Jährige am nächsten Tag im Mercedes-Werk in Sindelfingen von mehr als 16 000 Mitarbeitern empfangen, bevor er sich in die deutsche Hauptstadt begab, wo er mit seiner Frau Vivian bei einer Benefizgala auftrat und ankündigte, sich jetzt erst einmal in einen "Riesenurlaub" zu verabschieden, nach dem er "schon auch irgendwie" weiter im Motorsport tätig sein will: "Der Sport ist ja meine Leidenschaft, der beste Sport der Welt, finde ich."

Niki Lauda ist bedient

Für seinen Entschluss erntete Rosberg viel Anerkennung. "Respekt!", übermittelte Formel-1-Kollege Nico Hülkenberg dem Zurücktretenden, "großen Respekt", richtete Kevin Magnussen aus, Sauber-Fahrer Marcus Ericsson zeigte gar seinen "größten Respekt". Bei denen, die Rosberg Knall auf Fall verlässt, hielt sich die Begeisterung dagegen in Grenzen.

Am vergangenen Montag hatte das Formel-1-Team von Mercedes in überregionalen Zeitungen noch ganzseitige Anzeigen geschaltet, in denen Rosberg sich für die Unterstützung der Marke mit den Worten bedankt hatte: "Formel-1-Weltmeister wird man nicht alleine." Nun lässt er die Mannschaft alleine. Niki Lauda, der Aufsichtsratschef des Teams, kritisierte Rosbergs Rückzug gleich mehrfach. Der Österreicher grantelte erst bei Sky ein wenig und dann, schon deutlich deutlicher, in der Zeitung Die Welt: "Nico hätte uns ja vorwarnen können, aber das hat er nicht getan", ärgert sich Lauda, "wir stehen voll im Regen ebenso wie unsere 1200 Mitarbeiter, für die wir verantwortlich sind."

Die nächste Saison beginnt Ende März in Melbourne. Bereits im Februar sind Testfahrten mit den neuen Autos geplant, die nach grundlegend neuen Regeln gebaut sind. Die von Rosberg ausgelöste Situation sei deshalb "ein Riesennachteil", so Lauda: "Das Thema Fahrerstabilität - ein Doppelweltmeister und ein Weltmeister, also die beste Fahrerpaarung der Formel 1 - ist weg. Wir haben ein neues Auto, bei dem wir jetzt noch nicht wissen, wohin die Reise geht und dazu jetzt noch eine Riesenunsicherheit bei den Fahrern. Kurzum: Wir befinden uns in dem für mich schlechtesten möglichen Zustand."

Bis Weihnachten will Lauda Klarheit, wer Rosbergs Platz übernimmt. In den nächsten Tagen wird der 67-Jährige sich mit Teamchef Toto Wolff in Klausur begeben. Initiativbewerbungen sind bereits etliche eingegangen. Laut Wolff haben sich fast alle der aktuellen Formel-1-Fahrer auf die eine oder andere Weise mit mehr oder weniger dezenten Nachrichten bei ihm gemeldet. Doch es gab auch Initiativwarnungen. Red-Bull-Teamchef Christian Horner brachte eine SMS auf den Weg: Bei seinen Angestellten, dem hochgehandelten Teenager Max Verstappen und dem schnellen Australier Daniel Ricciardo, sollten Wolff und Lauda erst gar nicht versuchen, Klauseln in den Verträgen zu suchen.

Die Mercedes-Granden haben angedeutet, dass sie bei der Fahrerwahl juristischen Ärger vermeiden wollen. Eine derartige Hängepartie würde das Team nur weiter destabilisieren. Aus diesem Grund dürfte auch Sebastian Vettel aus dem Rennen sein; er dient 2017 die letzte Saison seines zunächst auf drei Jahre geschlossenen Ferrari-Vertrages ab.

Die Jungen sind schon in die Entwicklung der Autos eingebunden

Aus Wolffs Äußerungen ist zu lesen, dass der Teamchef mit dem Gedanken spielt, einem jungen Fahrer eine Chance zu geben. "Wir haben ein Junior-Programm. Und dort haben wir meiner Meinung nach zwei der talentiertesten jungen Fahrer drinnen. Es wäre aufregend, einen der beiden im Auto zu haben", sagt Wolff. Die Rede ist von Pascal Wehrlein (22, DTM-Champion des Jahres 2015, in dieser Saison bei Manor unterwegs) und vom Franzosen Esteban Ocon (20, in diesem Jahr Debütant bei Manor, für 2017 Force India versprochen). Ein Vorteil der Youngster: "Die Buben", wie Wolff sie nennt, "sind schon 3-D-gescannt." Das heißt: Mercedes liegen alle Daten der beiden vor, weil sie bereits in die Entwicklung der Autos eingebunden und als Ersatzfahrer eingeplant waren. Ob ihnen aber gleich gelingt, wofür Rosberg sich so sehr mühen musste, dass er nun erschöpft zurücktritt: das Alphatier Lewis Hamilton regelmäßig ans Limit zu treiben?

Der Brite hat allen potenziellen Rosberg-Nachfolgern schon mal eine Warnung zukommen lassen: "Wenn du die Hitze nicht verträgst, dann komm' gar nicht erst in die Küche!"

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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