Formel 1 in Monza:Hamilton muss zittern

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Noch in Ungewissheit: Lewis Hamilton. (Foto: AP)
  • Weil beim Rennwagen von Lewis Hamilton ein Hinterrad nicht vorschriftsgemäß aufgepumpt ist, droht nachträglich die Disqualifikation.
  • Ferrari jubelt über den zweiten Platz von Sebastian Vettel.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen aus Monza.

Von Elmar Brümmer, Monza

Zum Schluss noch ein kleiner Spurt, weil das Podium im Autodromo Nazionale hoch über der Boxengasse schwebt. Der Sieger muss sich dort oben fühlen wie im Herzen von Ferrari, mit Blick über Tausende vornehmlich rot gekleidete Fans. Ein besonderes Dolce Vita für Lewis Hamilton, den Mann in Silber: Der wird für seinen siebten Sieg in dieser Formel-1-Saison ausgepfiffen. Erst danach zeigt die Menge echte Leidenschaft: Sebastian Vettel wird bei seinem ersten Heimspiel mit Ferrari Zweiter vor Felipe Massa - und macht den Ferraristi Appetit auf die kommende Saison, in der die Scuderia soweit sein will, die überlegenen Silberpfeile wirklich anzugreifen. Am Sonntag lagen noch 25 Sekunden zwischen Hamilton und seinem Verfolger.

Sebastian Vettel verfiel bei der Bitte um ein paar Worte in seiner Muttersprache ins Italienische: "Grazie", "Forza", oder "Incredibile" bedürfen keiner Übersetzung. Spätestens jetzt hat der Heppenheimer gemerkt, dass sein vor Jahresfrist beschlossener Schritt zu Ferrari richtig war: "Das ist einer der emotionalsten Tage, die ich in der Formel 1 je hatte. Dieser Moment auf dem Podium macht den Traum, für Ferrari zu fahren, so lebenswert und lebendig." Sieger Lewis Hamilton zahlte den Tifosi ihre Pfiffe nonchalant im Interview heim: "Es ist toll, vor diesen unglaublichen Fans hier zu gewinnen."

Formel 1 in Monza
:Hamilton verhindert Vettels Heimsieg

Erster Sieg mit blonden Haaren: Lewis Hamilton baut in Monza seine Führung in der WM-Gesamtwertung aus. Sebastian Vettel wird Zweiter, Nico Rosberg scheidet mit rauchendem Motor aus.

Drohende Disqualifikation

Zu diesem Zeitpunkt war die Laune des Briten noch nicht getrübt - kurz darauf drohte im zwischenzeitlich sogar die Disqualifikation. Die technischen Delegierten hatten bei der Messung des Reifendrucks vor dem Start - eine Pflichtmaßnahme nach Platzern mehrerer Pirelli-Einheitsreifen kürzlich in Spa - an Hamiltons linkem Hinterreifen eine Differenz von 0,3 PSI gegenüber dem neuerdings vorgeschriebenen Mindestdruck festgestellt; beim Kollegen Nico Rosberg sollen es sogar 1,1 PSI gewesen sein. Die Rennkommissare ermittelten, der neue WM-Stand - Hamilton (252 Punkte) hat seine Führung auf Rosberg auf 53 Zähler ausgebaut - blieb erst mal vorläufig. Erst im Laufe des Abends wurde der Ausgang des Rennens bestätigt. "Ich habe keine Ahnung", sagte Hamilton zu den Vorwürfen, "ich glaube, ich hatte noch nie ein so erfolgreiches Wochenende." Der Motorsportchef von Mercedes, Toto Wolff, sagte, man habe "alles unter Pirelli-Aufsicht gemacht, das sollte in Ordnung sein". Die in der Serie beliebten Verschwörungstheorien schossen auch deshalb ins Kraut, weil in der Schlussphase eine Boxenfunk-Durchsage an Hamilton ergangen war, er solle 25 Sekunden Vorsprung herausfahren - eine Art Vorsichtsmaßnahme, falls es zu einer Zeitstrafe wegen der Reifenproblematik kommen sollte? Alles nicht so wild, hieß es dann aber später in einer von fünf der sechs Stewards mitgetragenen Entscheidung: Die Unterschiede könnten auch mit der Messmethode zu tun haben; bis kurz vor dem Start sind Heizdecken auf den Pneus.

Pech beim Start, und am Ende ein qualmender Motor: Nico Rosberg ist frustriert

Die Höchstgeschwindigkeitsbahn vor den Toren Mailands bietet alle Möglichkeiten, ausgiebig Motorsport zu betreiben - lange Geraden, weite Kurven, enge Schikanen. Aber die Formel 1 ist eben auch in Monza nicht nur Vollgas - sondern mal wieder Regelkunde für Fortgeschrittene. Das betrifft das Reifenthema. Das beginnt aber schon mit der Startaufstellung: Nach zahlreichen Motoren- und Teilewechseln im Vorfeld wurden Strafversetzungen in Höhe von zusammengerechnet 168 Plätzen ausgesprochen, ein absurdes Rechenexempel. Selbst den Branchenführer Mercedes hatte es erwischt, aber ein Defekt am neuen Motor des Silberpfeils von Nico Rosberg blieb für ihn zunächst folgenlos, da er sein Tauschkontingent noch nicht aufgebraucht hatte. Rosberg fuhr dann wieder mit dem alten Antrieb - das blieb nicht folgenlos, dazu später mehr. Komplizierter als gedacht war auch das Startprocedere für Kimi Räikkönen. Der Finne hatte sich und Ferrari das beste Qualifikationsergebnis der Saison beschert - doch dann blieb er auf dem aussichtsreichen zweiten Startplatz einfach stehen. Bis er losgerollt war, konnte er nur noch ahnen, wohin Hamilton und Vettel entflohen waren. Und für Hintermann Rosberg wurde der Fauxpas fast zur Falle, im letzten Moment konnte er rechts am stehenden Hindernis vorbeischießen. Nur noch Sechster nach der ersten Runde - ärgerlich. Nach einem Umlauf hatte Kollege Hamilton bereits anderthalb Sekunden Vorsprung. Bei ihm hielt der neue Motor, zu keinem Zeitpunkt bestand ernsthafte Gefahr, dass sein Sonntagsspaziergang mit der Durchschnittgeschwindigkeit von 250 km/h gestört werden könnte. Vettel blieb in gebührendem Abstand - weshalb es spannender zu beobachten war, ob sich Rosberg noch würde nach vorn kämpfen können. Und tatsächlich: Mit einer perfekten Boxenstopp-Taktik beim einzigen Stopp - die Pirelli-Reifen waren bei keinem der Teams ein Problem - kam der Deutsche noch an den Williams-Piloten Felipe Massa und Valtteri Bottas vorbei. Und konnte sich an die Verfolgung von Vettel machen. Immer näher kam er ihm. Zwei Runden vor Schluss trennen die beiden Deutschen bloß noch eine einzige Sekunde. Doch dann stieg weißer Rauch auf - das betrübliche Zeichen dafür, dass sich Rosbergs Motor verabschiedet hat.

Es ist der erste Ausfall eines Mercedes-Piloten in dieser Saison, Nico Rosberg kann nur nachdenklich dem noch am Kranhaken in weißen Dampf gehüllten Rennwagen nachblicken. Ende einer bravourösen Dienstfahrt, gewertet auf dem 17. Rang. Auch schon das Ende seiner WM-Hoffnungen?

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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