Formel-1-Weltmeister:Rosberg macht erleichtert Schluss

Nur fünf Tage nach dem Gewinn des Weltmeistertitels beendet Nico Rosberg überraschend seine Karriere. Er freut sich auf ein neues Leben.

Von René Hofmann

Nein, Nico Rosberg ist nichts anzumerken gewesen in der Stunde des Triumphes. Er jubelte, er stammelte, er weinte und er feierte, nachdem er am Sonntag in Abu Dhabi zum ersten Mal den Formel-1-Titel eingefahren hatte. Rein gar nichts deutete darauf hin, dass er Gedanken ans Karriereende hegte. Als Rosberg gefragt wurde, ob er in der kommenden Saison, die Ende März in Melbourne beginnt, die Startnummer eins ausführen werde, die stets dem Champion gebührt, da antwortete er: Die Sechs sei schon immer seine Glückszahl gewesen.

Mit der Sechs auf dem Auto sei schließlich auch sein Vater Keke 1982 Weltmeister geworden. Wahrscheinlich werde er der Sechs treu bleiben. Seit diesem Freitag weiß die Welt: Das wird er nicht. Rosberg wird der ganzen Formel 1 untreu. Er hört auf. Mit 31 Jahren.

An diesem Freitagabend wurde Rosberg auf der Gala des Automobilweltverbandes in Wien offiziell als Weltmeister geehrt. Vor dem festlichen Anlass gab es am Nachmittag eine Pressekonferenz, auf der Rosberg seinen überraschenden Entschluss kundtat. Kurz darauf lieferten er und das Mercedes-Team, für das er seit 2010 gestartet war und bei dem er auch für 2017 noch einen Kontrakt besaß, Erklärungen. Als Grund für seinen Schritt nannte Rosberg: Seit 25 Jahren sei der WM-Titel sein "einziges, großes Ziel" gewesen: "Ich musste viel dafür opfern, aber trotz all dieser harten Arbeit, dieser Schmerzen und dem ganzen Verzicht blieb dies immer mein Ziel. Und jetzt ist es so weit, ich habe den Berg erklommen, ich bin an der Spitze angekommen." Jetzt abzutreten fühle sich "richtig an", so Rosberg. Mehr noch: "Ich spüre eine große Erleichterung", lässt er wissen.

Das Duell mit Hamilton setzte ihm zu

Der Entschluss zum abrupten Stopp sei am Montagabend gereift, also ziemlich genau 24 Stunden nach seiner aufregenden Fahrt auf Platz zwei beim Großen Preis von Abu Dhabi, den sein Mercedes-Kollege Lewis Hamilton gewonnen hatte. Bei der Gelegenheit hatte der Brite, der Rosberg in den vergangenen zwei Jahren zweimal bezwungen hatte, diesen noch einmal geärgert. Hamilton hatte Rosberg bewusst behindert und so versucht, ihn in die Fänge der Verfolger zu bremsen. Es war ein letzter, verzweifelter Versuch gewesen, Rosbergs Krönung zu verhindern. Und ein erneutes Beispiel dafür, wie die beiden sich seit drei Jahren wirklich mit allen Mitteln beharkt hatten.

In der Erklärung zu seinem Abschied deutet Rosberg an, wie sehr ihm dieses Gegeneinander zugesetzt hatte. "Ich kann euch sagen, diese Saison war verdammt hart", schreibt er an seine Fans, "nach den großen Enttäuschungen der letzten zwei Jahre habe ich wie verrückt alles gegeben, habe jeden Stein umgedreht und nichts unversucht gelassen; diese Enttäuschungen waren der Antrieb, auf ein neues Level zu kommen. Ein Level, das ich bisher noch nicht erreicht hatte. Und natürlich hatte dies auch einen Einfluss auf meine Familie, die ich sehr liebe - es war ein riesiger Aufwand für uns."

Rosberg ist seit 2014 mit Vivian Sibold verheiratet, die zuvor schon lange seine Freundin war. Seit 2015 haben die beiden eine Tochter. Rosberg erwähnt seine familiäre Situation im Zusammenhang mit seinem Rücktritt ausdrücklich. Seine Familie habe "auf viele Dinge verzichtet für das eine große Ziel, alles wurde ihm untergeordnet". Seine Frau habe "verstanden, dass dieses Jahr unsere große Chance war, endlich zuzuschlagen".

Rosberg schreibt tatsächlich "unsere große Chance" - so, als wolle er den Gegensatz zu Hamilton, der seit einiger Zeit privat demonstrativ als Junggeselle und auf den Rennstrecken demonstrativ als Einzelkämpfer seine Runden zieht, noch einmal herausstreichen. Hamilton unterrichtete Rosberg vorab über seinen Entschluss. Hamiltons knappe öffentliche Reaktion: "Ich werde die Rivalität vermissen."

Die Idee kam Rosberg vor zwei Monaten

Der Gedanke, den Sport möglicherweise als Weltmeister zu verlassen, war Rosberg erstmals vor zwei Monaten gekommen. Nach seinem neunten Sieg in dieser Saison am 9. Oktober in Suzuka in Japan standen noch vier Rennen aus, Rosberg hatte 33 Punkte Vorsprung vor Hamilton und er wusste, "der Titel war in meinen Händen". Ein weiterer Schlüsselmoment: die Minuten vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi. "Da wusste ich, dies hier könnte dein letztes Rennen sein. Und es fühlte sich alles plötzlich so klar und richtig an vor dem Start": Rosbergs Äußerungen zu seinem Aus klingen fast schon beseelt.

Rosberg ist der erste Pilot seit Alain Prost, der 1993 als Weltmeister zurücktritt. Der Franzose hatte seinen Ausstieg allerdings schon drei Rennen vor dem Saisonende bekannt gegeben. Weiter unerreicht an der Spitze der Rangliste der überraschendsten Rücktritte aus der Serie bleibt auch Niki Lauda. Der war 1979 nach zuvor zwei WM-Titeln beim Training in Montréal einfach aus seinem Brabham geklettert und hatte verkündet: "Ich will nicht mehr im Kreis fahren." Zweieinhalb Jahre später kam er zurück und tat genau das. 1984 wurde Lauda noch mal Weltmeister. Rücktritte waren in der Formel 1 häufiger nicht endgültig.

Wer Rosbergs Platz neben Hamilton bei Mercedes 2017 einnehmen darf, ist noch völlig offen. Die Firma unterhält beste Beziehungen zu Pascal Wehrlein, 22, der 2015 die Tourenwagen-Serie DTM gewann und sich in der abgelaufenen Formel-1-Saison beim Hinterbänkler-Team Manor recht achtbar schlug. "Unerwartet und aufregend" nennt Teamchef Toto Wolff die Situation, so kurzfristig einen begehrten Arbeitsplatz vergeben zu dürfen.

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